DIE REAL EXISTIERENDE MARKTWIRTSCHAFT (KAPITALISMUS)
home inhalt suche  [Diskussionsforen]  
  Summary O Der Nachfragemangel: monetäre und reale (kreislauftheoretische) Erklärung
 
 
    blättern  ( 21 / 21 )

  C - Die methodischen Fragen der Kreislauftheorie und das Modell 3.0
  Die mathematische Herleitung der allgemeinen Gleichung des Sparens
       
 
Die Originalität der mathematischen Wissenschaft liegt darin, dass in ihr Beziehungen zwischen Dingen zutage treten, die, bis die menschliche Vernunft eingreift, ganz uneinsichtig sind.
 
  Alfred North Whitehead,  ein britischer Philosoph und Mathematiker    

Es gibt viele Menschen, für die sich die Mathematik irgendwie völlig anders anfühlt, als alles andere, was sonst noch zu der geistigen Tätigkeit des Menschen gehört. Dieses Gefühl hat sich bei diesen Menschen üblicherweise schon in der Kindheit, genauer gesagt in der Schule, herausgebildet: Die Mathematik war für sie ein Fach, das sich von allen anderen irgendwie deutlich unterschieden hat. In einer Hinsicht ist die Mathematik wirklich anders. Ein Geograph kann zum Beispiel alles über Amerika wissen aber nichts über Australien, ein Mediziner alles über den Blutkreislauf aber nichts über das Skelett, ein Literat alles über die englische aber nichts über die russische Poesie, usw. In der Mathematik geht das aber nicht. Will man etwa ein Gleichungssystem lösen, kann man nicht sagen, dass man nichts über die Subtraktion oder die Potenzen wissen wolle. In der Mathematik hängt wirklich alles mit allem zusammen. Dies bedeutet: Wenn jemand in seiner Ausbildung den Schritt verloren hat, auch wenn es nur daran lag, dass ihm zeitlang nichts anderes als nur die Motivation fehlte, ist er höchstwahrscheinlich immer für die Mathematik verloren. Für ihn wird sie sein ganzes Leben lang ein Rätsel bleiben, etwas fast Mystisches, was nicht zum üblichen Menschenverstand, sondern eher zu einem völlig anderen geistigen Universum gehört. Aber dies stimmt trotzdem nicht. Der bekannte amerikanische Philosoph John Dewey (1859-1952) hat dieses große Missverständnis so beschrieben: 

„Mathematik wird oft als Beispiel rein normativen Denkens zitiert, das auf apriorischen Regeln und überempirischem Material beruhe. Aber ... der Status der Mathematik ist ebenso empirisch, wie der der Metallurgie. ... Der heutige mathematische Logiker mag die Strukturen der Mathematik präsentieren, als ob sie alle zugleich aus dem Kopf eines Zeus entsprungen seien ... Aber nichtsdestoweniger ist eben diese Struktur Produkt eines langen historischen Wachstums, in dessen Verlauf alle Arten von Versuchen unternommen worden sind, sich einige Forscher in diese, andere in jene Richtung einen Weg gebahnt haben, und einige Anwendungen und Verfahren in Konfusion und andere in triumphalen Klarstellungen und fruchtbarem Wachstum geendet haben.
Die Struktur der angeblich normativen apriorischen Mathematik ist in Wahrheit das krönende Ergebnis von Jahrhunderten mühsamer Erfahrung. Der Metallurg, der über die am höchsten entwickelte Methode schreiben wollte, mit Erzen umzugehen, würde in Wahrheit kein bißchen anders verfahren. Auch er selektiert, verfeinert und organisiert die Methoden, die in der Vergangenheit ein Maximum an Erfolg gezeitigt haben.“ ... >

