Postwachstumsökonomie: Unreflektierte Radikalkritik zugunsten des status quo
  Die schlimmsten Missverständnisse der Rolle des Wachstums in einer Marktwirtschaft
    Ein Gastartikel
       
 
Nicht Wohlstand, sondern Armut zerstört die Umwelt. Überall auf der Welt, wo durch Wirtschaftswachstum die materielle Not überwunden wurde, ist die Umwelt heute sauberer und die Natur besser geschützt.
 
    Michael Mierschdeutsche Publizist, Buch- und Filmautor    

Wie wir im vorhergehenden Beitrag bereits angesprochen haben, argumentieren die Postwachstumsökonomen vor allem in zwei Richtungen. Zum einen werfen sie der Menschheit, besonders dem Teil aus den westlichen Industrieländern, regelmäßig vor, sie seien zu sehr auf Wachstum versessen, ja geradezu süchtig danach. Zum anderen behaupten sie, die Marktwirtschaft sie zum ständigen Wachstum gezwungen, da sie sonst unweigerliche zusammenbrechen müsste. Daraus leiten sie verschiedene Forderungen nach Umsteuern ab, sowohl moralische als auch wirtschaftssystematische. Ihre populärste Forderung ist die nach dem Ende oder zumindest einer Begrenzung des Wachstums. Der Begriff „Nullwachstum“ hat sich dafür schon gut eingebürgert. Wir werden uns in diesem Beitrag mit den Vorwürfen und Forderungen der Postwachstumsökonomen und mit den Fehlern, die sie enthalten, auseinandersetzen.

Die Märchen von der „Droge Wachstum“ und dem „Wachstumszwang“

Überlegen wir, wie man zu der Ansicht gelangen kann, die Marktwirtschaft bzw. die Menschen, die in ihr leben, seien vom Wachstum besessen. Blickt man in der Geschichte zurück, lässt sich hinsichtlich des Wirtschaftswachstums in der Tat etwas Auffälliges feststellen. Vor der Erfindung der Marktwirtschaft fiel das Wachstum sehr gering aus, wenn es überhaupt dazu kam. Mit der Industrialisierung stellten sich nie dagewesene Wachstumsraten ein, wenngleich es oft zu plötzlichen Krisen kam, die in allen vorindustriellen Wirtschaften unbekannt waren. Neue Technologien wurden geradezu reihenweise entwickelt. In kurzer Zeit stiegen die Produktivität als auch der Wohlstand im Allgemeinen und der Wohlstand der Kapitalbesitzer im Besonderen rapide an. Die Arbeiter mussten darauf zwar etwas länger warten und lebten zunächst in elenden Verhältnissen, aber auch ihre Lage verbesserte sich mit der Zeit. Nach dem Zweiten Weltkrieg erlebte die Marktwirtschaft ihr Goldenes Zeitalter, in der allgemeiner Wohlstand als auch Wirtschaftswachstum Höchststände erreichten.

Wie lässt sich das erklären? Hatten die Menschen zu Beginn der Industrialisierung plötzlich in Massen das Streben nach Mehr für sich entdeckt und waren von da an viel fleißiger und ideenreicher als vorher? Das wäre eine sehr schlechte Erklärung, da sie sich durch nichts nachprüfen oder belegen lässt. Im Übrigen kann man jede noch so abwegige Theorie mit einem spontanen Sinneswandel der Menschheit oder einzelner Teile davon begründen. Dieser Ansatz hilft uns also nicht weiter. Es ist viel plausibler anzunehmen, dass die Menschen vergangener Zeiten denen von heute im Wesentlichen gleichen und beide ganz ähnliche Wünsche, Motivationen usw. haben. Wie sich der innere Antrieb der Menschen auswirkt, ist eine Frage der Gegebenheiten. Und hier liegt die Antwort darauf, woher die plötzliche Steigerung der Wachstumsraten kam. Der Marktwirtschaft gelingt es, die Bestrebungen der Menschen systematisch und nachhaltig in die Steigerung der Produktivität umzusetzen. Das kann keine andere Wirtschaftsordnung so gut wie sie. Wie eben schon angemerkt schafft sie es dafür nicht, ohne immer wiederkehrende Krisen zu funktionieren, die jedes Mal wieder viel Wohlstand vernichten und Menschen in Massen verarmen lassen. Übrigens haben sich die Eigentümer der Produktionsmittel, also die Kapitalbesitzer, von Anfang an nicht für ein besonders kräftiges Wirtschaftswachstum interessiert, sondern immer nur dafür, das meiste des sprichwörtlichen Kuchens zu bekommen. So lange das gegeben ist, nehmen sie geringere Wachstumsraten gern in Kauf, zumal sie dann das leere Versprechen, mit mehr Wachstum würde es allen besser gehen, beliebig oft wiederholen können.

