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  Seifenblasenshow im neoliberalen Tollhaus: Brichta gegen Bernecker (III)
 
 
Unkenntnis der entfernteren Ursachen bewirkt, dass man alle Ereignisse den unmittelbar wirkenden Ursachen zuschreibt, weil man keine anderen sieht Ist man mit den natürlichen Ursachen der Dinge nicht bekannt, so entsteht daraus Leichtgläubigkeit, die oft so weit geht, dass man auch sogar Unmögliches glaubt.
 
    Thomas Hobbes        

Die Auseinandersetzung Brichta gegen Bernecker ist nicht wegen ungewöhnlicher Standpunkte eines oder beider Disputanten interessant. Solche Auseinandersetzungen gibt es viele. Aber gerade deswegen, als typischer Fall, ist sie für uns interessant. Sie lässt sehr gut das charakteristische Muster der Meinungsverschiedenheiten im neoliberalen Lager erkennen. Es geht um Folgendes:

Brichta hält den Zusammenbruch für (fast) unausweichlich, Bernecker glaubt nicht richtig daran. Das ist kein kleiner Unterschied, sondern ein sehr großer. Das verwundert, da nämlich die beiden eine gleiche Ausbildung genossen und die gleichen Dogmen über die freie Marktwirtschaft verinnerlicht haben. Wenn aber trotzdem solche großen Meinungsverschiedenheiten unter den Neoliberalen nicht selten zu finden sind, kommt man schnell auf den Gedanken, dass es etwas mit ihrer Theorie zu tun haben muss, mit ihrer Erklärung wie die Marktwirtschaft funktioniert.

Auch noch etwas lässt vermuten, dass diese großen, aber typischen Unterschiede theoretische Ursachen haben müssen. Diejenigen neoliberalen Ökonomen, die den Zusammenbruch der Marktwirtschaft fürchten, sind immer und ausschließlich Geldökonomen - wie Brichta. Man kann daraus folgern, dass Zweifel an der Funktionsweise und -fähigkeit der Marktwirtschaft in der neoliberalen Theorie nur dort zu finden ist, wo über Geld theoretisiert wird. Wenn man sich die Entwicklung der Wirtschaftswissenschaft anschaut, deutet alles darauf hin, sogar wenn man es nur so knapp und oberflächlich tut, wie wir jetzt in diesem Beitrag.

  Bevor wir richtig anfangen, ist eine kleine sprachliche Klärung angebracht:  
  Monetäre Theorie:  
  Unter dem Begriff „monetäre Theorie“ können sich auch Nichtökonomen etwas vorstellen, was mehr oder weniger richtig ist - ganz falsch bestimmt nicht. Moneten ist eine volkstümliche Bezeichnung für Geld, deren Ursprung römisch ist. Eine Münzstätte erhielt damals den Namen der Göttin Moneta, woher diesen Namen dann auch das Geld erbte. Von diesem Wort leitet sich ebenfalls die deutsche Bezeichnung „Münzen“ ab. Es ist also völlig richtig, wenn der Laie mit der „monetären Theorie“ das verknüpft, was mit dem Geld zu tun hat: Banknoten und Münzen, Kredite, Schulden, Notenbanken, Banken, Börsen usw.  
  Reale Theorie:  
  Das Wort real ist sehr verbreitet und seine Bedeutung ist: richtig, wirklich, objektiv oder auch aufrecht u. a. m. In der Wirtschaftswissenschaft ist es anders. Unter „real“ und „reale Theorie“ wird all das verstanden, was nicht zum Bereich des „Monetären“ und der „monetären Theorie“ gehört. Unter real versteht man - schlicht aber sehr genau ausgedrückt - der Rest, der nicht auf das Geld bezogen ist. Vor allem ist da die Güterproduktion gemeint, also Maschinen, Rohstoffe, Arbeit usw. Natürlich sind Banknoten und Münzen, Banken und Börsen real existent, aber wenn man ökonomisch denkt, sollte man das einfach verdrängen.  
  Soviel zur Begriffserklärung.  

Der Vater der Wirtschaftswissenschaft bzw. der Marktwirtschaft, Adam Smith, war ein realer Theoretiker. Nach seiner Auffassung lässt sich die Wirtschaft bzw. die Funktionsweise der Marktwirtschaft real vollständig erklären. Das Geld und andere monetäre Phänomen können die Funktionsfähigkeit der Marktwirtschaft zwar fördern oder stören, aber ihre Einflüsse seien nicht sehr stark und hauptsächlich nur kurzfristig. Deshalb war es damals beliebt, das Geld mit einem „Schleier“ zu vergleichen, unter dem alles wie eine perfekte Maschine abläuft. Die Auffassung, die Funktionsweise der Wirtschaft sei nur wenig vom Geld beeinflusst, bezeichnet man auch als „geldneutral“.

Der Kapitalismus in dem Smith lebte, war noch ganz jung. So konnte er nicht einmal ahnen, dass dieser Kapitalismus nicht stabil funktionieren würde, sondern nach gewisser Zeit unerwartet und ohne irgendwelche äußeren Störungen zusammenbricht, so dass die folgende Massenarbeitslosigkeit einen nicht kleinen Teil der Bevölkerung ins Elend stürzt. Smith konnte sich das auch deshalb nicht vorstellen, weil die vorkapitalistischen wirtschaftlichen Ordnungen keine periodischen Krisen kannten und auch keine Arbeitslosigkeit. Es waren nur Seuchen, Kriege, Missernten und andere natürliche Katastrophen, die die Bevölkerung in bitteres Elend stürzen konnten, aber so etwas gehört nicht zu den eigentlichen ökonomischen Faktoren. 