Aus noch einem Grund wirkt die Mathematik irgendwie befremdlich und mystisch. Wie der bekannte britische Philosoph und Mathematiker Alfred Whitehead (1861-1947) bemerkt hat- siehe Motto - führt sie zur Ergebnissen, die dem gesunden Menschenverstand verschlossen sind, oder ihm sogar diametral widersprechen. Trotzdem besitzt der Mensch nur ein- und denselben gesunden Menschenverstand, und auch die Mathematik hat alleine mit diesem etwas zu tun. Die deduktive Schöpfung der Mathematik kann man sich als ein Puzzle-Spiel vorstellen. Am Anfang gibt es Teile von einem Ganzen und Regeln, die bestimmen, wie und welche Teile zueinander passen. Diese Regeln zu verstehen, liegt zweifellos im Kompetenzbereich unseres gesunden Menschenverstandes, mehr jedoch nicht. Unserem gesunden Menschenverstand wird es nämlich nie gelingen, schon aus den einzelnen Teilen herauszufinden, was für eine Figur (Gestalt) sich als Lösung ergeben wird. Das liegt daran, dass das Ganze mehr als die Summe seiner Teile ist. Die gegenteilige Behauptung, das Ganze ließe sich aus seinen Teilen verstehen, also die pars-pro-toto Denkweise, ist falsch. Sie ist falsch in der Wirtschaftswissenschaft, was wir schon kritisiert haben, aber genauso in der Mathematik. Verdeutlichen wir es mit einem einfachen Beispiel, das sogar ein mathematischer Laie problemlos nachvollziehen kann:

Es ist keine „innere“ Eigenschaft des Winkels, aus der unbedingt folgen würde, dass drei Winkel eine Summe von 180° ergeben. Erst wenn man drei Winkel nach bestimmten Regeln zu einer Figur macht, die man Dreieck nennt, ergeben die zu dieser Figur gehörigen Winkel die Summe 180° - sonst nicht. Sonst ist jeder Winkel „frei“, so groß zu sein, wie er es „will“. Auch in dem Dreieck darf natürlich jeder Winkel beliebig groß sein, aber die übrigen zwei müssen sich dann, zusammen genommen, den Rest zur Summe 180° teilen.

Genau so können wir nie mit Sicherheit behaupten, dass für eine Volkswirtschaft etwas gilt, nur weil dies mit Sicherheit für ein Unternehmen oder einen Haushalt empirisch nachweislich gilt. Sparen ist wirklich ein gutes Beispiel dafür. Die Unternehmen oder Haushalte können zweifellos beliebig viel sparen. Sie können in dieser Hinsicht eine uneingeschränkte Entscheidungsfreiheit genießen, so wie auch jeder Winkel im Dreieck sich „entscheiden“ kann, wie groß er sein „will“. Aber immer, wenn sich ein Winkel es „anders überlegt“, wenn er sich später vergrößert oder verkleinert, müssen die anderen zwei sich entsprechend verkleinern bzw. vergrößern. Die quantitativ genaue Gesetzmäßigkeit darüber haben die Mathematiker auf eine deduktive Weise hergeleitet. Die deduktive Denkweise ist auch der einzige Weg herauszufinden, wie viel alle Unternehmen und Haushalte zusammengenommen einsparen (und investieren) dürfen. Wir haben diese Gesetzmäßigkeit als allgemeine Gleichung des Sparens benannt. Die Erkenntnis, welche diese Gleichung vermittelt, haben wir bereits getestet, aber bisher ohne Mathematik. Wir haben uns zuerst mit dem netten Bauer - dem wir freundlicherweise Weizen und vor allem Weizenbier verdanken - befasst, und dann haben wir uns ein numerisches Beispiel einer dreisektoralen Wirtschaft ausgedacht, mit einfachen Zahlen, die wir hin und her geschoben haben. Wir konnten dabei immer feststellen, dass die getestete Gesetzmäßigkeit stimmt. Nun sollen endlich auch die hart gesottenen Mathematiker auf ihre Kosten kommen.

In dem gleich folgenden Mathematischen Anhang wird zuerst ein Kreislaufmodell als ein System von Gleichungen entworfen. Zuerst ein Modell der ganzen Wirtschaft zu entwerfen, ist unbedingt nötig. Wie würden nie aus einem Einkommensbezieher - dem Unternehmen oder dem Haushalt - herausfinden können, wie viel die Volkswirtschaft als Ganzes sparen (und investieren) könnte. Die Gesetzmäßigkeiten, die für das Ganze gültig sind, lassen sich nicht aus den Teilen herleiten, sondern nur aus einem Ganzen deduzieren. Wir werden nun diesen deduktiven Weg Schritt für Schritt durchführen und zur allgemeinen Gleichung des Sparens gelangen.

