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    |  | Das Denkmuster, nach dem der Neoliberale  die Welt begreift |   
    |  | Die paradigmatischen Grundlagen der neoliberalen Theorie |  
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  Alle  wichtigen Lehren oder Doktrinen der Wirtschaftswissenschaft - heute sagt man  einfach Theorien - sind Produkte der europäischen Moderne, genauer gesagt ihrer  rationalistischen Philosophie. Nach dieser Philosophie sollte sich die ganze  Realität mit einer bestimmten Zahl von universal und zeitlos geltenden  Prinzipien bzw. logischen Mustern erklären lassen. Dieser rationalistischen  Auffassung folgend, muss eine jede Wissenschaft ein System, d. h. ein nach bestimmten Prinzipien geordnetes  Ganzes der Erkenntnisse sein (Kant). Eine solche Auffassung von  Wissenschaft scheint uns heute so selbstverständlich, als ob dies schon immer  so gewesen sein müsste. Das trifft natürlich nicht zu, im Gegenteil. Diese  Auffassung ist eine sehr junge Errungenschaft des menschlichen Geistes und  zugleich eine radikale Wende in der kulturellen Entwicklung der Menschheit. In  der vormodernen Zeit hat man mit Lehren oder Doktrinen etwas andres gemeint,  nämlich ein loses Bündel aus Erfahrungen, Überlieferungen, Wahrnehmungen, Mythen, Empfindungen, Intuitionen, …  zusätzlich auch noch mit Wünschen, Erwartungen und Werten durchwoben, welche  von einer Autorität ausgewählt, zusammengefügt und zu ewigen Dogmen erklärt  wurden. Folglich galten neue Erkenntnisse oder Praktiken als wahr und richtig,  wenn sie im Einklang mit diesen Dogmen standen, worüber ebenfalls die  Autoritäten zu entscheiden hatten. Die  rationalistische Denkweise der modernen Wissenschaften hat sich sowohl in theoretischer  als auch in empirischer Hinsicht als dermaßen erfolgreich erwiesen, wie man es  früher nicht einmal träumen konnte. Mit ihr ließen sich umfangreiche und  detaillierte Kenntnisse über die Natur gewinnen, die sich in der Praxis sehr  einbringlich anwenden ließen. Dank ihnen konnte die Produktivität dermaßen  schnell und kräftig steigern, wie es in der Geschichte noch nie zuvor der Fall  war. Der frühmoderne Rationalismus schien deshalb auf der ganzen Linie gesiegt  zu haben. Doch dann geschah etwas Unerwartetes.  Gerade  in den erfolgreichsten (Natur-)Wissenschaften hat sich herausgestellt, dass  sich neue Bereiche der Realität bzw. neue empirische Tatsachen nur mit neuen  Denkweisen erschließen lassen, die aber mit den gewohnten Denkweisen kein  widerspruchsfreies Ganzes bilden können. Seitdem wissen wir, dass man logisch  nicht auf nur eine einzige Weise denken kann. Dies war das endgültige Ende der  maximalistischen Ansprüche des neuen Rationalismus und seiner Vorstellung von  einem geschlossenen Erkenntnissystem, das für die ganze Welt gültig wäre. Das rationalistische  Wissen zerfiel in partielle und autonome Denksysteme, die untereinander nicht  mehr kommensurabel („kompatibel“) sind. Heute bezeichnet man sie als  wissenschaftliche Paradigmen.  Setzt sich ein neues Paradigma in einer Wissenschaft durch, spricht man von  einer erfolgreichen wissenschaftlichen  Revolution oder vom Paradigmenwechsel (Thomas Kuhn).  In den  Sozialwissenschaften will man trotzdem immer noch nichts von  „wissenschaftlichen Revolutionen“ bzw. „Paradigmenwechseln“ wissen. Vor allem  in der Wirtschaftswissenschaft nicht, die übrigens wie kaum eine andere in den  letzten zwei Jahrhunderten theoretisch steril und praktisch erfolglos blieb.  Deshalb habe ich es für notwenig gehalten, am Anfang dieses thematischen  Bereichs mit dem Schwerpunkt Das Elend der Wirtschafts- und  Sozialwissenschaften ,
  die Problematik des wissenschaftlichen  Fortschritts aus einem breiten Betrachtungswinkel zu erörtern. Für jene Leser,  die weniger an allgemeinen erkenntnistheoretischen (und methodischen) Fragen  interessiert sind oder dafür vorerst keine Zeit haben, hier eine kurze  Zusammenfassung: 
    
      
