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  Was macht eine Wissenschaft seriös bzw. exakt?
  Wann wissen wir etwas und was ist wissenschaftliches Wissen?
 
 
Greifen wir irgend einen Band heraus ... so sollten wir fragen: Enthält er irgend einen abstrakten Gedankengang über Größe und Zahl? Nein. Enthält er irgend einen auf Erfahrung gestützten Gedankengang über Tatsachen und Dasein? Nein. Nun so werft ihn ins Feuer, denn er kann nichts als Blendwerk und Täuschung enthalten.
 
  Der große angelsächsische Philosoph des 18-ten Jahrhunderts David Hume        

Es ist üblich, die Wissenschaften in zwei große Gruppen aufzuteilen: in die Naturwissenschaften und die Sozialwissenschaften. Aber was ist mit der Mathematik? Sie gehört auch dazu (gemeinsam mit der Logik ebenfalls) - irgendwie. Wenn es so ist, dann wollen wir sie vorläufig als eine weitere Art von Wissenschaft behandeln, um herauszufinden, inwiefern sich diese - jetzt drei - Wissenschaftsgruppen unterscheiden.

Ein Unterschied zwischen ihnen, der jedem sofort einfallen würde, besteht zweifellos darin, dass die Naturwissenschaften auf einem anderen Bereich der Realität forschen als die Sozialwissenschaften. Die Mathematik hat ebenfalls ihr eigenes Gebiet: die rein abstrakte Welt. Aber nicht nur das Objekt der Forschung ist jeweils ein anderes, sondern jede dieser Wissenschaften geht wesentlich anders mit ihrem Objekt um. Das verrät schon die Sprache, die sie benutzen.

Die Sozialwissenschaftler - sie selber sagen es so - entwerfen Theorien, die das soziale Leben des Menschen erklären. In den Naturwissenschaften spricht man auch über Theorien, aber öfter von Modellen. Mathematiker sagen, sie würden Theoreme entwerfen, die sich logisch eindeutig beweisen lassen. Uns geht es aber nicht um die linguistischen Unterschiede, so dass wir im Weiteren das Wort Theorie für alle drei Fälle benutzen werden. Diese Vereinfachung wird uns helfen, schneller zu dem vorzudringen, was für uns wichtig ist.

  logische Form der Aussagen: charakteristische Frage
Mathematik =   oder     ist   . Ist (oder ist nicht) gleich
Naturwissenschaft wenn ,  dann Wie
Sozialwissenschaft - - -     - - - > Was bzw. Warum

  Wir werden uns jetzt diese drei „Theorientypen“ näher anschauen.

Die „Theorien“ der Mathematik:

Wie diese Theorien aufgebaut sind, soll am folgenden Musterbeispiel erklärt werden:

      Die Wurzel der Zahl  9  ist  3 .

Diese Aussage drückt die Umwandlung oder Transformation aus, die nach einem bestimmten Muster - man sagt dazu üblicherweise Operation - abläuft. In unserem Beispiel heißt diese Operation konkret „Wurzel von ...“. Jeder der mit dieser Operation vertraut ist und weiß was darunter gemeint ist, wird überall - auf der ganzen Welt - aus x ein und dasselbe Ergebnis für y bekommen. Wenn man die umgekehrte Operation anwendet, wird man von y auf x zurückkommen. Eine Welt, die dermaßen eindeutig bestimmt und verknüpft ist, in der jedes Teil auf eine immer gleiche Weise mit dem anderen zusammenhängt, nennt man kausal oder deterministisch.

Die Theorien der Naturwissenschaften:

Wie diese Theorien aufgebaut sind, soll am folgenden Musterbeispiel erklärt werden:

      Wenn ein Körper Energie x erhält, dann wird sich seine Geschwindigkeit um y erhöhen.

Dieser Zusammenhang lässt sich quantitativ genau mit einer mathematischen Formel ausdrücken, so dass es nicht verwundert, dass noch vor einem Jahrhundert die Wissenschaft mit der Mathematik gleichgesetzt worden ist. Die Aussage lässt sich umkehren, und sie bleibt auch dann richtig. (Wenn ein Körper um y an seiner Geschwindigkeit verliert, hat er die Energie x verloren.) Das hat die damaligen Naturwissenschaftler zur Überzeugung gebracht, dass die Natur kausal bzw. deterministisch ist. Sogar Einstein ist mit dieser Überzeugung ins Grab gegangen. „Gott würfelt nicht“ - so die bekannte Aussage von ihm. (Es seien aber nicht wir, die bestimmen sollten, wie Gott die Natur aufzubauen hätte, wurde ihm von Bohr entgegnet.) Einstein war und blieb ein Genie des Makrokosmos, aber im Mikrokosmos der atomaren Welt hat er sich bitter getäuscht. In der Welt der kleinen Dimensionen verschwindet die Kausalität und der Determinismus, worauf sich der Rationalismus der Moderne so entschieden festgelegt hat. Die Logik, die wir als den gesunden Menschenverstand bezeichnen, hat dort keine Gültigkeit mehr. Man verwendet dort eine andere Logik, die jedoch nicht weniger logisch als die „klassische“ ist.

