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  Seifenblasenshow im neoliberalen Tollhaus: Brichta gegen Bernecker (II)
 
 
Ein Heißluftballon ist vom Kurs abgekommen und treibt orientierungslos über Berge und Täler. Endlich sehen die beiden Piloten tief unten einen Wanderer. “Wo sind wir?”, rufen sie ihm zu. “Ihr seid in einem Ballon”, ruft der Wanderer zurück. Worauf der eine Ballonfahrer zum anderen sagt: “Die Antwort ist präzise, korrekt und absolut nutzlos. Der Mann muss ein Ökonom sein.”
 
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Ein Betrunkener sucht unter einer Straßenlaterne seinen Schlüssel. Ein Passant hilft ihm. Nach einer Weile will der Passant wissen, ob der Mann sicher sei, den Schlüssel hier verloren zu haben. Der antwortet: „Nein, nicht hier, sondern dort hinten - aber hier ist es viel heller.“.
 
         

Es wurde bereits festgestellt, dass für die heutigen Neoliberalen die Notenbanken an allem schuld sind, was in den letzten Jahrzehnten nicht gut funktioniert hat und warum wir anstatt vor dem „Ende der Geschichte“ vor einer großen Krise der sogenannten „liberalen Demokratie“ stehen. Warum die Notenbanken für sie an allem schuld sein müssen, ist dann leicht verständlich: Wenn der große Zusammenbruch kommt, darf nicht der wahre Schuldige bekannt werden, nämlich der freie Markt und seine natürliche Tendenz katastrophale soziale Ungerechtigkeit und Ungleichheit zu schaffen. Wenn also zwei neoliberale Ökonomen diskutieren, sprechen sie nur darüber, was die Notenbank falsch macht und warum. Brichta und Bernecker sehen den Fehler darin, dass die europäische Notenbank EZB wie wild Geld „druckt“. Konkreter gesprochen:

Brichta meint, dass die Notenbank ihre falsche Praxis fortsetzen muss, bis der Zusammenbruch des Geldsystems kommt. Dass dieser kommen wird, daran zweifelt er nicht ein bisschen, für ihn stellt sich nur „die Frage, wie lange der sich abzeichnende Zusammenbruch des Geldsystems aufgeschoben werden“ kann.

Hat Brichta aber eine Erklärung, warum die Notenbank das Geld wie wild „druckt“? Vielleicht die folgende? „Der Bestand an Geldvermögen und Schulden hat nach seinem stetigen Wachstum der vergangenen Jahrzehnte ein Ausmaß erreicht, das nur noch mit Hilfe der Notenbanken aufrecht erhalten werden kann. Das heißt: Ohne die Geldspritzen würde das Gebäude im Rahmen einer heftigen monetären Krise zusammenstürzen.“ Ist das wirklich eine Erklärung? Nur weil das „Gelddrucken“ einmal begonnen hat, muss es jetzt auf Teufel komm raus fortgesetzt werden? Nein, das ist keine Erklärung. Schlimmer noch: Das ist prinzipiell alles, was uns Brichta zu seinem vorhergesagten Zusammenbruch des Geldsystems zu sagen hat.

Bernecker widerspricht. Er wirft Brichta vor, er würde „für einen völligen Paradigmenwechsel in der Geldpolitik plädieren“. Gemeint ist die New Monetary Theory, von der Bernecker nichts hält: „Ich erteile dieser neuen Geldpolitik eine Absage.“ Brichta lässt sich das nicht anmerken, aber er will von einem Paradigmenwechsel sicher nichts hören, weil für ihn als überzeugten Neoliberalen diese Theorie der Wahrheit letzter Schluss ist. Einen Paradigmenwechsel kann und wird es nie geben und auch die New Monetary Theory ist keiner. „Die Geldschöpfung der Notenbanken gehört aber seit über 100 Jahren ebenfalls dazu. Sie ist keine Erfindung der neu entdeckten NMT“.