Heben wir aber noch einmal hervor, dass die allgemeine Gleichung des Sparens nicht ein Ergebnis ist, zu dem jeder Mathematiker zwangläufig gelangen würde, wenn er nur keine mathematischen Fehler machen würde. Streng genommen hat die allgemeine Gleichung des Sparens nichts mit der „richtigen“ Anwendung der Mathematik zu tun. Man würde sie zum Beispiel nie aus dem neoliberalen Modell des allgemeinen Gleichgewichts deduzieren können. Dieses Modell ist nicht im mathematischen Sinne falsch, es ist nur unterkomplex. Die allgemeine Gleichung des Sparens kann als eine deduktive Schöpfung nur dann zustande kommen, wenn das Modell der Wirtschaft bestimmte - bereits erörterte - Eigenschaften der Produktion berücksichtigt: die Akkumulation, die Gerichtetheit und die Struktur als Phänomene der Produktion. Die Mittel, diese Eigenschaften mathematisch ins Modell zu integrieren, sind die technischen und distributivern Koeffizienten. Nur dank ihnen wird der Prozess der Produktion eine produktionstechnische Einheit, sonst würden wir nur einen Haufen von einzelnen Unternehmen haben, wie dies im partikel-mechanischen Modell der Fall ist. Dann würde natürlich auch jedes Unternehmen und jeder Haushalt, weil es auf keinerlei Weise den Rest beeinflusst und von dem Rest bestimmt wird, beliebig viel sparen können.

Vielleicht sollte ich noch etwas zur mathematischen Deduktion im Allgemeinen bemerken. Wenn man eine gewisse Übung im Puzzle-Spiel hat, gestaltet sich das ganze Spiel als ein Verfahren, das nur so und nicht anders laufen kann. Auch bei der Herleitung der allgemeinen Gleichung des Sparens läuft alles so, als ob der nächste Schritt fast wie selbstverständlich und auf nur eine einzige Weise folgen müsste, so dass dann das endgültige Ergebnis ganz plötzlich auftaucht - sozusagen als ob es aus dem Kopf des Zeus entsprungen wäre. Aber diejenigen, die sich mit der Mathematik auskennen, vor allem wenn sie Erfahrung in den Naturwissenschaften gesammelt haben, wissen, dass es doch nicht ganz so einfach ist. Der Weg zu einem deduktiv tauglichen Ergebnis ist lang und ungerade. Auch das, was bei der Herleitung der allgemeinen Gleichung des Sparens in dem folgenden Mathematischen Anhang so „logisch“ aussieht, hat ebenfalls einen langen Weg hinter sich. Es hat mich in Wahrheit mehr als zwei Jahrzehnte gekostet, bis sich aus der ersten unscharfen Idee, nach zahlreichen Enttäuschungen und Sackgassen, das endgültige Ergebnis herausgebildet hat. Wie hat es - noch einmal - der Wissenschaftstheoretiker Ludwik Fleck (1896-1961) gesagt?

„Zuerst ein Widerstandsaviso im chaotischen anfänglichen Denken, dann ein bestimmter Denkzwang, schließlich eine unmittelbare wahrzunehmende Gestalt.“ ... >

Dieser Mathematische Anhang ist eigentlich für ein Buch vorgesehen, an dem ich noch arbeite, so dass ich jetzt nicht den ganzen Text auf meiner Website veröffentlichen werde. Nur den Anfang, dass man sich eine Vorstellung darüber machen kann, worum es geht. Aber ich will dem Leser dennoch entgegen kommen:

Wer mathematisch interessiert ist, kann sich bei mir melden. Er soll seinen vollen Namen, die vollständige Adresse und seine Festnetz-Telefonnummer angeben. Wenn er auch erklärt, dass er alles nur privat benutzen und alle Urheberrechte beachten wird, werde ich ihm den ganzen Text im pdf-Format schicken.

Mathematischer Anhang         
A b s t r a c t :
deIn der vorliegenden Abhandlung wird die Funktionsweise der Marktwirtschaft im Rahmen eines Kreislaufmodells untersucht. Dieses Modell unterscheidet sich von den bisherigen Input-Output Modellen darin, dass es nicht technische, sondern distributive Koeffizienten nutzt. Mit diesen Koeffizienten lassen sich nicht nur strukturelle Zusammenhänge, sondern auch das allgemeine ökonomische Gleichgewicht analysieren. Das wichtigste Ergebnis dieser Analyse ist der Nachweis, dass das Ungleichgewicht ein in sich konsistenter und eigenständiger Zustand der freien Marktwirtschaft ist. Es ist somit kein noch nicht erreichtes, oder ein gestörtes Gleichgewicht, wie in den neoklassischen Modellen (Walras, Pareto, ...), und hat auch mit dem Verschwinden des Geldes (Hortung, Liquiditätsvorliebe) nichts zu tun, wie bei Keynes. Diese Abhandlung ist als Wachstumsanalyse konzipiert. Sparen und Investieren sind die treibenden Kräfte des Wachstums, sie verursachen aber auch einen Nachfragemangel und führen zum konjunkturellen Absturz, so dass die vorliegende Gleichgewichtsanalyse auch die Grundlagen für eine neue Theorie von Konjunkturschwankungen (ökonomischen Zyklen) liefert.
 