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        | Wie bereits angedeutet, haben die  Philosophen am Anfang der Moderne von der Ratio zu viel erwartet. Wie sich im Nachhinein  herausgestellt hat, ist die reale Welt zu komplex für die logischen  Erklärungssysteme, die sich der homo sapiens ausdenken kann. Wir  können uns zwar vorstellen, dass im Kopf des Allmächtigen das ganze Universum,  bis ins letzte Detail, ein einziges, in sich schlüssiges logisches System sein  kann, aber der Kopf des Menschen ist für ein solches System offensichtlich zu  klein. Dies hätte eigentlich schon deutlich sein müssen, als sich feststellen  ließ, dass die neu entstandenen Wissenschaften ihre eigenen Theorien und  Methoden - jede Wissenschaft für sich allein - entwickelten, um den von ihnen  abgegrenzten kleinen Bereich der Wirklichkeit zu erforschen. Wenn eine  universelle Wissenschaft möglich wäre, müssten sich die speziellen  Wissenschaften um solche eigenen Theorien und Methoden nicht kümmern.  Das alles wollte man aber  vorerst übersehen und die nahe liegenden Schlüsse nicht ziehen. Es ist aber  verständlich. Als die modernen Wissenschaften gerade entstanden sind, war es  nicht abwegig eine Zeitlang abzuwarten und hoffen, dass zumindest innerhalb  dieser speziellen Wissenschaften immer gleiche Denkweisen gelten würden, so  dass die Wissenschaftler ihre Fortschritte immer weiter, sozusagen linear und  kumulativ, machen würden. Es kam aber anders. Allmählich wurde es immer  deutlicher, dass sich auf den gleichen analytischen Grundlagen doch nicht immer  weitere Fortschritte machen lassen. Die Theorien sind sozusagen nicht dermaßen  belastbar, dass man auf sie immer weiter und höher aufbauen kann. Wie oben  ebenfalls angedeutet, hat man diese schmerzhafte Erfahrung gerade in der erfolgreichsten  Naturwissenschaft, in der Physik, zuerst gemacht: Man erinnert sich an die  Relativitätstheorie von Einstein, die schon einiges in der Welt der klassischen  Physik durcheinander gebracht hat. Die Quantenphysiker danach haben dann so  ziemlich alles auf den Kopf gestellt. Danach wurde es unmöglich, sich vor der  befürchteten Konsequenz zu drücken, dass es nicht einmal in den speziellen  Wissenschaften möglich ist, rationale Grundlagen zu schaffen, die für alle  Zeiten gültig wären. Das Alte muss von Zeit zu Zeit geopfert werden, weil es  mit dem Neuen nicht kommensurabel ist. Der geschlossene Rationalismus vom  Anfang der Moderne, ich bezeichne ihn auch als Monologizismus, war also eine  Anmaßung. Er war es auch noch in einer anderen Hinsicht.  Unterstreichen wir noch  einmal, dass es die praktischen, also im strengsten Sinne empirischen Erfolge waren, die bei den rationalistischen  Philosophen der Moderne maximalistische Hoffnungen weckten, sie würden die  ganze Realität in ein einzigeslogisch  widerspruchsfreies System packen können. Gerade diese empirischen Erfolge haben  die unvorsichtigen Rationalisten am Anfang der Moderne zu dem gewagten Gedanken  verführt, dass das „richtige“ Denken mit der Realität identisch, oder zumindest  sozusagen ein genauer Spiegel des Seienden wäre. Nachdem sich herausgestellt  hat, dass es nicht einmal im Rahmen einer einzelnen Wissenschaft eine für alle  Zeiten richtige Denkweise gibt, kann man sich nun sicher sein, dass das  rationale Denken die Realität, wie sie „wirklich ist“, also das sogenannte  „Ding an sich“ (Kant) nie erreichen kann. Seitdem lässt sich nicht mehr daran  zweifeln, dass sich die rationalen Schlussfolgerungen nur auf die Oberfläche  der Realität beziehen können, also auf das, was unseren - nicht besonders  empfindlichen und präzisen - Sinnen zugänglich ist. Das nennt man Tatsachen.  Für einen Philosophen kann dies enttäuschend wenig sein, aber für die Existenz  des Menschen reicht ein solches Wissen - über die Tatsachen - doch völlig aus.  Die Wissenschaften können also auch nach dem Zerfall des alten geschlossenen  Rationalismus weitermachen wie bisher, nur müssen sie sich der Notwendigkeit  bewusst sein, dass ihren neuen Durchbrüchen, also der Eroberung von neuen „Schichten“  der Tatsachen, immer eine Änderung der Denkweise vorausgehen muss, also ein  neues Paradigma. Da stellt sich die Frage, wann eine Wissenschaft für ein neues  Paradigma reif ist und wie der Paradigmenwechsel vor sich geht.  