Was ist von der Behauptung zu halten, die Marktwirtschaft sei zum ewigen Wachstum verurteilt? Dazu muss man sich ansehen, wie sie begründet wird. In den meisten Fällen wird das Geld dafür verantwortlich gemacht. Die Anhänger der so genannten Freiwirtschaftslehre oder Geldtheoretiker, wie man sie auch nennt, die den Ursprung aller Probleme der Marktwirtschaft nur im monetären Bereich sehen wollen, berufen sich meist auf die Wirkung des Zinses. Sie sagen, der Zinseszinseffekt treibe die Wirtschaft unerbittlich voran und gestatte ihr keinen Stillstand, denn auf nicht ausgegebenes und stattdessen angelegtes Geld müsse immer ein Zins erwirtschaftet werden, im nächsten Jahr ein neuer Zins auf die Geldsumme und den Zins aus dem vergangenen Jahr usw. Ganz ähnlich argumentieren diejenigen, die Schulden ins Zentrum ihrer Überlegungen stellen. Sie vergleichen die Marktwirtschaft mit einem Kettenbrief: Es müssten immer wieder neue Kredite vergeben bzw. Schulden aufgenommen werden, die die vorhergehenden ablösen und die Wirtschaft am Laufen halten. Sollte das Vertrauen darin, dass Schulden bedient und zurückgezahlt werden leiden, bräche die Krise aus. Aus diesem Hamsterrad gebe es kein Entkommen.

Wirtschaftstheoretisch lässt sich zweifelsfrei nachweisen, dass es den Wachstumszwang nicht gibt. Das ist jedoch nicht ganz einfach und würde zu weit führen. Wir erklären es hier kürzer und einfacher. Dazu richten wir unsere Aufmerksamkeit darauf, welche Verhaltensweisen die Marktwirtschaft seit ihrem Entstehen gezeigt hat. Natürlich erhalten die beiden Extreme, Hochkonjunktur und Rezession (boom and bust), die meiste Aufmerksamkeit. Doch es gibt noch einen dritten Zustand: die Stagnation. Hierbei dümpelt die Wirtschaft vor sich hin, es geht nicht voran, aber auch der Untergang bleibt aus. Solche Perioden gab es und sie dauerten mitunter sehr lange. Das passt ganz und gar nicht zum angeblichen Wachstumszwang. Wäre Wachstum für den Bestand der Marktwirtschaft wirklich so wichtig, könnte es Stagnation gar nicht geben oder sie dürfte allenfalls nur kurz andauern, um dann schnell in eine Krise zu münden. Den Vertretern der These vom Wachstumszwang ist das offensichtlich entgangen, was aber nicht überrascht, wenn man sich ansieht, was sie sonst so von der Funktionsweise einer Marktwirtschaft erzählen. Hören wir uns an, was sie zum auffälligsten ihrer Merkmale, den periodischen Krisen, zu sagen haben.

Für die Anhänger der Freiwirtschaftslehre ist die Geldhortung die Wurzel allen Übels. Alle Menschen die Geld besitzen würden immer mehr davon unter ihre Matratze stecken, je weiter die Zinsen fallen. Dieses Geld fehle als Nachfrage und bringe die Wirtschaft zum Erliegen. Es interessiert sie aber nicht im Geringsten, dass dieses gehortete Geld niemals gefunden werden konnte oder dass die verunsicherten Sparer, wenn das überhaupt geschieht, ihre Konten erst nach dem Ausbruch einer Wirtschaftskrise leerräumen wollen und nicht davor.