enThe present paper examines the dynamics of the market economy in the framework of a circular flow model. This model is different from the conventional input-output models in that it uses not only the technical but also the distribution coefficients. With these coefficients it is possible to analyze not only structural relations but also general equilibrium. The most important result from our analysis is the fact that disequilibrium is a state of the free market economy that is internally consistent and independent. It is equilibrium not yet reached or disturbed, as in neo-classical models (Walras, Pareto, ...), and, furthermore, it has nothing to do with money disappearing (hoarding, liquidity preference), as in Keynes. The paper attempts to analyze growth. Saving and investment are the driving forces of growth, but they also cause lack of demand and lead into economic crashes, such that the present equilibrium analysis also provides the basis for a new theory of cyclical fluctuations (economic cycles).

Das ökonomische Kreislaufmodell bringt einige analytische Begriffe mit sich, die sich von denen des partikel-mechanischen (Walrasschen) Gleichgewichtsmodells wesentlich unterscheiden. Wir werden uns jetzt nur auf einige wenige dieser Begriffe beschränken. Sie entsprechen am ehesten der Knoten- bzw. Matrixmethode von Hans Peter. Er war der erste Ökonom, der Kreisstrukturen allgemeintheoretisch untersucht und entwickelt hat.

Die Einzelunternehmen oder Sektoren werden bei ihm als Pole bezeichnet. Was zwischen zwei Polen umgesetzt wird, nennt er Strom. Der Strom fließt in eine bestimmte Richtung, und sein quantitativer Wert wird als Strombreite bezeichnet. Die Polbreite ist eine Größe, die angibt, von welcher Menge wirtschaftlicher Werte, welche die Ströme mit sich tragen, ein Pol in einem bestimmten Zeitraum durchlaufen wird. „Damit ein Kreislauf geschlossen ist, muß die Bedingung erfüllt sein, daß die Summe der Breiten der in einen Pol einlaufenden Kreislaufströme gleich der Summe der Breiten der auslaufenden Ströme ist.“ Die einlaufenden Kreislaufströme oder Inputs jedes beliebigen Pols   j  kann man allgemein mathematisch als x1j,  x2j,  x3j, ... ,  xkj,  ... ,  xnj  und die auslaufenden oder Outputs als  xj1,  xj2,  xj3, ... ,  xjk,  ... ,  xjn  bezeichnen. Mit  xj wird die ganze Breite des Pols  j  bezeichnet. Mit Hilfe der Kreislaufströme lassen sich Strukturkoeffizienten bilden, die als „Verhältnisse der Strombreiten zu den Polbreiten“ definiert sind. „Es gibt zwei Sätze solcher Quotienten, je nachdem, wie man die Strombreite ins Verhältnis zur Breite des Poles, in den der Strom einmündet oder aus dem er ausfließt, setzt:“

      τkj   =   xkj / xj         bzw.         δjk   =   xjk / xj  

Die Quotienten des ersten Typus bezeichnet man als technische Koeffizienten und die des zweiten Typus nenne ich distributive Koeffizienten.

Technische Koeffizienten geben Auskunft darüber, in welchen technischen  Proportionen die Produktionsfaktoren (Inputs) in einem Sektor kombiniert werden. Sie sind aber eine grobe Vereinfachung der Realität, denn die relativen Anteile der angewandten Produktionsfaktoren (Kosten) sind nicht starr, wie es diese Koeffizienten vermuten lassen. Immerhin sind diese Koeffizienten gut geeignet für die Darstellung von ökonomischen (hauptsächlich stationären) Prozessen, weil sie die Gestaltung von komplexen und mehrstufigen (multi-level) Strukturen ermöglichen. Dabei kann man auch empirisch ermittelte Daten benutzen, um reale Wirtschaften darzustellen (Leontief-Tabellen).

