3. Phase des ökonomischen Zyklus der Marktwirtschaft: Die Hochkonjunktur (Boom)
  Die Hochkonjunktur als Zusammenwirken aller drei Faktoren des Wachstums
       
   
Ersparnis und Investition sind die Bestimmten des Systems und nicht die Bestimmenden.
 
  John M. Keynes    

Wir haben bisher zwei Möglichkeiten herausgefunden, wie eine Wirtschaft von alleine durchstarten kann: durch höhere Preisedorthin und durch Innovationen.dorthin Das sind keine sich ausschließenden Alternativen, sondern sie können gleichzeitig auftreten. Wie sie dann zusammen wirken, lässt sich in einem Liniendiagramm, das wir aus der mathematischen Behandlung des Kreislaufmodells benutzt haben, verdeutlichen. Die Preissteigerung (PPI) ist hier durch die vertikale und das Produktivitätswachstum (Q) durch die horizontale Achse bestimmt. Die Maßeinheit der Investitionen (und Ersparnisse) ist in unserer kreislauftheoretischen Analyse zwar die Geldeinheit, aber trotzdem quantifizieren wir die Investitionen in den folgenden Diagrammen relativ, und zwar als prozentuale Anteile (-5%, 0%, 5%, 10%) des gesamten Nettoeinkommens der Wirtschaft. Die Investitionen auf diese Weise zu quantifizieren, ist auch deshalb sinnvoll, weil sie sowieso aus diesem Einkommen finanziert werden. Wird das Geld nirgends gehortet, ist das gesamte Sparvolumen (S′) gleich dem Investitionsvolumen (I′).

 

Aus dem Diagramm lässt sich unmittelbar entnehmen, dass die Preissteigerung und das Produktivitätswachstum substitutive Größen sind. So wäre zum Beispiel die Spar- bzw. Investitionsquote von 5%, die sich mit dem Produktivitätswachstum von  q* Prozent realisieren lässt (Punkt A), alternativ auch durch eine Preissteigerung von  p* Prozent (Punkt B) erreichbar. Die praktischen Konsequenzen sind naheliegend: Wenn die Wirtschaft unter einer Innovationsschwäche leidet, lässt sich das Gleichgewicht bei der Reallokation mit höheren Preisen retten. Steigen die Preise stärker, kann auch die Reallokation größer sein. Das Wachstum kann stärker durchstarten.

Aber in diesem Diagramm befinden wir uns wieder nur beim Durchstarten des Wachstums. Aus unseren Untersuchungen folgte, dass sich das Wachstum, nachdem die Wirtschaft begonnen hat zu wachsen, das Wachstum problemlos fortsetzen kann. Ja, es kann sich in gewissen Grenzen sogar beschleunigen oder verlangsamen, ohne das Gleichgewichtsprobleme auftreten. Auch diesen Fall können wir in dem Liniendiagramm darstellen. Wir brauchen nur die Isoquanten sinken zu lassen.

 

Aus dem Diagramm ist offensichtlich, dass das Wachstum nicht mehr auf steigende Preise und Innovationen angewiesen ist. Es kann sich jetzt sogar bei fallenden Preisen fortsetzen. Es mag seltsam klingen, es stimmt aber: Das Wachstum speist sich aus sich selbst. Dies konnten wir schon aus unseren numerischen Beispielen entnehmen, also aus den Zahlen, welche uns das Simulationstool aus den ihm vorgegebenen Bedingungen ausgerechnet hat. Beweise, die auf Beispielen beruhen, haben aber ihre Schwächen:

Wenn etwas mit einem konkreten Beispiel bewiesen ist, kann man nie sicher sein, ob es sich um eine immer geltende Regelmäßigkeit (Gesetzmäßigkeit) und damit eine allgemeine Erkenntnis handelt, oder ob dies nur ein spezifischer Fall war. Auch wenn mehrere Beispiele dasselbe bestätigen, wächst diese Gewissheit, aber ganz sicher kann man immer noch nicht sein.