Die Debitisten erklären das Auftreten von Wirtschaftskrisen auf eine noch viel einfältigere Weise. Besser gesagt erklären sie überhaupt nichts. Sie behaupten einfach, das Vertrauen der Gläubiger gehe immer wieder mal verloren, was dann eine Kettenreaktion nach sich zöge, die zum Zusammenbruch der Konjunktur führe. Nachprüfbare Gründe dafür, warum sich das regelmäßig wiederholt, nennen sie nicht bzw. sind ihre Aussagen gar nicht empirisch ermittelbar. Wie eingangs schon erwähnt kann man den Menschen immer die Schuld zuschieben, wenn einem nichts mehr einfällt. So behält man recht, aber man kommt nirgendwohin.

Man kann es entweder ein Paradox oder aber eine Dreistigkeit nennen, dass es Leute gibt, die für sich in Anspruch nehmen, das Wesen der Marktwirtschaft entschleiert zu haben, aber widersprechende Tatsachen einfach ignorieren oder sich schwacher Ausflüchte bedienen. Von ihnen können wir ganz sicher keine Lösung unserer wirtschaftlichen Probleme erwarten.

Die Irrtümer pauschaler Wachstumskritik

Neben selbsternannten Fachleuten für Wirtschaftstheorie gibt es schon seit längerer Zeit viele Idealisten, die sich gar nicht erst mit der Frage aufhalten, wie eine Marktwirtschaft funktioniert. Sie erklären das Wachstum schlicht und einfach zum Übel, das es auszumerzen gilt, und alles würde gut werden. Doch diese Forderung basiert auf einer Reihe von Kenntnislücken und Missverständnissen.

Beginnen wir mit einem populären, aber gleich doppelt unsinnigem Begriff: Nullwachstum. Hier fällt sofort ein Selbstwiderspruch sogar in der Bezeichnung selbst auf. Wenn etwas nicht mehr größer wird, ist es unsinnig, von Wachstum zu sprechen. Aber nicht nur begrifflich, sondern auch sachlich ist das Gerede vom Nullwachstum kompletter Unfug, denn er wird meist in Zusammenhang mit Fragestellungen benutzt, die die Nachhaltigkeit betreffen. Über diese wird in letzter Zeit gern und viel geredet, aber eine immens wichtige Tatsache wird eigentlich nie angesprochen: Nachhaltigkeit ist keine Frage von mehr oder weniger, sondern eine Frage nach ja oder nein. Entweder ist eine Wirtschaftsweise nachhaltig oder sie ist es nicht. Wenn wir also den heutigen Zustand der Wirtschaft, die jede Menge nicht erneuerbare Ressourcen verbraucht, sozusagen einfrieren, was wäre dann gewonnen? Die fossilen Rohstoffe würden nach wie vor eines Tages ausgehen. Durch einen simplen Wachstumsstopp käme man der Nachhaltigkeit nicht näher. Der britische Ökonom Wilfred Beckerman hat die Kritik an der Forderung nach Nullwachstum in wenigen Worten prägnant zusammengefasst:

„Doch noch einmal zurück zum Grundsätzlichen: „Entweder Ressourcen sind endlich, oder sie sind es nicht“, erklärt Ökonom Wilfred Beckerman und weist damit auf Widersprüche in der Debatte über nicht erneuerbare Ressourcen hin. „Wenn Ressourcen endlich sind, dann wird auch Nullwachstum sie nicht retten“, sagt Beckerman. Einfach ausgedrückt: Wenn wir bestimmte Rohstoffe wirklich für die Nachwelt aufheben wollten, dann müssen wir schlicht aufhören, sie zu benutzen (ein gedrosselter Verbrauch ändert ja nichts daran, daß eines Tages alles verbraucht ist). Doch wofür sollte das gut sei? Wem würde es nutzen? „Was ist vorzuziehen“, fragt Beckerman, „daß zehn Millionen Familien für die nächsten 100 Jahre versorgt sind, 100 Familien über die nächsten zehn Millionen Jahre ?“.
Im Bezug auf die handelsüblichen Lösungsvorschläge spitzt Beckerman zu: „Warum ausgerechnet Null-Wachstum? Warum nicht ein Prozent Wachstum oder minus 2,2 Prozent?“ Der britische Ökonom sarkastisch: „Hat die Ziffer Null irgendeine mystische Attraktion für ökokatastrophisten?.“ ... >

