Der Exportweltmeister und Michel ... dumm gelaufen und was nun? (Teil V)
Es gibt kein gutmütigeres, aber auch kein leichtgläubigeres Volk als das deutsche. … Keine Lüge kann grob genug ersonnen werden: Die Deutschen glauben sie. Um eine Parole, die man ihnen gab, verfolgten sie ihre Landsleute mit größerer Erbitterung als ihre wahren Feinde .
Napoleon Bonaparte
Die Deutschen scheinen ein tragisches Volk zu sein: Sie arbeiten hart, nehmen Gehaltseinbußen hin, um Arbeitsplatz und Export zu sichern, verdienen gut, sparen viel und werden doch immer ärmer. Das kommt davon, wenn man sich auf Staat und Politiker verlässt, die zwar üppige Sozialleistungen versprechen, doch nur trocken Brot liefern - bestenfalls. ... Das Volk mit der größten Wirtschaft in Europa fürchtet Massenarmut im Alter, wo doch die deutsche Wirtschaft von einem Erfolg zum nächsten eilt. Nur eben ohne die Deutschen.
Der Chefredakteur der neoliberalen Wirtschaftswoche (25. November 2013) Roland Tichy
Denk' ich an Deutschland in der Nacht, dann bin ich um den Schlaf gebracht.
Heinrich Heine
Was verbirgt sich eigentlich hinter dem Begriff „Reform“, den die neoliberalen dauernd verwenden? Tatsächlich das krasse Gegenteil von dem, was das Wort normalerweise aussagt. Es handelt sich um eine Rücknahme der Reformen, die nach dem Zweiten Weltkrieg etwa drei Jahrzehnte lang den Kapitalismus zum ersten Mal in seiner Geschichte gezähmt haben und endlich einmal Wohlstand für (fast) alle brachten. Der neoliberale Reformismus ist im strengsten Orwellschen Sinne des Wortes eine Konterrevolution. Wie es manche richtig gemerkt haben und vorhin auch erörtert wurde, diese Konterrevolution wurde durch das ökonomische Versagen des Kommunismus möglich.
„Ohne konkurrierende Idee muss sich das kapitalistische System nicht mehr rechtfertigen oder an anderen Maßstäben messen lassen“ - so der bekannte amerikanische Ökonom Lester Thurow etwa 10 Jahre nach dem Zusammenbruch des Kommunismus. „Der Kapitalismus hat der Arbeiterklasse den Krieg erklärt und er hat ihn gewonnen. … Das ist politischer Kannibalismus, und der hat mit demokratischen Idealen wenig zu tun. Den Tätern aber passiert erst mal nichts. Sie werden schlimmstenfalls entlassen, zuweilen immer noch mit hohen Abfindungen. Keiner wurde bisher verhaftet oder angeklagt. Dabei haben sie ein Tausendfaches der Schäden und Verluste angerichtet, die alle Kriminellen in der Vergangenheit verursacht haben. Da mag sich mancher fragen: Was sind die Mafia, Drogenbarone, Waffen- oder Menschenhändler gegen diese entfesselten Billionen-Akrobaten?“
Peter Glotz (1939-2005), als typischer „moderner“ Sozialdemokrat, der in seiner Jugend links rebelliert und im Alter sein Herz dem Kapitalismus schenkt, und als solcher auch ein Befürworter der Agenda 2010 wurde, stellte pessimistisch fest: „Manche Analytiker wissen ganz genau, daß der Sozialismus für allemal mausetot sei. Dafür spricht wenig. Die unvermeidliche Klassenspaltung im digitalen Kapitalismus wird so viel Erbitterung produzieren, daß die Nachfrage nach Remedur zwingend werden dürfte. Ob man die neuen Rezepte dann ,sozialistisch‘ nennt, ist egal.“
Eine noch düsterere Prognose kam von Carl Friedrich von Weizsäcker „Die Menschheit wird nach dem Niedergang des Kommunismus das skrupelloseste und menschenverachtendste System erleben, wie es die Menschheit noch niemals zuvor erlebt hat, ihr ,Armageddon‘. Das System, welches für diese Verbrechen verantwortlich ist, heißt ,unkontrollierter Kapitalismus‘.“
Mit dem Zusammenbruch des Kommunismus hat sich in einer ironischen Weise die Auffassung von Marx als richtig erwiesen, dass den Kapitalismus nur eine ökonomisch erfolgreichere Ordnung besiegen kann. Die von ihm erdachte kommunistische Wirtschaft war es aber nicht, folglich fiel die Geschichte um eine Stufe in den Kapitalismus vom Ende des 19. Jahrhunderts zurück, als er zusammenbrach. Wir leben heute im Kapitalismus, wie ihn schon Marx kannte. Er ist eine politische und ökonomische Ordnung, in der sich die soziale Schere spontan immer weiter öffnet, die periodisch zusammenbricht und dann Krisen produziert, die manchmal zum sozialen Genozid führen. Wohin führt das?