Hier hilft uns die Mathematik. Mit ihr lässt sich prüfen, ob konkrete Zusammenhänge zwischen Zahlen (Größen) eine allgemeine Gültigkeit haben, aber nicht nur das. Mit mathematischen Methoden lassen sich auch Zusammenhänge herausfinden, an die man davor nicht gedacht hat. Das macht die Mathematik wissenschaftlich tauglich und nützlich, und deshalb ist sie auch bei uns die wichtigste Stütze unserer kreislauftheoretischen Analyse der Marktwirtschaft. Einer der wichtigsten Zusammenhänge, zu dem wir mit den mathematischen Methoden gelangt sind, ist die allgemeine Gleichung des Sparens. In ihren Rahmen lässt sich auch endgültig erklären und beweisen, warum das einmal begonnene Wachstum ein Prozess ist, der keine besondere Voraussetzungen benötigt - der sozusagen eine Selbstläufer ist. Es reicht aus, so wie wir es von den neoliberalen Theorien kennen, wenn gespart und investiert wird.

   YK    = I =     S
    YK   -   Produktionszuwachs von Produktionsgütern   I   -   Nettoinvestitionen   S   -   Nettoersparnisse

Da diese Gleichung ziemlich einfach ist, können wir kurz wiederholen, was wir schon in mehreren bisherigen Beiträgen gesagt haben. Sie besagt, dass die Ersparnisse und Investitionen in der freien Marktwirtschaft dem Wert  YK  entsprechen müssen, wenn die Nachfrage und das Angebot im Gleichgewicht bleiben sollen. Diese Schlussfolgerung unterscheidet sich wesentlich von der, die man aus dem partikel-mechanischen Modell ableitet. Dort ist die Marktwirtschaft schon dann im Gleichgewicht, wenn die Investitionen den Ersparnissen gleich sind.

Die allgemeine Gleichung des Sparens gilt für eine Marktwirtschaft unabhängig davon, ob sie wächst oder nicht. Was es bedeutet, wenn die Wirtschaft wächst, lässt sich aus der Definition der Variablen  YK  entnehmen:

YK   =    Produktionsgüter der betrachteten Reproduktionsperiode mal aktuelle Preise
minus                              
 Produktionsgüter der vorigen Reproduktionsperiode mal damalige Preise

Wenn die Wirtschaft wächst, ist es üblich, dass die Preise steigen. Sie müssen es aber nicht, so dass wir jetzt der Einfachheit halber die Preise konstant lassen. Dann ist  YK  nur durch den Anstieg der realen Produktion in der betrachteten Reproduktionsperiode bestimmt. Was geschieht nun, nachdem die Wirtschaft mehr Produktionsgüter hergestellt hat, als in der vorigen Reproduktionsperiode?

Diese zusätzliche Produktion kann sowohl bei den Sektoren, welche die Produktionsgüter herstellen, als auch bei den Sektoren, welche die Konsumgüter herstellen, investiert werden. Wenn bei den ersteren überhaupt etwas investiert wird, wird die Wirtschaft auch weiter wachsen können. Je mehr bei ihnen investiert wird, desto größer wird  YK  in der nächsten Reproduktionsperiode sein. Folglich kann noch mehr gespart und investiert werden, so dass sich das Wachstum beschleunigen wird. Das Wachstum wird sich also genug Nachfrage schaffen, so dass es nur ressourcenbeschränkt sein wird. Die endgültige Grenze des (extensiven) Wachstums ist irgendwan die verfügbare Arbeitskraft, aber die Marktwirtschaft bricht schon zusammen, noch bevor sie die Vollbeschäftigung erreicht hat, wegen des Nachfragemangels. Der Zusammenbruch des Wachstums gehört aber thematisch zu der nächsten Phase des ökonomischen Zyklus. 

 
 
     
 
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