Wie allgemein bekannt ist, sind die Warnungen vor der Erschöpfung von nicht erneuerbaren Ressourcen, vor Hungersnöten infolge des rapiden Bevölkerungswachstum, der totalen Verschmutzung der Umwelt usw. alles andere als neu. Schon vor Jahrzehnten gab es gab unzählige Katastrophen- ja Endzeitszenarien. Die Studie des Club of Rome „Die Grenzen des Wachstums“, die von einem Team von Wissenschaftlern um den amerikanischen Ökonomen Dennis Meadows durchgeführt wurde, ist nur die bekannteste solcher in wissenschaftlicher Sprache abgefassten Prophetie dieser Art. Jedoch hat sich keine dieser düsteren Vorhersagen erfüllt. Der deutsche Publizist Dirk Maxeiner berichtet:

„Ganz entgegen den in den 70er Jahren prognostizierten Rohstoffengpässen schwimmt die Welt derzeit geradezu in Vorräten. Gegenüber den 70er Jahren haben sich die bekannten Vorräte an Aluminium, Kupfer, Blei, Nickel, Zink, öl oder Erdgas verdoppelt bis verfünffacht. Und die Experten rechnen noch mit viel mehr Funden in der Erdkruste und unter den Ozeanen.“ ... >

Wie kann das sein? Die Marktwirtschaft mag zwar einige Nachteile aufweisen, aber eines kann sie wie keine andere Wirtschaftsordnung, was wir schon erwähnt haben: Sie sorgt für Innovationen und Sparsamkeit. Maxeiner hat es so treffend erklärt, dass wir ihn noch einmal zu Wort kommen lassen wollen:

„Sobald ein Stoff knapp zu werden droht, setzt der Markt zwei Mechanismen in Gang. Erstens: Die Suche nach neuen Vorräten. Zweitens: Die Suche nach Ersatz. Beides funktioniert mit geradezu naturgesetzlicher Zuverlässigkeit. Das theoretische Ende nicht erneuerbarer Rohstoffe wird praktisch ständig widerlegt. Als im Zweiten Weltkrieg Kautschuk knapp wurde, erfanden die Forscher kurzerhand den synthetischen Gummi. Auch heute stehen wir wieder vor der Einführung neuer synthetischer Materialien, die leichter, stabiler und sauberer als bisher bekannte Stoffe sind und diese schlichtweg überflüssig machen.“ ... >

Allerdings ist eine Sache von diesem Prozess dieser schnellen Innovation und Optimierung ausgenommen: der menschliche Körper. Dieser hat sich seit Beginn der Zivilisation kaum verändert und wird sich auch in den kommenden Jahrhunderten nicht oder nur unwesentlich verändern. Einer der Hauptgründe für das rapide Bevölkerungswachstum sind die enormen Ertragssteigerungen in der Landwirtschaft durch den Einsatz von Mineraldünger, der aus Erdöl gewonnen wird. Es ist gar nicht so metaphorisch zu sagen, dass man in der Zeit seit Erfindung des Mineraldüngers über den Umweg Getreide aus fossilen Ressourcen Menschen gemacht hat. Doch momentan ist eigentlich genug für alle da. Michael Miersch, von dem wir schon das Motto haben, schreibt dazu:

„Akute Hungersnöte aus Nahrungsmangel gibt es seit Jahrzehnten überhaupt nicht mehr. Wenn in jüngster Zeit noch irgendwo Menschen verhungern, dann aus politischen Gründen. Weil sie durch Bürgerkriege oder skrupellose Tyrannen von den Nahrungsmitteln abgeschnitten werden.“ ... >