Wenn die Menschen nichts zu verlieren haben, rebellieren sie und machen Revolutionen. Das war schon immer so. Und schon immer haben die Machteliten das zu vermeiden versucht, indem sie die Menschen in den Krieg schickten. Kriege sind also keine Erfindung des Kapitalismus, aber er hat sie wie keine andere Ordnung nötig, weil die Konjunktur periodisch immer wieder zusammenbricht. Kann man über den heutigen Neoliberalismus, der im US-Imperium verkörpert ist, nicht dasselbe sagen, was Tacitus dem Senat sagte, als das Imperium Roman allmählich vor dem Untergang stand? „Ihrem Hochmut trachtet man vergeblich durch Gehorsam und Unterwürfigkeit zu entgehen. Als Räuber der Welt durchstöbern sie jetzt das Meer, nachdem ihnen, den Alleszerstörern, die Länder ausgegangen sind. Ist ihr Feind reich, so sind sie habgierig, ist er arm, sind sie unersättlich in ihrem Machtanspruch. … Verschleppung, Gemetzel und Raub benennen sie mit dem verlogenen Ausdruck Imperium, und wo sie eine Wüste schaffen, heißt das Frieden.“ Aus der Geschichte wissen wir, dass es nie schwierig ist, die Untertanen in den Krieg zu schicken. „Nun, natürlich, das Volk will keinen Krieg“ - sagte einmal Göring. „Warum sollte irgendein armer Landarbeiter im Krieg sein Leben aufs Spiel setzen wollen, wenn das Beste ist, was er dabei herausholen kann, daß er mit heilen Knochen zurückkommt. Aber schließlich sind es die Führer eines Landes, die die Politik bestimmen, und es ist immer leicht, das Volk zum Mitmachen zu bringen, ob es sich nun um eine Demokratie, eine faschistische Diktatur, um ein Parlament oder eine kommunistische Diktatur handelt.“
Hier und heute sollten wir uns dem Krieg mehr denn je widersetzen. Aus einem sehr gutem Grund.
Warum die „liberalen Demokratien“ diesmal nicht mehr mit Kriegen zu retten sind
Nein, nicht weil es so etwas nicht human und gerecht ist, und wir uns heute als zivilisierte Gesellschaft verstehen. Es ließen sich wie schon immer auch heute edle und gerechte Gründe finden in den Krieg zu ziehen. Etwas anderes soll uns vom Krieg abhalten: Wenn wir uns in den nächsten Krieg stürzen, werden wir ihn bestimmt nicht gewinnen. Für imperiale Kriege braucht man nämlich mehr Soldaten und bessere Waffen als der Gegner und das ist nicht mehr der Fall. Wir haben zu wenige Kinder im Vergleich zum Rest der Welt. Genug und hinreichend qualitätsvolle Waffen haben wir ebenfalls nicht, weil zum ersten Mal in mehreren Jahrhunderten der Rest der Welt ökonomisch stärker ist als die Mitgliedsländer der heutigen NATO. Außerdem zeigte sich vor kurzer Zeit auf eine drastische Weise, was die amerikanischen Waffen taugen, nämlich beim erfolgreichen Drohnenangriff der jemenitischen Huthi-Rebellen auf die größte Erdölanlage Saudi-Arabiens. An der nördlichen Grenze Saudi-Arabiens waren 88 einsatzbereite teuerste Patriot-Raketen stationiert, 52 davon in der neuesten Version PAC-3. Im Persischen Golf vor der Küste des Landes befanden sich unter anderem 3 mit dem AEGIS-Raketenabwehrsystem ausgestattete US-Zerstörer. Keine von mehr als 50 Drohnen wurde aufgespürt und vernichtet. „Kein einzelnes System wird in der Lage sein, eine solche Bedrohung abzuwenden“ - zitiert die Agentur Reuters den ratlosen Joseph Dunford, den Chef des Vereinigten Generalstabs der US-Streitkräfte.