Zu einem Paradigma gehört vor  allem eine bestimmte Zahl von Annahmen, Prinzipien und Methoden, welche die  Wissenschaftler zur Grundlage - zur axiomatischen Basis - ihrer Forschung  machen. Erst diese Grundlagen machen eine systematische Forschung - und die  Kommunikation zwischen den Wissenschaftlern - möglich. Als ein logischer Rahmen  bestimmen sie, was empirisch beobachtet und erforscht werden soll, welche  Ergebnisse als relevant gelten können und wie diese interpretiert werden  dürfen. Die paradigmatischen Grundlagen einer Wissenschaft sind immer sehr  abstrakt. Als solche sind sie sozusagen ziemlich leer oder nackt - und haben  schließlich kaum einen Bezug zu den empirischen Tatsachen, was einen sehr  wichtigen theoretischen Vorteil hat. Als solche lassen die paradigmatischen Grundlagen  einer Wissenschaft viele freie analytische Räume für Generierung und  Implementierung neuer Begriffe und logischer Muster. Solange die Forschung  diese freien Räume mit Inhalten füllt, was in der ursprüngliche Phase der  Entwicklung eines neuen Paradigmas der Fall ist, spricht man von „normaler  Wissenschaft“ (Thomas Kuhn).  Es gibt aber nur bestimmte  Typen von Begriffen und Zusammenhängen, die sich ohne Verletzung der logischen  Konsistenz im Rahmen eines Paradigmas analytisch generieren und implementieren  lassen, mit anderen Typen geht das jedoch nicht. Dies macht die „normale  Wissenschaft“ hilflos, wenn sie in ihrer Forschung auf neue Tatsachen oder neue  Zusammenhänge zwischen den Tatsachen stößt. Für sie bietet das gültige  Paradigma keinen freien Raum. Diesen Stand hat die Forschung erreicht, wenn die  Wissenschaftler von Anomalien oder Paradoxen sprechen. Was lässt sich  dann tun? Um die „normale Wissenschaft“ bzw. das alte Paradigma zu retten,  greift man zuerst nach Ad-hoc-Hypothesen. Man erhofft sich, mit ihnen  würde man den logischen Rahmen, innerhalb dessen das Paradigma noch seine  Gültigkeit behält, breiter machen können. Das kann aber nicht gelingen. Die Ad-hoc-Hypothesen bedeuten keinen wirklichen wissenschaftlichen Fortschritt, und zwar aus einem  sehr einfachen Grund: Durch sie wird eine Wissenschaft beliebig. Diese Beliebigkeit einer durch  Ad-hoc-Hypothesen überfrachteten Wissenschaft ist sogar von einem Laien leicht  zu erkennen. Die wissenschaftliche Gemeinschaft ist zerrissen. Sie bietet eine  große Zahl von theoretisch „richtigen“ Vorschlägen, um ein konkretes Problem zu  lösen, die im Nachhinein alle scheitern, und eine große Zahl von „richtigen“  Prognosen über die Zukunft, die sich alle als falsch erweisen. Die sich  häufenden Paradoxe und das folgende Wetteifern der Fachleute um bessere  Ad-hoc-Hypothesen ist ein sicheres Zeichen, dass eine Wissenschaft degeneriert (Imre Lakatos). Dann bleibt einer seriösen Wissenschaft nichts anderes übrig,  als sich von der alten paradigmatischen Grundlage zu verabschieden und sich  nach einer völlig neuen umzuschauen. Hat man sie gefunden, kann der nächste  Paradigmenwechsel stattfinden. Das alte Paradigma wird aus der Wissenschaft  entweder gänzlich verstoßen (Thomas Kuhn) oder von dem  neuen eingewickelt (Gaston Bachelard). |   |  
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        |  |  Sind die wichtigsten ökonomischen  Lehren und Doktrinen - zumindest die bekanntesten, also jene mit zahlreichen  treuen Anhängern - wirkliche wissenschaftliche Paradigmen? Nach meiner festen  Überzeugung genügt nur die frühliberale  Lehre der natürlichen Ordnung den strengen Ansprüchen eines wirklichen  wissenschaftlichen Paradigmas. Alle späteren Versuche, diese frühliberale Lehre  wesentlich nachzubessern oder sie zu ersetzen, greifen nicht weit genug. Sie  sind keine richtigen Paradigmen, weil ihnen entweder ein richtiger Bezug zur  Realität fehlt (Marxismus, Neoliberalismus) oder weil ihre analytischen  Grundlagen zu dürftig sind (Ordoliberalismus, Keynesianismus). Aber wir müssen  uns mit dem abfinden, was uns zur Verfügung steht. Angesichts der  unbestrittenen Tatsache, dass die Wirtschaftswissenschaft noch erschreckend  erfolglos und rückständig ist, können wir auch nicht so streng mit ihren  „Paradigmen“ sein. Ist die neoliberale Gleichgewichtstheorie ein richtiges Paradigma?