Bald nach Smith‘ Tod kam die erste ökonomische Krise. Es schien, als würde sie nie zu Ende gehen. Man hat sie deshalb „säkulare Stagnation“ genannt. Die erste Generation von Marktökonomen - die bedeutendsten waren Ricardo und Malthus - war ratlos und verzweifelt. Deshalb werden sie auch als Ökonomische Pessimisten bezeichnet. Die neue Ordnung wurde prinzipiell in Frage gestellt. In der Tat, was würde ein „gewöhnlicher Mensch“ aus dem Volk lieber wählen: Ein Leben im Feudalismus in Armut, oder vielleicht ein etwas besseres, aber dafür mit dem Risiko, während der nächsten Krise zu verhungern?

Nun, die neue Klasse der Reichen wollte und konnte die Rückkehr der vorkapitalistischen Ordnung nicht zulassen. Und sie hatte schon Geld genug, den Widerstand zu finanzieren bzw. zu organisieren. Dieser Widerstand musste auch im Bereich des Geistigen, also als eine Ideologie formuliert werden. Das war die Geburtsstunde der neoliberalen Lehre.

Man musste die offensichtliche Tatsache, dass das neue System instabil ist, verdrängen und leugnen. Schon Say kam auf eine Spitzfindigkeit, warum die ökonomischen Krisen unmöglich sind. Die neu formulierte Markttheorie von Walras sollte ein strenger mathematischer Beweis dafür sein. Genauer ausgedrückt: Es war ein „Beweis“ dafür, dass die freie Marktwirtschaft im realen Bereich keine Probleme haben könne – wenn die Löhne und Zinsen nicht zu hoch sind. Wenn überhaupt, solle man den Fehler im monetären Bereich suchen. Diese Spitzfindigkeit ist auf fruchtbaren Boden gefallen. Die Krisen beginnen nämlich immer an der Börse. Und weil die Menschen schwer  Ursache und Folge voneinander unterscheiden können waren sie schnell bereit, die Börsianer für alles verantwortlich zu machen. Warum war das für den Kapitalismus gut? Die Schuld für alles, was schief läuft, wird auf eine kleine Gruppe beschränkt: das System selbst bleibt schuld- und fehlerfrei

Fügen wir dem nur noch hinzu, dass diese Naivität gerade Europa bitter bezahlt hat. Man hat während der Großen Depression (1929) die Börse mit den Juden verknüpft, woraus sich der Faschismus und Nationalsozialismus gebildet hat, den dann die Kapitalisten für die Rettung des Systems instrumentalisiert haben. Die Rettung ist zwar gelungen, war aber nicht einmal für die Kapitalisten zufriedenstellend. Deshalb will man diese Rettung heute nicht mehr. Aber was bleibt dann übrig?

Es wäre wunderbar, wenn man dem Geld als einem Abstraktum die ganze Schuld in die Schuhe schieben könnte. Für das Versagen des Systems wäre dann etwas verantwortlich, was einer natürlichen oder übernatürlichen Kraft nahekäme. Die sinnlosen Theorien über das Geld „aus dem Nichts“ haben gerade diese Funktion. Man bastelt aus dem Geld einen Strohmann, auf den sich die Wut der Verlierer des Systems abladen soll. Auch nur als Ablenkung ist die neoliberale Idee wie "privates Geld" oder "Geld ohne Staat" - darunter verstekt sich immer nur ein Schneeball- oder Pyramidensystem.

Das ist eine kurze rationale Erklärung, warum heute überall über das Geld gelabert wird. Die neoliberale monetäre Theorie bietet aber keine in sich schlüssige Argumentation. Was man dort beobachten ist allgemein bekannt: Je unklarer die Gedanken sind, desto länger die Rede. Gilt auch für Brichta, besser gesagt: für Brichta auch. Er hat keine Ahnung, aber er kann nicht anders als darüber zu sinnieren. Er ist ein Gefangener im neoliberalen Hamsterrad. Brichta kann theoretisch nichts davon erklären, was er zu kommen sieht, weil es weder eine reale noch eine monetäre neoliberale Theorie gibt, die das erklären könnte. Man kann suchen solange man will, mit dem Geld wird man die 3 Fragen, die im vorigen Teil gestellt wurden nicht beantworten können.

  • Warum kann das „Gelddrucken“ den Zusammenbruch aufschieben - wie es Brichta mit Recht behauptet?
  • Warum bricht die freie Marktwirtschaft eigentlich immer wieder zusammen?
  • Warum hat die jahrelange Geldflutung keine Inflation verursacht?

Nun werden wir diese Fragen beantworten, indem wir die Marktwirtschaft auf neue analytische Grundlagen (Paradigma) stellen.

Fortsetzung folgt

     
Keywords und Lesehinweise  
#Geld und was tun mit ihm?  
 
Ausführliche Fachartikel auf der Website:  
Überelegugnen der Ökonomen über das Geld und seine Funktionen lesen
Friedmans Geldregelung versus demokratische Geldschöpfung und Geldregelung lesen
Im eBook thematisiert:  
Marktwirtschaft neu denken: Teil II, Kapitel 8  
 
     
#Neoliberalismus  
 
Ausführliche Fachartikel auf der Website:  
Der Neoliberalismus - ein ideologischer Verrat an Liberalismus und Wissenschaft lesen
Im eBook thematisiert:  
Marktwirtschaft neu denken: Teil I, Kapitel 1.3  
 
     
     
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