Zu der Feststellung, es sei nie schwierig immer edle und gerechte Gründe für den Krieg zu finden, ist es angebracht etwas hinzuzufügen. Der heute beliebteste Grund für Krieg ist bekanntlich die Verbreitung der Demokratie und die Befreiung unterdrückter Völker von „Diktatoren“. Zu den schrecklichsten gehören Putin, Xi Jinping und neuerdings auch Erdogan aus dem NATO-Mitgliedsland Türkei. Wir müssen hier nicht ins Detail gehen und aufzählen, was diese „bösen“ Menschen ihren Völkern angeblich so schreckliches angetan haben. Uns geht es jetzt darum, was unsere Medien immer „vergessen“ zu sagen:
Nach der neoliberalen Reformation bzw. Revolution steigt in unseren „liberalen Demokratien“ der Druck auf den Arbeiter immer weiter und die Löhne fallen real oder stagnieren zumindest. In den „autoritären Regimen“ verbessert sich der Wohlstand aller Bürger dagegen immer weiter.
Man kann sich gut vorstellen, wie diese Tatsache unsere Reichen in den Wahnsinn treibt. Sie wissen allzu gut, woran es liegt. In den „autoritären Regimen“ ist die Wirtschaft in die Politik eingebettet, bei uns ist die Politik nur Handlanger und Alibi der Reichen, und so sollte es nach ihrer Meinung auch sein und für immer bleiben. Aber wenn die „autoritären Regime“ weiter besser wirtschaften und sozialer sind als wir, wird das unvermeidlich zu großen Problemen führen. Trotz aller Vertuschung und Lügen wird sich das irgendwann herumsprechen und den inneren Frieden in den „liberalen Demokratien“ gefährden. Das ist der wahre Grund, warum sich unsere Machteliten den Krieg gegen die „Diktatoren“ so sehnlich wünschen.
Wenn man aber über das Gesagte so nachdenkt, dann fragt man sich, ob wir uns nicht für „Diktatoren“ entscheiden sollen, wenn die „liberale Demokratie“ immer nur mehr Elend und Unterdrückung bringt. Das scheint uns desto vernünftiger, je mehr es offensichtlich ist, dass die real existierende „liberale Demokratie“ eigentlich weder liberal noch demokratisch ist. Denken wir auch darüber einmal nach.