  Die  neoklassische oder, wie ich sie im Folgenden nennen werde, die neoliberale  Theorie war keine eigene Schöpfung der Wirtschaftswissenschaft. Die Begründer  des Neoliberalismus, die zwei spitzfindigen Maschinenbauingenieure Léon Walras  (1834-1910) und Vilfredo Pareto (1848-1923) haben einfach ein bereits längst  bekanntes Paradigma (Modell) der klassischen Physik abgekupfert. Sie sind stillschweigend  von den damaligen, weit verbreiteten Meinung ausgegangen, dass der Urvater der  klassischen Physik, Isaac Newton, in seiner „Philosophiae Naturalis Principia  Mathematica“ erklärt hat, wie die ganze Realität - sowohl die Natur als auch  der Mensch - wirklich funktioniert, und haben schließlich nach dieser  Philosophie ihr so genanntes Modell des allgemeinen Gleichgewichts aufgebaut.  Auf den Punkt  gebracht: Die neoliberale Theorie ist in Wahrheit ein Relikt aus den Zeiten der  Postkutsche und der Dampflok. Aber die Unfähigkeit der Ökonomen nach Smith,  eigene Ideen zu entwickeln, so dass man fremde klauen musste, wäre nur ein  Schönheitsfehler der Wirtschaftswissenschaft, wenn es funktionieren würde. Für  eine seriöse Wissenschaft zählt letztendlich nur, ob sie Tataschen vorhersagen  oder verwirklichen kann. Die neoliberale Theorie kann dies aber bis heute  nicht. Anders als in der Physik, wo man vorerst mit dem partikel-mechanischen  Modell große Erfolge feiern konnte, hat dieses Modell in der neoliberalen  Theorie nie etwas gebracht.  Es ist sicher interessant,  dass die Physik später ihr partikel-mechanisches Modell für immer verstoßen  hat. Einerseits wurde es durch die Quantentheorie (Mikrophysik) und  andererseits durch die Einsteinsche Relativitätstheorie (Makrophysik) ersetzt.  Es ist eine bittere Ironie der Geschichte, dass die Paradigmenwechsel in der  ökonomischen Theorie und in der Physik fast gleichzeitig stattgefunden haben,  jedoch mit einem genau umgekehrten Vorzeichen: Die Physiker haben sich von dem  partikel-mechanischen Modell verabschiedet, die Ökonomen haben es gerade  entdeckt und in ihm der Weisheit letzten Schluss gesehen. Da die  analytischen Mittel der Theorie der klassischen Mechanik aus der Mathematik  stammen, ist auch das neoliberale Gleichgewichtsmodell vornehmlich eine  mathematische Schöpfung. Dies hat das intellektuelle Prestige der ökonomischen  Theorie immens gesteigert. Diese künstlerische Beherrschung der Mathematik abseits  der Realität bleibt aber bis heute das Einzige, worauf die neoliberale Theorie  stolz sein kann. So betrachtet, also rein formal, war die neoliberale Wende mit  der Übernahme des partikel-mechanischen Modells der klassischen Physik ein  Paradigmenwechsel, jedoch kein wissenschaftlicher. Es handelte sich um nichts  anderes als um eine ideologische Strategie zur Rechtfertigung und Propagierung  der uneingeschränkten Herrschaft des Kapitals und der Wirtschaft. Die  neoliberale Theorie war kein ernsthafter Versuch, um irgendwelche ökonomischen  Probleme zu lösen, sondern um „Schuldigen“ vorzuführen. Die freie  Markwirtschaft sollte als eine in jeder Hinsicht perfekt funktionierte Ordnung präsentiert  werden, welche vom dummen und gierigen Lohnempfänger gestört und manchmal sogar  zum Absturz gebracht wird. In den folgenden  Beiträgen wollen wir das totale wissenschaftliche Versagen der neoliberalen  Theorie ausführlich darlegen, untersuchen und beweisen. Sie ist zwar in einer  recht komplizierten mathematischen Sprache verfertigt, wir können uns aber -  wie bereits angedeutet - diese Mathematik sparen. Alles was dieses Modell zu  sagen