Was merken wir? Bernecker vertritt mit Klauen und Zähnen den neoliberalen Sakralismus. Wenn der Zusammenbruch käme, so Bernecker, woran er aber nicht richtig glaubt, dann deshalb, weil die Notenbank das Geld wild „druckt“. Schließlich argumentiert Bernecker im typischen neoliberalen Stil, warum das expansive „Gelddrucken“ nicht nur unnötig, sondern sogar schädlich sei, ja für die nächste Katastrophe die Schuld tragen wird. Wir können uns gut vorstellen, was er sagen kann:

„Geldschöpfung, die durch die privaten Banken wie bisher entsteht, erfolgt über die Vergabe von Krediten. Daraus entsteht eine Schuld, die auch bedient und getilgt werden muss. Schuldner, die diese Tilgung nicht leisten, tragen die bekannten Konsequenzen und werden zunehmend vom Kapitalmarkt ausgegrenzt. Darin liegt der disziplinierende Effekt der Geldschöpfung inkl. der Mechanik um die Kapitalkosten gemäß Bonität und Laufzeit festzusetzen. Eine Geldschöpfung der Notenbank folgt diesem Prinzip nicht, denn das neue Geld kauft Wertpapiere oder andere Assets vom Markt, ohne dass daraus eine Schuld entsteht.“

Im Einklang mit dem neoliberalen Sakralismus entspricht der Zins dem Preis des Geldes und den richtigen Preis kann nur der freie Markt bestimmen. Mischt sich die Notenbank in diese Preisfindung ein, dann muss schließlich früher oder später etwas schief gehen. Warum hat aber die Notenbank nach mehreren Jahrzehnten der neoliberalen Konterrevolution überhaupt mit dem wilden „Gelddrucken“ überhaupt begonnen, Herr Bernecker? Doch nicht vielleicht deshalb, weil die freie Marktwirtschaft vor dem Zusammenbruch stand (2008)? Ist klar: Darüber will Herr Bernecker nicht sprechen. Mit Recht erwidert ihm da Brichta: „Die Realität geht stets über solche Lehrbuchweisheiten hinaus.“ Ja, die neoliberalen Lehrbuchweisheiten haben mit der Realität wirklich gar nichts zu tun.

Man weiß genau warum die Notenbank begonnen hat, Geld wie wild „zu drucken“. Sie ist die Feuerwehr in der freien Marktwirtschaft, löscht aber immer nur da, wo ganz große Brände ausbrechen. Klar gesprochen, lässt die Notenbank die Notenpresse nur dann laufen, wenn sie den Monopolen (Global Playern) Geld schenken soll. Für den „kleinen Mann“ tut sie das nie, auch für die kleinen und mittleren Betriebe nicht. Sie sollen bestraft werden, wenn der freie Markt periodisch zusammenbricht. Das nennt der Neoliberale „Marktbereinigung“.

Nebenbei bemerkt, hat das Phänomen des Erfolgs der AfD gerade damit zu tun, dass die Notenbank die Großen rettet, aber die anderen nicht. Auch die „Mittigen“ nicht, in dessen Namen die neoliberale Konterrevolution geführt, gerechtfertigt und legitimiert wurde. Auch diese (Konter-)Revolution frisst jetzt ihre Kinder. In einem Sinne sogar berechtigt. Die „Mittigen“ haben doch gejubelt, wie der Neoliberalismus die unteren Klassen ökonomisch zurichtete und drangsalierte, sie waren mit Herz und Seele bei den Obrigen. Aber die Obrigen haben dasselbe mit den „Mittigen“ gemacht, sobald sie die unteren Klassen ausgebeutet und entrechtet hatten. Wirklich dumm gelaufen.

Recht hat also Brichta, wenn er Herr Bernecker vorwirft, dass „die Realität stets über solche Lehrbuchweisheiten hinausgeht“.