Warum sollen wir uns trotzdem nicht für einen autoritären Kapitalismus entscheiden
Es gibt keinen Staat der Erde, der so viel Erfahrung mit dem autoritären Kapitalismus hat wie der deutsche. Wir wissen aus der Geschichte, dass er immer ökonomisch erfolgreicher und sozialer war als die freie Marktwirtschaft. „Das erste ökonomische Wunder in Deutschland, das zugleich der erste historische Fall war, dass eine rückständige Wirtschaft die damals fortschrittlichste (die englische) ein- und überholen konnte, hatte sich hauptsächlich in der Zeit des berühmten ,eisernen Kanzlers‘ Bismarck vollzogen. Dafür war nicht nur ein neues Schul- und Bildungssystem ausschlaggebend, sondern auch die gezielte staatliche Unterstützung der Wirtschaft und sogar der Monopole. Die Grundlage dieser Wirtschaftspolitik war die ,Theorie der produktive Kräfte‘, die sich zur sogenannten deutschen Historischen Schule der Nationalökonomie entwickelte. Ihr Vorläufer und wichtiger Wegbereiter war der bereits erwähnte Friedrich List. Er hat die Bedeutung der Konkurrenz nicht unterschätzt, aber die ,Kraft, Reichtümer zu schaffen‘, oder anders gesagt die „produktiven Kräfte“ zu stärken bzw. überhaupt erst einmal zu schaffen, hielt er für ,unendlich wichtiger‘ als die ökonomische Freiheit. Das bedeutet für die Praxis, dass der Staat mit verschiedenen Maßnahmen und Mitteln neue Betriebe und Wirtschaftszweige gezielt fördern soll. Erwähnen wir noch einmal, dass sich auch Japan, als es sich in der Meiji–Zeit im 19. Jahrhundert industrialisierte, vornehmlich an der Idee der Stärkung der „produktiven Kräfte“ von List als an der des Freihandels orientierte, die ,kleinen Tiger‘ sowie China seit dem späten 20. Jahrhundert ebenfalls.“ Aber sobald Deutschland das British Empire ökonomisch überholt hatte, riss das erstarkte deutsche Kapital die Politik an sich und begann mit dem Krieg um Kolonien. Das (vorgebliche) Ziel war - für die damalige Zeit - edel: Die ungerechte Verteilung der Kolonien sollte beendet werden. Einer der bekanntesten Soziologen des vorigen Jahrhunderts, Max Weber, hat dies mit seiner ganzen Autorität bekräftigt: „Wollen wir diesen Krieg nicht riskieren, so hätten wir die Reichsgründung unterlassen sollen.“
Nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg hat sich Deutschland von des Kaisers autoritärer Ordnung befreit und ist zur liberalen Demokratie geworden. War die Wirtschaft zuvor in die Politik eingebettet, so wurde jetzt die Politik in die Wirtschaft eingebettet. Das Kapital hat mit bestialischer Brutalität die Dogmen der freien Marktwirtschaft durchgesetzt. Es wurde aber alles immer schlechter, woraus man folgerte, dass die Dosis der neoliberalen Medizin noch erhöht werden müsse. Mit einem
werden einige der charakteristischen Stationen an diesem Weg zum Untergang aufgezeichnet, die so unverkennbar all dem ähneln, was wir mit Agenda 2010 beim Kanzler Schröder dann erlebt haben. Würde nun jemand sagen wollen, dass sich die Geschichte nicht wiederholt? „Das erste Land, das die im Innern unpopulären Opfer auf sich nehme, werde ,an die Spitze kommen‘ - so damals der Reichskanzler Brüning Anfang Oktober 1930. Deutschland konnte aber nicht an die Spitze kommen, dafür kam an die Spitze Deutschlands der Landstreicher Hitler. Nun wurde die Wirtschaft wieder in die Politik eingebettet, mit dem Ergebnis, dass Hitler sozusagen über Nacht ein Land – in dem durch Anwendung der neoliberalen Dogmen ein sozialer Genozid herbeigeführt wurde – ökonomisch zu einem einmaligen Erfolg führte. Dieser Erfolg lässt sich ohne Übertreibung als das Zweite deutsche Wirtschaftswunder bezeichnen. Das ist Hitler gelungen, indem er das Geld in die Hand nahm und es investierte, womit er die fehlende Nachfrage schuf. „Hitler hatte ein Mittel gegen die Arbeitslosigkeit gefunden, bevor Keynes seine Erklärung zu Ende geführt hatte, warum es überhaupt Arbeitslose gab“ – so hat es die bekannte Keynesianerin der ersten Stunde, Joan Robinson, auf den Punkt gebracht. Und der Diktator war auch sozial: „Nicht nur die Beseitigung der Arbeitslosigkeit machte die Anziehungskraft des Faschismus aus. In Frankreich sind zum Beispiel „die wichtigsten Elemente des umfangreichen Wohlfahrtsstaates - Rentenversicherung, Kindergeld und die technokratische Überwachung der Wirtschaft - von dem faschistischen Vichy-Regime geschaffen worden, das während des Zweiten Weltkriegs mit Hitler kollaborierte“ (Greider: 503). Kein Wunder, dass Hitler in ganz Europa als Wohltäter und Menschenfreund bewundert wurde, etwa bei den spanischen Frankisten, den italienischen Anhängern Mussolinis, den kroatischen Ustascha - und selbst bei einigen serbisch-orthodoxen Popen. Einer von ihnen, der Hochwürdige („vladika“) Nikolaj Velimirović, erblickte in Hitler sogar einen Missionar, der mit dem Heiligen Sava (1175-1236) zu vergleichen sei, dem Begründer der serbisch-orthodoxen Kirche.“ Wie das endete, wissen wir.