Trotz dieser Einschränkung ist das kreislauftheoretische Modell mit den technischen Koeffizienten das erste, mit dem es Ökonomen gelungen ist, nicht nur den Tausch, sondern auch die Produktion als Bereich des ökonomischen Systems analytisch zu integrieren. Zu den wichtigsten Erkenntnissen, die wir der produktionstechnischen Analyse mit technischen Koeffizienten zu verdanken haben, gehört die „Wiederkehr der Techniken“ (reswitching of techniques).

Distributive Koeffizienten vermitteln nicht bestimmte Eigenschaften einer einzelnen Produktionstechnik, die ein Sektor anwendet, um ein Gut herzustellen, wie es bei technischen Koeffizienten der Fall ist, sondern sie beziehen sich auf die Struktur des gesamten ökonomischen Systems. Weil die distributiven Koeffizienten nicht die technologischen Gegebenheiten der einzelnen Sektoren (direkt) wiedergeben, wie die technischen Koeffizienten, sind sie nicht auf die Annahme von konstanten Faktorproportionen (Skalenerträgen) angewiesen und damit nicht auf lineare Produktionsänderungen (proportionale Dynamik) beschränkt, so dass sie auch für die makroökonomische Analyse geeignet sind, welche die technischen Änderungen mit einbezieht. Außerdem sind die distributiven Koeffizienten den nominalen Preisen gegenüber neutral oder indifferent.

Unsere vorrangige Aufgabe besteht nun darin, herauszufinden, welchen allgemeinen Bedingungen die Güterströme und ihre Preise genügen müssen, wenn das allgemeine wirtschaftliche Gleichgewicht erhalten bleiben soll. Fangen wir mit der einfachen (buchhalterischen) Feststellung an, dass der Wert der Gesamtproduktion jedes beliebigen Wirtschaftssektors durch zweierlei Art von Produktionskosten bestimmt wird: durch die Kosten aller verbrauchten und verschlissenen Produktionsgüter (Rohstoffe, Halberzeugnisse und Maschinen) und durch die Ausgaben für verschiedene, in Anspruch genommene Leistungen der Wirtschaftsakteure, die als Faktor- oder Nettoeinkommen ausbezahlt werden. Zu den Nettoeinkommen der Sektoren gehören Löhne, Zinsen, Profite, ... aber für unsere Analyse ist nur das gesamte Nettoeinkommen relevant, nicht seine sektorinterne Verteilung. Es reicht aus anzunehmen, dass es solche Einkünfte überhaupt gibt, dass also jeder Sektor einen zu verteilenden Überschuss aufweist, den wir als ÿ bezeichnen. Die Kostenstruktur der Gesamtproduktion jedes beliebigen Sektors  j  in einer Wirtschaft mit  n  Sektoren lässt sich dann in Form einer algebraischen Gleichung darstellen:

      x1j . ρ1  +  x2j . ρ2  +   x3j . ρ3  +  ...  +   xnj . ρn  +   ÿj     =     xj . ρj  

Mit  x1j  wird diejenige physikalische Menge der Produktionsgüter bezeichnet, die vom Sektor  1  zum Sektor  j  geliefert wird; mit   x2j  analog diejenige, die vom Sektor  2  zum Sektor  j  geliefert wird, ... u.s.w. Wenn der Sektor  j  diese Güter zu den Preisen  ρj,  ρ2,  ...  pro physikalische Einheit bezieht, produziert er eine physikalische Menge  xj  von Gütern oder einen realen Gesamtoutput, dessen nominaler Wert bei dem nominalem Einzelpreis   ρj  ein Bruttoeinkommen   xj . ρj   abwirft, das wir mit dem Symbol   yj   bezeichnen werden. Wenn der erste Term der Gleichung durch den Wert   x1  dividiert und zugleich mit ihm multipliziert wird, kann er als Produkt von zwei Multiplikanden   x1j / x1j  und   x1· ρ1  dargestellt werden: Der erste ist per Definition distributiver Koeffizient, konkret   δ1j  der zweite stellt das gesamte nominale Bruttoeinkommen (Output) des Sektors 1 dar, das wir mit  y1  bezeichnen. Wenn man beim zweiten Term dasselbe mit der Variable   x2  macht und analog auch mit den weiteren Termen, schreibt man die ursprüngliche Gleichung als:

      δ1j . y1  +  δ2j . y2  +   δ3j . y3  +  ...  +   δnj . yn  +   ÿj     =     yj  

Wenn eine Wirtschaft  n  Sektoren hat, und sie sich folglich auch in genauso vielen Gleichungen abbilden lässt, so können wird das System von  n  Gleichungen in der Matrixform folgendermaßen beschreiben:

      Δnn yn  +   ÿn   =   yn (a)

Die distributiven Koeffizienten  δkj  dieses Gleichungssystems bilden also eine quadratische (zweidimensionale) Matrix und seine Variablen (eindimensionale) Vektoren. Die Matrix  Δnn hat bestimmte Eigenschaften, von denen wir Gebrauch machen wollen. Wenn die Sektoren  1  bis   h  Produktionsgüter und die Sektoren  h+1  bis  n  Konsumgüter herstellen, hat nämlich diese Matrix eine charakteristische Form, wie unten dargestellt.

  δ11   δ21   δ31 ...   δh1
   ...    ...    ... ...    ...
  δ1h   δ2h   δ3h ...   δhh
    0     0 ...     0
    0     0 ...     0
    0     0 ...     0
  δ1 h+1   δ2 h+1   δ3 h+1 ...   δh h+1
   ...    ...    ... ...    ...
  δ1n   δ2n   δ3n ...   δhn
    0     0 ...     0
    0     0 ...     0
    0     0 ...     0
ΔK 0
ΔC 0
 

Die distributiven Koeffizienten, deren erste Indexziffer  h+1  oder größer ist, haben den Wert Null, weil die Konsumhersteller keine Güter zurück in die Wirtschaft liefern. Diese Tatsache macht es möglich, die Matrix  Δnn  (durch ein Dekompositionsverfahren) auf zwei kleinere Matrizen zu reduzieren, die wir bereits als  ΔK   bzw.   ΔC  bezeichnet haben. Die Notation dieser (Sub-)Matrizen verlangt eine kurze Erläuterung. Der Index K der ersten Matrix deutet darauf hin, dass sie nur die Sektoren erfasst, die Produktionsgüter herstellen; die zweite Matrix mit - dem Index C - erfasst die restlichen, die Konsumgüter herstellen. Mathematisch korrekt wäre, bei beiden Matrizen noch Indices hinzuzufügen, die über ihre Zeilen- und Spaltenzahl Auskunft geben. Diese Indices werden aber im Folgenden weggelassen, so dass die Matrixgleichungen den einfachen Gleichungen noch ähnlicher werden und als solche behandelt werden können. Dadurch werden die folgenden Ausführungen auch ohne Kenntnisse der Matrixrechnung nachvollziehbar.

Die Vektoren des Gleichungssystems (a)  lassen sich auch nach dem gleichen Kriterium in je zwei Vektoren zerlegen: Vektor    yn    in   yK  und   yC , und Vektor   ÿn    analog in   ÿK  und   ÿC , Auch hier geben die Indices Auskunft darüber, ob der Vektor Sektoren erfasst, die Produktionsgüter (K)  bzw. Konsumgüter (C)  herstellen. Die Indices, welche die (mathematische) Dimension des Vektors bestimmen, werden im Weiteren ebenfalls weggelassen. Aus dem „oberen“ und dem „unteren“ Teil des Gleichungssystems (a)  lassen sich jetzt zwei Gleichungssysteme bilden:

      ΔK yK  +   ÿK   =   yK  
      ΔC yK  +   ÿC   =   yC (b)

Weil wir es mit einem System mit Überschuss zu tun haben, ähnlich wie bei Piero Sraffa (Production of Commodities by Means of Commodities), gilt auch folgende Gleichung:

      1 ( I - Δ )  yK  +  1 ÿC   =   1 ΔC   yK  +  1 ÿC (c)

Die Gleichung (c)  beschreibt die Gleichgewichtsbedingung auf dem Markt der Konsumgüter. Da sie zugleich stillschweigend auf der Annahme beruht, dass der Markt der Produktionsgüter geräumt ist, erfasst sie jedoch indirekt auch das Gleichgewicht der gesamten Wirtschaft.

Usw.

   [Forum zum Beitrag vorschlagen]   
 
schmaler
schmaler
 
 
werbung und    eBook