Diese Tatsache gibt aber trotzdem keinen Anlass, sich zurücklehnen zu können und keine Sorgen mehr machen zu müssen. Nicht nur das Erdöl wird irgendwann einmal doch endgültig ausgehen, sondern der Einsatz von Mineraldünger hat einen gravierenden Nachteil: Er schadet dem Bodenleben. Man kann also auf einer Fläche nicht unbegrenzt lange auf diese Weise Ackerbau betreiben, weil der Boden ruiniert wird. Außerdem führen die meisten, wenn nicht alle Verfahren der künstlichen Bewässerung eines Tages zur völligen Versalzung, was der Verwandlung in ein Wüstengebiet gleichkommt. Die Ernährung der Weltbevölkerung und die damit verbundenen Umweltprobleme werden also weiterhin Fragen bleiben, die dringend brauchbarer Antworten bedürfen. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird die Menschheit langfristig nicht umhinkommen, das Bevölkerungswachstum nicht nur aufzuhalten, sondern schließlich seine gewaltige Kopfzahl zu reduzieren. Vor diesem Hintergrund ist es interessant sich anzuhören, was der deutsche Physiker Gerhard Knies feststellt:

„Ein Blick auf verschiedene Gesellschaften zeigt: Liegt das Volkseinkommen pro Kopf und Jahr über etwa 10.000 Euro, stoppt das Bevölkerungswachstum. Weltweit liegt der Wert knapp über 2000 Euro. Also brauchen wir Wohlstand für alle. Das aber bedeutet noch mehr Naturverbrauch. Führt die Lösung also in die Selbstzerstörung?“ ... >

Wenn es gelingt, eine nachhaltige Wirtschaftswiese einzurichten, kann jeder Mensch unbeschwert leben und konsumieren. Für wie viele Menschen das möglich sein wird, ist natürlich eine offene Frage. Allerdings ist sie auch noch nicht relevant. Wie wir im nächsten Beitrag ausführlich besprechen werden, ist die Gegenwart wichtiger als die Zukunft. Die Frage für heute lautet vielmehr ob es uns gelingt, durch Einsicht und Innovation zunächst einmal die Situation der Menschen, die auf der Welt leben zu verbessern und das Bevölkerungswachstum zum Stillstand zu bringen, um – wenn sich das als notwendig erweisen sollte - auf längere Sicht die Zahl der Menschen zurückzuführen, ohne dass jemand verhungern muss oder im Kampf um seine grundlegenden Bedürfnisse gewaltsam - im weitesten Sinne - zu Tode kommt. Denken wir nur daran, was passieren würde, bräche weltweit eine gefährliche Seuche aus. Die träfe dann die Teile der Welt am schlimmsten, in denen zum einen die meisten Menschen leben und zum anderen die schlechtesten hygienischen Verhältnisse und höchstens rudimentäre medizinische Versorgung haben: die ärmsten Länder. Die gewaltige Zahl an Todesopfern würde aus rein ökonomischer und ökologischer Sicht zur Lösung unserer Probleme beitragen, aber welcher Mensch würde ein solches Ereignis deswegen herbeiwünschen wollen? Unser Erfindungsreichtum kann uns vielleicht helfen, genug Zeit zu gewinnen, Menschlichkeit und Nachhaltigkeit niemals zu Gegensätzen werden zu lassen. Ob das gelingen wird, kann niemand voraussagen. Doch einige wichtige Tatsachen liegen längst vor und sind für jeden sichtbar, der sie sehen will.

Die politische Bedingtheit der drängendsten Menschheitsprobleme

Innovation und Kreativität lassen sich nicht verordnen und auch nicht mit viel Geld beliebig vermehren. Gerade die Technologien, die zum sparsameren Umgang mit Ressourcen führen entstehen typischerweise im marktwirtschaftlichen Wettbewerb. Doch die Globalisierung hebelt den Wettbewerb aus und entbindet die Unternehmen weitgehend von der Notwendigkeit – ja, man kann durchaus sagen dem Zwang - zur Innovation. Wenn die Länder der Welt gegeneinander ausgespielt und die Transportkosten niedrig gehalten werden, müssen sie nicht sparsam sein, da es immer alles irgendwo billiger gibt, ob es nun Rohstoffe oder Arbeitskraft sind. Und wenn Sozial- oder Umweltauflagen zu sehr stören, verlagert man die Produktion eben woanders hin; oft reicht auch schon die Drohung damit und die Regierungen knicken ein. Und wenn doch irgendeine Technologie auftaucht, die den Machenschaften der global agierenden Konzerne gefährlich werden könnte, wird einfach das Patent aufgekauft.