Um die Mikrowelt zu erforschen, musste die Physik ihr Paradigma austauschen - sich auf völlig neuen Grundlagen stützen. Eines hat sich dabei aber nicht geändert: Auch für die Mikrophysik gilt, dass als wissenschaftliche Kenntnis nur das anerkannt wird, was dem „alten“ Muster wenn ..., dann ... genügt. Und gerade die neuen, „merkwürdigen“ Theorien konnten eine immer größere Menge von solchen Kenntnissen hervorbringen. Die klassische Logik war dafür völlig ungeeignet. Die Vertreter dieser Logik mussten schließlich entweder schweigen, oder sie täuschten sich immer wieder - genauso wie es heute etwa bei den „Wirtschaftsexperten“ der Fall ist.

Um nicht den Eindruck zu vermitteln, die Wissenschaften benötigen entweder eine komplizierte Mathematik, oder irgendeine „merkwürdige“ Logik, nehmen wir ein anderes Beispiel: die Metallurgie. Sie ist immer noch von außerordentlicher Bedeutung für unseren Alltag - um Autos, Flugzeuge oder Maschinen zu bauen. Aber woraus besteht diese zweifellos exakte Wissenschaft? Im gewissen Sinne aus nichts als schwarzer Magie. Sie beruht auf Kochrezepten. Diese wurden über Jahrhunderte zu einer wirklich raffinierten und erfolgreichen Kunst entwickelt. Man mischt z.B. in Eisen so und so viel Milligramm Kohlenstoff, um diese oder jene Härte oder Elastizität zu bekommen. Das Muster dieser verblüffend präzisen „Kochrezepte“ ist wenn ..., dann ... , und gerade deshalb gilt die Metallurgie als eine exakte Wissenschaft.

Auch die Medizin braucht (fast) keine Mathematik. Und warum gilt auch sie als eine exakte Wissenschaft? Weil auch sie eine große Menge an Kenntnissen besitzt, die dem Muster wenn ..., dann ... entsprechen. Wie sieht dies aber mit den Sozial- und Wirtschaftswissenschaften aus?

Die Theorien der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften:

Wie diese Theorien aufgebaut sind, soll am folgenden Musterbeispiel erklärt werden:

      Managergehalt ist die im Geld ermessene produktive Leistung des Managers.

Es ist unmittelbar ersichtlich, dass in dieser Aussage nicht auf eine Frage des Typus „wie“, sondern vom Typus „was“ geantwortet wird. Managergehalt ist ... ? Auf den ersten Blick, sieht diese Aussage ähnlich aus wie die in der Mathematik: Dort heißt es auch, etwas „ist“ gleich wie etwas anderes. Der Eindruck täuscht aber. Wenn man in der Mathematik sagt, etwas ist gleich, dann meint man darunter einen quantitativen Zusammenhang. Die linke Seite der mathematischen Gleichung ist wirklich gleich (identisch) mit der rechten und umgekehrt. Genauer gesagt: Wenn man die verfügbaren mathematischen Opperationen benutzt, kann man in der Tat erreichen, dass die linke und rechte Seite sich durch Nichts unterscheiden. Wenn eine soziologische Theorie sagt „ist gleich“, bedeutet dies etwas ganz anderes. Man meint, etwas ist ähnlich (analog) dem anderen - x ist eine Art von y, oder x kann y zugeordnet werden. Warum? - das ist ebend das, was jede konkrete Theorie ausmacht. Bildlich ausdrückt: x gehöre in die Schublade y.

Im Griechischen bedeutet das Wort Theorie „Betrachtung“ oder „Anschauung“. Mit der Theorie wird also etwas erklärt oder gedeutet. Dies hat mit vorhersagen oder verwirklichen nichts zu tun. Deshalb mag man in den Naturwissenschaften das Wort Theorie nicht besonders. Damit ist aber nicht gesagt, dass diese Wissenschaften keine Aussagen im Sinne x ist y brauchen, im Gegenteil. Bleiben wir bei dem obigen Beispiel Energie und Geschwindigkeit. Man muss zuerst genau wissen, was Energie und Geschwindigkeit überhaupt bedeuten, erst dann kann man den Zusammenhang zwischen ihnen herausfinden. Oder nehmen wir ein anderes Beispiel. Jahrtausende lang haben Ärzte gewusst, dass es ein Herz und Blutgefäße gibt, dass es aber auch einen Blutkreislauf gibt, das haben sie nicht gesehen. Erst als man diesen entdeckt hat (William Harvey, 1578-1657), konnte die Medizin weitere Fortschritte machen, also zahlreiche neue Aussagen vom Typus wenn ..., dann ... hervorbringen.