Wir können daraus folgern, dass sich ein autoritärer Kapitalismus doch nicht lohnt. Sogar wenn er nicht zum Krieg führt, verwandelt er sich auf die eine oder andere Weise irgendwann (wieder) in eine „liberale Demokratie“.
Bleibt dann nur der Sozialismus übrig? Ein Sozialismus, wie wir ihn bisher kannten, wäre auch keine Lösung. Weil er ökonomisch nicht effizient sein kann, würde auch er auf irgendwelchen Wegen schließlich in einer „liberalen Demokratie“ enden. Aber was soll man dann tun?
Wenn die freie Marktwirtschaft heute die gleichen Ergebnisse bringt wie schon im 19. Jahrhundert, dann kann keine Rede davon sein, die ihr zugrunde liegende (neoliberale) Theorie sei richtig, aber sie würde noch immer nicht richtig angewandt. Wie Einstein sagte: „Die Definition von Wahnsinn ist, immer wieder das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten.“ Es kann also nur bedeuten, dass die neoliberale Theorie nicht richtig sein. „Diese ,supply-side economics‘, die rein angebotsorientierte Wirtschaftspolitik, ist ganz offenkundig blanker Blödsinn“ - so der berühmte amerikanische Ökonom Paul Krugman. „Jene absurden und törichten Vorstellungen, die unter dem Etikett ,supply-side economics‘ (angebotsorientierte Wirtschaftspolitik) kursieren, nähme mit Sicherheit kaum jemand ernst, stünde diese Doktrin nicht den Interessen der Wohlhabenden so nahe und würde sie von diesen über die einschlägigen Medien nicht systematisch im Gespräch gehalten.“ Schon vor knapp einem Jahrhundert hat diese Theorie zur Großen Depression geführt, dem bisher fatalsten Versagen des Kapitalismus. Der größte Ökonom des vorigen Jahrhunderts, John M. Keynes, stellte fest: „Die Ideen der Nationalökonomen und der politischen Philosophen, gleichgültig, ob sie nun richtig oder falsch sind, sind von weit größerem Einfluss, als man gemeinhin annimmt. In Wirklichkeit wird die Welt von fast nichts anderem regiert. Praktiker, die sich frei von jeglichem intellektuellen Einfluss wähnen, sind gewöhnlich die Sklaven irgendeines verstorbenen Nationalökonomen. Ich bin überzeugt, dass die Macht erworbener Rechte im Vergleich zum allmählichen Durchdringen von Ideen übertrieben ist. Diese wirken aber nicht immer sofort ... Aber früher oder später sind es Ideen, und nicht erworbene Rechte, von denen die Gefahr kommt, sei es zum Guten oder zum Bösen.“ Nicht ganz direkt, aber doch klar genug, hat er damit beantwortet, was zu tun ist: Wir brauchen neue Ideen einer ökonomischen Ordnung.