Drücken wir uns deutlich aus: Die Globalisierung ist ein neuer Imperialismus, der so böse und zerstörerisch ist wie der alte, aber viel raffinierter. Im Namen des Kampfes gegen Terror und für die Freiheit und Demokratie destabilisieren die westlichen Länder die schwachen Länder der so genannten Dritten Welt. Dann lassen sie die Fünfte Kolonne los, die dafür sorgt, dass durch eine moderne Form der Sklavenarbeit diese Länder wichtige Ressourcen fast umsonst an die reichen Länder liefern. In vielen Fällen wurde der Export von Rohstoffen zur einzigen wesentlichen Einkommensquelle für die Bewohner eines Landes gemacht. Dadurch können sich diese gegen die Ausbeutung nicht wehren, denn wenn sie den Verkauf ihrer Rohstoffe verweigern oder höhere Preise durchzusetzen versuchen, schadet ihnen das unmittelbar selbst. Nur deshalb lohnt sich das Umherschiffen aller möglichen Waren quer über den Erdball, Herstellung und Verkauf von Wegwerfprodukten usw. Nebenbei bemerkt: Diese Strategie ist im Fall Russlands nicht aufgegangen. Das ist das Verdienst vor allem eines Mannes: Wladimir Putin. Seine Landsleute wissen das zu schätzen und so ist es kein Wunder, dass sie nichts dagegen haben, weiterhin von ihm regiert zu werden. Doch darüber erfährt man aus den westlichen Medien nichts. Wie dem auch sei, auf dieser Website geht es in erster Linie um wirtschaftliche und wirtschaftstheoretische Fragen. Deshalb werfen wir abschließend einen Blick darauf, was die Ökonomie zur Lösung der ökologischen und sozialen Probleme beitragen kann.

Einige Überlegungen über Armut, menschliches Streben und Ökonomie

Wenn man über Dinge wir Armut und Reichtum spricht muss man zunächst anmerken, dass es sich hier nicht um absolute, sondern um relative Größen handelt. Es ist leicht einzusehen, wie krasse Unterschiede zwischen den Menschen das Konfliktpotential erhöhen. Dessen waren sich die reichsten und mächtigsten Menschen offensichtlich schon immer bewusst. Sie lebten und leben isoliert vom „gemeinen Volk“ in prunkvollen Häusern oder gar Palästen, die von Sicherheitskräften bewacht werden, die man früher Leibwache nannte. Jedoch war und ist ihre Angst wohl übertrieben, denn die Untertanen lassen sie in der Regel so lange zufrieden, bis ihre Lage wirklich unerträglich wird. Das ist aber auch eine Frage des Vergleichs. So ist etwa der Sozialismus nicht nur an sich selbst, sondern zum wesentlichen Teil an seinem starken Gegenspieler gescheitert. Er konnte nicht für eine ausreichend starke Rüstung sorgen, um gegen den Westen bestehen zu können und gleichzeitig für einen hohen Wohlstand der von ihm beherrschten Völker sorgen. Diese mussten zwar nicht in erbärmlicher Armut leben, aber im Vergleich zu den kapitalistischen Ländern nahm sich ihr Lebensstil geradezu spartanisch aus. Nach dem Ende des real existierenden Sozialismus wollten die westlichen Machteliten aber vom Wohlstand für alle nichts mehr wissen. Seitdem sind sie nicht mehr so großzügig und raffen wieder so viel zusammen, wie sie nur kriegen können und haben nie genug. Das Leben der einfachen Menschen wurde im Vergleich zu vorher schnell schwerer und unsicherer. Hat das die Menschen dieser Länder zu einem Aufstand veranlasst? Nein, bei weitem nicht. Das ist ein Anhaltspunkt dafür, dass man sich vor der Gier der „Masse“, wie es die selbsternannten Eliten sagen würden, nicht fürchten muss. Selbstverständlich nimmt so ziemlich jeder Mensch die Annehmlichkeiten, die er sich leisten kann, gern in Anspruch. Aber von der Gier nach mehr und immer noch mehr sind nur wenige Menschen besessen und selbst wenn es so ist, kommt es erst dazu, wenn ein Mensch schon sehr viel hat.