Wir ahnen nun, was eine Wissenschaft zu einer richtigen, oder wie man auch sagt, exakten Wissenschaft macht: Ob sie nämlich eine relevante Menge von Aussagen vom Typus wenn ..., dann ... zu bieten hat, oder noch einfacher gesagt, ob sie etwas vorhersagen oder verwirklichen kann. Die Wissenschaften, die sich nur darauf beschränken, etwas zu erklären oder zu deuten, sind noch keine richtigen Wissenschaften. Auch in diesem Fall ist der übliche Sprachgebrauch sehr auskunftsreich: Mythen, Metaphysiken und Religionen erklären und deuten, sie beziehen sich auf die reale Welt, werden aber nicht als Wissenschaften bezeichnet. Und das mit Recht. Sie können nicht das, was man von einer Wissenschaft unbedingt erwartet, nämlich etwas genau vorhersagen oder verwirklichen. Wie sieht es mit den Sozial- und Wirtschaftswissenschaften aus?

Wie sich unsere Sozial- und Wirtschaftsexperten täuschen und daneben liegen, haben wir bereits konkret im Themenblock Täuschungen und Fallstricke erörtert. Als wir der Sache nachgegangen sind, haben wir überall feststellen können, dass die „Experten“ dieser "Wissenschaften" von verschiedenen Interessengruppen direkt oder indirekt finanziert sind. Solch eine geistige Prostitution ist natürlich nichts Neues. Wir wissen, dass es schon im antiken Griechenland so genante Sophisten gegeben hat, die als Lehre und Wissen das angeboten haben, was von zahlungskräftigen Kunden nachgefragt wurde. Da stellt sich die Frage, ob dann unsere Aufgabe alleine darin bestehe, sich für die richtige Wissenschaft einzusetzen?

In den nächsten Beiträgen werden wir es genauer zeigen, warum es eine „wahre“ und „richtige“ Sozial- und Wirtschaftswissenschaft noch nicht gibt.

1) in der Vorbereitung

2) in der Vorbereitung

3) in der Vorbereitung

Wenn die bisherigen Sozial- und Wirtschaftswissenschaftenes noch keine exakten Wissenschaften sind, wird uns ihre Kritik - mit all den empörenden Enthüllungen - nicht viel weiter bringen. Aber was soll man dann tun?

Eine allgemeine, aber deswegen noch nicht weniger richtige Antwort lautet: Von den exakten, also den Naturwissenschaften lernen! Sie haben in wenigen Jahrhunderten die mehrere Jahrtausende alten Geisteswissenschaften nicht nur eingeholt, sondern weit hinter sich gelassen. Das ist ihnen deshalb gelungen, weil sie immer wieder ihre Grundlagen erneuert haben. Ihnen fehlte nie der Mut, das Alte einfach über den Haufen zu werfen und ganz von Vorne anzufangen. Ihr Erfolg ist also ein handfester Beweis dafür, dass es immer möglich ist, eine neue Alternative, heute sagt man Paradigma, zu finden. Natürlich war dies nie einfach. Man musste immer wieder bittere Rückschläge hinnehmen. Auch damit müssen wir rechnen. Trotzdem ist die einzige Alternative, die wir real haben, ein neues Paradigma zu wagen. Wo setzen wir an?

De nihilo nihil - aus nichts wird nichts. Wir können also nicht mit nichts anfangen. Wir müssen uns anschauen, was es gibt, und herausfinden, was sich davon retten und gebrauchen lässt. Deshalb lassen wir uns zuerst die wichtigsten Theorien vortanzen, um sie abzufragen, was sie überhaupt zu sagen haben. Was uns gar nicht interessiert, ist natürlich ihre Deutung und Erklärung der Welt bzw. der Wirtschaft. Das einzige was für ihre „Verteidigung“ zählt, ist, ob sie etwas vorhersagen oder verwirklichen können.

Welche Theorien wir uns näher anschauen werden, wird im nächsten Beitrag festgelegt. Diese werden dort nebeneinander gestellt, um im ersten Schritt ihre grundlegenden Unterschiede hervorzuheben. Dann werden sie einzeln geprüft.