Warum wir uns beeilen müssen
Die „Diktatoren“ sind nicht nur böse, sondern auch dumm, wird uns in den Medien von allen Politikern, Experten und Autoritäten berichtet, unsere Volksvertreter und Machteliten dagegen sorgen sich ständig um unser aller Wohl. Die „Diktatoren“ hätten angeblich nie etwas anderes im Sinne als ihr Volk auszurauben und es aus reinem Machtwahn zu drangsalieren. Vielleicht stimmt das manchmal, aber nicht sehr oft. Genau so war es angeblich im Kommunismus - so beteuert man immer. Auch hier soll man nicht einfach glauben, sondern Mut fassen sich des eigenen Verstandes zu bedienen. Die geschichtlichen Tatsachen sagen nämlich etwas ganz anderes.
Sowjetunion
Nach dem Sieg der Oktoberrevolution wollte Lenin eine Gesellschaft ohne Privatkapital, aber auch eine ohne Staat verwirklichen: „Jede Köchin sollte den Staat verwalten“. Und zwar nach dem Muster der Pariser Kommune, die Marx als Vorbild für die kommunistische Gesellschaft vorgeschlagen hat. Es ging dort im Grunde um direkte Demokratie auf allen Ebenen, sogar in den Betrieben („industrielle Demokratie“). Als das Experiment scheiterte, wollte Lenin zurück zum staatlichen Kapitalismus, aber dann starb er. Stalin hat dann eine totale Planwirtschaft eingeführt, die am Anfang ein ökonomisches Wunder war. Es hat aber nicht lange gedauert, bis sich zeigte, dass diese Wirtschaftsordnung nicht innovativ sein kann, so dass es bald zur Stagnation kam. Gorbatschow, der unfähigste und dümmste aller russischen Herrscher hat dann mit seinen sinnlosen Ideen den Sozialismus in Abgrund gestoßen. Danach begann der brutale Neoliberalismus unter dem trunksüchtigen Jelzin - den wir für einen großen Demokraten hielten und als solchen feierten -, was mit einer unvorstellbaren ökonomischen Katastrophe endete. Wen wundert dann, dass seitdem für eine gewaltige Mehrheit der Russen das Wort „liberal“ als Schimpfwort gilt. (mehr...) Und dann kam Putin, der die kollabierte Wirtschaft rettete und bis heute mit Abstand der populärste Politiker geblieben ist - populär wie kein westlicher Politiker.
VR China
Als die russische Revolution begann, gab es in Russland eine, wenn auch kleine, Arbeiterklasse, die chinesischen Kommunisten hatten für ihre Revolution nur Bauern. In einem feudalen Land ohne Industrie, in dem nur das Land für das Überleben sorgte, waren 70 % des Volkes ganz ohne Landbesitz. Man braucht wenig Phantasie sich vorzustellen, wie die Landbesitzer mit den Landlosen umgegangen sind. Dass ihre Enteignung das Leben des größten Teils des Volkes sprunghaft verbessern würde, ist der nächstliegende Gedanke, der sich dem gesunden Menschenverstand geradezu aufdrängt. Mao Zedong hat den Boden kollektiviert, allerdings kombiniert mit der ziemlich dummen Idee, die Arbeitsteilung aufheben zu wollen. In seinem bäuerlichen Kommunismus sollten nämlich die Bauern alles selbst produzieren. Sie sollten sogar auf ihren Herden - das ist kein Scherz - Erz schmelzen, um Eisen herzustellen und es dann zu verarbeiten. Das war zwar im Einklang mit den Auffassungen des jungen Marx über die Aufhebung der Arbeitsteilung (die es in dem posthum erscheinen Kapital III nicht mehr gibt). Der bäuerliche Kommunismus ohne Arbeitsteilung führte schnell in eine Katastrophe. Dann hat Mao Zedong die Stalinsche totale Planwirtschaft übernommen. Als klar wurde, dass sich auch mit ihm der Kommunismus - das märchenhafte Endziel des Sozialismus - nicht verwirklichen lässt, haben sich die Nachfolger von Mao Zedong für einen Kapitalismus unter der Aufsicht der Kommunistischen Partei entschieden. Damit haben sie sich im Grunde die Erfahrung von Japan und den „Kleinen Tigern“ zunutze gemacht, die - heben wir es noch einmal hervor - ihrerseits auf der Erfahrung des deutschen Kaiserreichs bzw. des Ersten deutschen Wirtschaftswunders beruhte.