Fassen wir kurz zusammen:

Brichta und Bernecker diskutieren so wie die Neoliberalen und alle Regimeökonomen heute eben diskutieren. Es ist nicht mehr als Stammtischniveau. Sie können nicht anders, weil sie Gefangene der neoliberalen Lehrbuchweisheiten sind. Sie trennen nur rituelle Unterschiede, wie zwischen Katholiken, Protestanten, Baptisten, usw. Brichta, anders als Bernecker, glaubt nicht so orthodox an die heilende Macht der völlig freien Märkte. In einer Hinsicht ist er nicht realitätsblind, weil er nämlich einen Zusammenbruch für unausweichlich hält. Was er hier aber vertritt ist nichts Neues. Die ganze Geschichte des Kapitalismus bestätigt, dass die freie Marktwirtschaft periodisch immer wieder zusammenbricht. Das ist eine unbestrittene Tatsache, aber eine Tatsache liefert nicht zugleich eigene Erklärung mit. So genießt Brichta seine Pose im Stil eines Propheten, aber seine Prophezeiung ist so viel wert wie zu prophezeien, dass es in diesem Winter höchstwahrscheinlich Frost geben wird. Eine Erklärung dafür, warum es überhaupt zu einer Rezession kommen kann, hat er also nicht im Ansatz. Er ahnt, und hier wird er Recht behalten, dass die Notenbanken die Geldflutung des Marktes fortsetzen werden, um eine verheerende Rezession „nicht zulassen, sondern sie aufschieben, solange sie es können.“ Eine Erklärung dafür, warum denn das „Gelddrucken“ das böse Ende aufschieben kann, hat er aber auch nicht. Es gibt keine neoliberalen Lehrbuchweisheiten dazu. Brichta hat also weder eine Erklärung dafür, warum die Notenbanken begonnen haben, wie wild Geld zu „drucken“ und auch nicht, warum sie es unbegrenzt fortsetzen müssen. Er meint, diejenigen die das Geld „drucken“, wissen es auch nicht, warum sie es tun: „Ich vergleiche es dagegen eher mit einer Medizin: Auch viele Medikamente haben erhebliche negative Nebenwirkungen. Die Ärzte verordnen sie trotzdem.“

Brichta und Bernecker diskutieren über das Geld, aber über die Inflation wollen sie nichts sagen. Dabei ist der letzte Schluss der neoliberalen Weisheit in der Geldtheorie, dass das Gelddrucken zur Inflation führt. Aber anstatt Inflation haben wir Deflation. Auch diese Geldtheorie sollte man also wie die neoliberale geldneutrale Gleichgewichtstheorie (Walras, Pareto, …) in Klopapier einwickeln und in die Tonne treten.

Die Wissenschaft, wie die Natur, verträgt aber kein Vakuum. Eine alte Theorie - genauer gesagt ein Paradigma -, wie falsch und realitätsfremd sie auch sein mag, stirbt nicht, solange eine neue Theorie noch nicht geboren ist. Das neue Paradigma muss aber um einiges besser sein als das alte. Es muss erklären, was sich mit den alten „Lehrbuchweisheiten“ nicht erklären lässt. Aus dem oben Gesagten lassen sich folgende Fragen formulieren, die das neue Paradigma erklären soll:

  • Warum kann das „Gelddrucken“ den Zusammenbruch aufschieben - wie es Brichta mit Recht behauptet?
  • Warum bricht die freie Marktwirtschaft eigentlich immer wieder zusammen?
  • Warum hat die jahrelange Geldflutung keine Inflation verursacht?

Nun werden wir diese Fragen beantworten, indem wir die Marktwirtschaft auf neue analytische Grundlagen (Paradigma) stellen.

Fortsetzung folgt

     
Keywords und Lesehinweise  
#Geld und was tun mit ihm?  
 
Ausführliche Fachartikel auf der Website:  
Überelegugnen der Ökonomen über das Geld und seine Funktionen lesen
Friedmans Geldregelung versus demokratische Geldschöpfung und Geldregelung lesen
Im eBook thematisiert:  
Marktwirtschaft neu denken: Teil II, Kapitel 8  
 
     
#Neoliberalismus  
 
Ausführliche Fachartikel auf der Website:  
Der Neoliberalismus - ein ideologischer Verrat an Liberalismus und Wissenschaft lesen
Im eBook thematisiert:  
Marktwirtschaft neu denken: Teil I, Kapitel 1.3  
 
     
     
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