hat, werden wir aus einem einfachen Beispiel entnehmen können. Dieses  Musterbeispiel soll verdeutlichen, wie der Warentausch stattfindet. Damit haben  wir schon etwas expliziert, was für die neoliberale Theorie bzw. ihr Paradigma  von grundlegender Bedeutung ist: Tausch. Schon hier ist die paradigmatische  Wende deutlich sichtbar. Im Zentrum der Interessen der ökonomischen Theorie  davor - die Marxsche eingeschlossen -, stand nämlich nicht der Tausch, sondern  die Produktion. Deshalb hatte es auch einen Sinn, die Politische Ökonomie,  wie man noch im 19. Jahrhundert die Wirtschaftswissenschaft nannte, in Ökonomik zu umbenennen. Es gab auch Vorschläge, die neue Theorie bzw. das Paradigma als Katallaktik zu bezeichnen, nach dem klassischen griechischen katallattein  mit der Bedeutung „tauschen“ oder „Handel treiben“. Diese (bessere)  Bezeichnung hat sich jedoch nicht durchgesetzt.     
 Ein illustratives Musterbeispiel über die Optimierungsfähigkeiten des freien Marktes 
  Wie findet ein Tausch statt und  was bedeutet er? Um es herauszufinden, unternehmen wir - im Rahmen unseres  Musterbeispiels - einen gedanklichen Besuch in einem Gefangenenlager. Stellen  wir uns vor, es wurden nach einem Krieg 100 Soldaten gefangen genommen. Die  Verhandlungen zwischen den sich bekriegenden Seiten ziehen sich in die Länge,  so dass das Gefangenenlager Versorgungsprobleme bekommt und somit auf die  Unterstützung von draußen angewiesen ist. Eine karitative Organisation spendet ihm  100 Päckchen: ein Päckchen für jeden Gefangenen. In jedem von ihnen befinden  sich folgende Bedarfsartikel: 
      5 Fleischkonserven, 10  Milchpulverdosen, 10 Würstchen, 10  Zigarettenschachteln, 2l Wein, 50 Zuckerwürfel, 5 Rasiermesser, 15 Teebeutel, ... Alle Gefangenen freuen sich  natürlich über solche Geschenke, aber nicht alle sind ganz zufrieden. Die  Nichtraucher und die Abstinenten murren am lautesten. Sie haben in ihrem  Sortiment auch Güter, die sich nicht brauchen können. Es dauert nicht lange, da  kommen andere Gefangene auf sie zu und schlagen ihnen vor, mit ihnen zu  tauschen. Die anderen Gefangenen fanden dies interessant und auch für sie selbst  nützlich und so haben auch sie begonnen, die Güter aus ihren Päckchen  untereinander zu tauschen. Der Lagerhof hat sich in einen Marktplatz  verwandelt, auf dem gefeilscht und gehandelt wurde, was das Zeug hält. Der  Lagerleiter hat dieses „anarchische“ Treiben von der Seite interessiert  beobachtet, aber ohne einzuschreiten. In seinem Bericht hat er später folgendes  festgehalten. - Zwei Gefangene haben sich an dem  Tausch gar nicht beteiligt, weil sie der Meinung waren, sie würden damit den  Geschenkgeber beleidigen.  - Drei weitere Gefangene waren zwar  gewillt zu tauschen, es schien ihnen aber kein Angebot günstig genug zu sein,  so dass sich bei ihnen nichts geändert hat. - Die übrigen fünfundneunzig  Gefangenen haben in einem kleineren oder größeren Umfang ihr ursprüngliches  Sortiment ausgetauscht.  Der Lagerleiter hat daraus folgende  Schlussfolgerung gezogen:  