Das Streben nach Verbesserung der eigenen Lage, das sich tatsächlich auch in Neid ausdrückt, ist eine grundlegende menschliche Eigenschaft, die an sich ja gar nicht schlecht ist, aber je nach den Gegebenheiten unerfreuliche Auswirkungen zeitigen kann. Eine bessere Verteilung des Vermögens könnte hier Abhilfe schaffen. Sie könnte die Ansprüche der Menschen zurechtstutzen, denn wenn es keine Superreichen gäbe, würden die meisten Menschen niemals von selbst darauf kommen, wie das Leben eines solchen aussehen könnte geschweige denn dass es erstrebenswert oder gar für viele gleichzeitig möglich sei. So lächerlich das auch anmuten mag, es gibt genug „Coaches“, Finanzberater usw. die genau das behaupten. Doch das Urteil der Tatsachen ist unerbittlich und gilt seit vielen Jahrhunderten: Nur wo es größten Reichtum gibt, da gibt es auch bitterste Armut. Es gilt aber auch: Nur wer seine Lage verbessern will und kann, der wird kreativ.

Die Vermögens- und Einkommensverteilung ist auch aus einem noch wichtigeren Grund von Bedeutung: Reichtum bedeutet immer auch Macht. Es ist hochgradig naiv zu glauben eine Person oder Gruppe, die um ein Vielfaches reicher ist als alle anderen könnte dauerhaft der Versuchung widerstehen, mehr Macht und mehr Reichtum zu wollen, was auf Beherrschung und Ausbeutung der anderen hinausläuft. Diese Tatsache hat auch ökologische Relevanz. Wer hat denn in den vergangenen Jahrzehnten die Ausrichtung der Wirtschaft bestimmt und dabei die Standards für Umweltschutz und Sozialstaatlichkeit weltweit unter Druck gesetzt bzw. unten gehalten und den marktwirtschaftlichen Wettbewerb unterminiert? Das war nicht die demokratisch getroffene Entscheidung auch nur eines einzigen Volkes der Welt.

Doch eine andere Gesellschaftsordnung lässt sich nicht einfach von oben verordnen. Dabei stößt man unweigerlich auf einen Widerspruch. Wer sollte die Befugnis dazu bekommen, das zu tun, ohne dabei für sich selbst Vorteile herausholen zu wollen? Weiterhin ist es auch gar nicht so leicht zu sagen, wie eine gute Vermögensverteilung konkret aussehen soll. Das wird wahrscheinlich jeder etwas anders beurteilen, aber das Zusammenleben der Menschen wird niemals ohne Kompromisse auskommen. Es steckt mehr als nur ein Körnchen Wahrheit in dem Ausspruch „Der beste Kompromiss ist der, mit dem keiner zufrieden ist.“. Also müssen mit der Zeit in einem demokratischen Prozess vernünftige Regelungen geschaffen werden sowie Institutionen, die über deren Einhaltung wachen. Hierzu kann die Wirtschaftswissenschaft fruchtbare Beiträge leisten. Ihre allergrößte Herausforderung ist es jedoch dabei zu helfen, die für die Marktwirtschaft typischen großen Krisen abzuwenden, die immer wieder so viel zerstören und die meisten Menschen auf einen Stand zurückwerfen bzw. halten, der sie an nicht viel mehr als nur das bloße Überleben denken lässt. Außerdem muss sie den Völkern der Welt Möglichkeiten in die Hand geben, Selbstbestimmung zu erlangen und zu behalten, um sich vom Rest der Welt wenn schon nicht ganz unabhängig – das wäre unrealistisch und war nie der Fall -, so unabhängig zu machen wie möglich. In einer Welt, die nicht mehr so eng vernetzt ist wie die heutige, können sich auch Krisen nicht mehr in Windeseile über den ganzen Globus ausbreiten. Und wenn nicht alle gleichzeitig in Not sind, dann wird der eine eher bereit und in der Lage sein, dem anderen zu helfen.

 
 
     
 
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