SFR Jugoslawien
Die Erfahrung mit dem Sozialismus in Ex-Jugoslawien ist auch interessant. Nach der Befreiung des königlichen Jugoslawien von den Nazis unter dem Kommunisten Tito - es war ein Epos wie der chinesische Lange Marsch, nur im Kleinen - hat man zuerst begonnen die sowjetische Planwirtschaft nachzuahmen. Es wurden aber im Laufe der Zeit immer mehr demokratische Elemente hinzugefügt. In der Konstitution des Jahres 1974 wurde der „Selbstverwaltung-Sozialismus“ eingeführt. Im Grunde ging es um direkte Demokratie, die überall, auch in den Betrieben, eingeführt wurde. Es war in der Tat eine dermaßen weitreichende direkte Demokratie, wie man sie noch nicht einmal in der Schweiz findet. Nahezu alle Bürger hatten das Gefühl im freiheitlichsten Staat der Erde zu leben, was nicht einmal eine große Übertreibung war. In der Tat musste sich z. B. ein Amerikaner keine Sorgen machen, wenn er ein Visum brauchte, um das Land nach Belieben zu bereisen. Für einen Jugoslawen, der Amerika bereisen wollte, war das eine sehr ungewisse oder gar unmögliche Angelegenheit.
Wenn man Freiheit und Demokratie allerdings streng mit einer Vielfalt politischer Parteien gleichsetzt, dann wäre das jugoslawische Experiment natürlich ein Totalitarismus gewesen. Man wählte nämlich keine Parteien, sondern nur Personen, und zwar weil man meinte, diese würden sich vor ihren Wählern persönlich verantworten müssen und sich nicht hinter den Parteien verstecken können. In Praxis hat aber doch jeder sein eigenes Süppchen gekocht - nicht anders als in den Parteiendemokratien. Im Grunde war der Selbstverwaltung-Sozialismus nur ein weiterer Versuch, den Staat „absterben zu lassen“, wie bei Lenin, weil „jede Köchin den Staat verwalten kann“. Und das Ergebnis war dasselbe. Schon nach einem Jahrzehnt war die Wirtschaft zugrunde gerichtet. Es hat sich auf eine groteske Weise auch hier die Auffassung von Marx als richtig erwiesen, dass eine Alternative zum Kapitalismus, die nicht ökonomisch effizienter ist, keine historische Chance hat.
Beispiele:
Diese Beispiele sind nur wenige von vielen die zeigen sollen, dass der Rest der Welt nicht im Entferntesten so aussieht, wie man unseren Kindern in der Schulen und an den Universitäten erzählt und wie es uns von den Medien, Experten und Politikern dauernd vorgaukelt wird. Es mag sein, das bei oberflächlicher Betrachtung in den „autoritären Regimen“ eine kleine Machtelite herrscht, aber in der ganzen Geschichte bis heute war immer und überall so. Und Machteliten wollen für immer herrschen, deshalb ändern sie ihre Strategie wie es ihnen gerade passt. Sie können allerdings in der Tat einen guten Zeitpunkt für einen solchen Strategiewechsel verpassen oder sich für eine falsche Strategie entscheiden. Das ist der Fall mit unseren westlichen Machteliten, die starrköpfig auf die freie Marktwirtschaft setzen, die bisher nur mit viel Glück die Konkurrenz mit anderen Strategien überlebt hat. Aber dieses Glück hat sie verlassen. Es ist also am Volk, an uns allen, über eine andere Strategie als Alternative nachzudenken. Dies beginnt mit einem Paradigmenwechsel in der Theorie der Marktwirtschaft. Sonst wäre der Untergang des Abendlandes besiegelt, im schlimmsten Fall käme der wahrscheinlich letzte aller Kriege.
Warum gerade WIR, die Deutschen, immer noch bessere Chancen haben