      Eine überwältigende Mehrheit der  Gefangenen hat ihre ursprüngliche Lage mehr oder weniger verbessert. Es gab  aber keinen einzigen, der nach dem Tausch schlechter als davor dastand. Fast  alle Gefangenen (95) waren Gewinner, Verlierer war kein einziger. Der Tausch  hat der ganzen Gruppe nur gut getan. Er hat den gesamten Nutzen der Gruppe  maximiert.  Der Lagerleiter hat in seinem  Bericht genau das zum Ausdruck gebracht, was in der neoliberalen Theorie unter  dem pareto-optimalen Zustand verstanden wird. Diese Art von Optimum wurde nach  dem bereits erwähnten Ökonomen Pareto benannt. Er hat als erster in einer  allgemeinen mathematischen Sprache und mit üblichen mathematischen Mitteln  nachgewiesen, dass der freie Tausch genau zu einem solchen Ergebnis führt. Der  Tausch hat also eine Situation zum Ergebnis, „in der es nicht mehr möglich ist,  jemanden besser zu stellen, ohne einen anderen schlechter zu stellen“. Eine  solche Situation ist folglich die optimale. Aber auf dem wirklichen Markt  werden nicht nur Güter, also Konsum- und Produktionsgüter, getauscht, sondern  auch Dienstleistungen. Da stellt sich die Frage, ob auch der Tausch der  Dienstleistungen zu einem pareto-optimalen Zustand führen würde. Dies ist  deshalb für die ökonomische Theorie von immenser Bedeutung, weil in einer  Wirtschaft nicht nur getauscht, sondern auch produziert wird. Nehmen wir als  Beispiel Arbeitskraft. Auf den ersten Blick wird der Arbeitnehmer mit seiner  Arbeitskraft genauso umgehen wie mit seinen Gütern. Er bietet seine Arbeitskraft  jedem (Arbeitgeber) an und entscheidet sich für den Arbeitgeber, der bereit  ist mehr zu zahlen. Auf diese Weise würde er sein Einkommen optimieren - also  maximieren. Und was ist mit demjenigen, der keinen Arbeitsplatz findet? Der  kann zwar nichts optimieren bzw. maximieren, hat aber trotzdem nichts verloren:  er hat nur nichts gewonnen. Daraus lässt sich schließen, dass sich auch  Dienstleitungen in das mathematische Modell des allgemeinen Gleichgewichts  implementieren lassen. Das ursprüngliche Tauschmodell hat sich also als geräumig  genug auch für die Produktion erwiesen. Das neue ökonomische Modell kann also  die ganze Wirtschaft abbilden. Die alten Produktionstheorien der liberalen  Vorgänger würde man also nicht mehr brauchen. Daraus wurde gefolgert, dass der  Markt bzw. der freie Warentausch eine universelle Form des menschlichen Handelns  ist, durch das jeder Mensch fast immer und fast in jeder Hinsicht gewinnen  wird, auf keinen Fall kann jemand verlieren. Der Markt sei eine  göttliche Erfindung, würde man fast sagen - zumindest auf den ersten Blick scheint  dem so zu sein.  Werfen wir noch einen Blick auf den Bericht des Lagerleiters  mehrere Monate später. Die gleiche karitative Organisation war noch ein paar  Mal da und brachte immer die gleichen Geschenke. Dem wachen Auge des  Lagerleiters, der immer alles verfolgte, konnte noch etwas nicht entgehen, und auch das schrieb er in  seinem Bericht nieder: 
      Durch den Tausch haben sich zwischen den ausgetauschten Gütern  feste quantitative Verhältnisse herausgebildet:  1 Fleischkonserve = 4 Würstchen = 4  Milchpulverdosen = 2  Zigarettenschachteln  = 1l Wein = 40 Zuckerwürfel = 1 Rasiermesser = 20 Teebeutel = ...   Es ließ sich auch feststellen, dass sich jeder neue Tausch  schneller und einfacher abgewickelt hat als der vorige. Wer etwas tauschen wollte,  musste folglich später nicht mehr mit jedem mühsam verhandeln und feilschen,  weil es sich herumgesprochen hat, dass die Güter nach bestimmten festen  Proportionen ausgetauscht werden - wie es eben die Gleichung oben ergibt.  Ein Fachökonom, der später der Bericht des Lagerleiters  zufällig in die Hände kam, fügte am Rande hinzu: „Ja, der Tausch bestimmt automatisch und spontan relative Preise, die so sind, dass durch  sie der Nutzen jedes Marktteilnehmers optimiert (maximiert) wird. Man  bezeichnet sie auch als Gleichgewichtspreise, weil sie nachhaltig für den  optimalen Zustand des Marktes sorgen.“ |  |  |   
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