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Fortsetzung:

Warum gerade WIR, die Deutschen, immer noch bessere Chancen haben

Nein, nicht deshalb, weil wir den andern Völkern überlegen wären. So zu denken ist der alte Fehler aller Zivilisationen, die erfolgreich waren. Dann haben nämlich die Menschen, auch und gerade die klügsten Köpfe - wie etwa Platon und Aristoteles im antiken Griechenland - ganz selbstverständlich angenommen, die anderen Völker seien geistig minderbemittelt oder einfach dumm. Irgendwann wurden diese hochmütigen Kulturen von den verachteten Völkern besiegt, die dann auch zu einer hohen Kultur gelangten und den gleichen Fehler wiederholten. Erinnern wir uns nur, wie lange wir für Barbaren gehalten wurden. Mancher wird sich vielleicht wundern, aber das gilt auch für den Islam, als er auf der Höhe seiner Macht war. Bekanntlich hatten die hochgebildeten Gelehrten aus dem Morgenland, wie der große Ibn Chaldum, noch im ausgehenden 14. Jahrhundert nur geringes Interesse am christlichen Europa gezeigt. „Weiß Gott, was dort vorgeht“, bemerkte er. Zwei Jahrhunderte davor war Said Ibn Achmed, der Kadi von Toledo, noch davon überzeugt, von den Barbaren des Nordens sei nichts zu lernen. Diese hätten nach seiner Einschätzung mehr Ähnlichkeit mit wilden Tieren als mit Menschen. Oder vergleichen wir die Flotte von Kolumbus, mit der Amerika entdeckt wurde, mit der chinesischen. Diese war etwa vier Mal so groß wie die von Kolumbus, sie segelte über die Weltmeere und hatte 28 000 Soldaten an die Ostküste Afrikas gebracht. Der chinesische Kaiser sah aber in diesen technischen Möglichkeiten eine Gefahr für die inländische Ruhe und schließlich für seine Macht und deshalb befahl er überraschend alle Schiffe zu verbrennen, die Logbücher zu vernichten und verbot Fahrten über die Sichtlinie der chinesischen Küste hinaus. ... >

In der Tat haben die europäischen - germanische, romanische, slawische - Völker bzw. Stämme noch in armseligen Hütten gelebt, als es andere Völker zu großen zivilisatorischen Entdeckungen gebracht haben. Und das waren nicht nur handwerkliche Entdeckungen, wie etwa Porzellan oder Papier, auf die man einfach „mit der Nase stößt“, sondern auch geistige. Nur ein Beispiel: Mathematiker wissen, dass ohne die Zahl genannt Null die heutige Mathematik unmöglich wäre. Die Zahl Null wurde aber nicht von einem europäischen Volk, sondern von den Indern entdeckt bzw. erstmals gedacht. Wir sollten unserer neoliberalen Propaganda nicht leichtsinnig abnehmen, die anderen Völker seien nicht so innovativ und kreativ wie wir, oder wir seien Übermenschen bzw. wie man heute in Amerika sagt „exzeptionell“, was ziemlich genau dasselbe bedeutet. Hüten wir uns davor, so zu denken, weil das eher symptomatisch ist für Zivilisationen ist, die vor dem Untergang stehen. Anstatt dessen sollten wir uns auf unsere immer noch gute Situation besinnen. Wo haben wir immer noch einen Vorsprung?

Es ist großartig und einzigartig, was die Völker des „Abendlandes“ in den letzten Jahrhunderten erreicht haben. Zuerst haben sie über die christliche Religion gesiegt, die ein Desaster war. Im ökonomischen Sinne brachte sie nur Elend, ja sie ist sogar für den großen Produktionsrückgang nach dem Untergang des Imperium Romanum mitverantwortlich. Außerdem war das Christentum eine so brutale und intolerante Religion wie kaum eine andre: Erinnern wir uns nur an die Scheiterhaufen und kirchlich institutionalisierte Folter. Und trotzdem ist in diesem Teil der Welt das entstanden, was heute als Humanismus, Aufklärung und Rationalismus bekannt ist. Das war der Weg zur Entwicklung der modernen Wissenschaften, die einen materiellen Fortschritt gebracht haben, wie man ihn sich davor nicht im Traum hätte vorstellen können. Dieser war die materielle Basis für die Entwicklung der Literatur und der anderen Künste. Zuvor haben sich die Zivilisationen nicht so sehr voneinander unterschieden, aber die moderne westliche lässt sich mit keiner früheren vergleichen.

Einen solchen geistigen Umbruch gab es in der ganzen Geschichte der Menschheit wahrscheinlich niemals sonst, eventuell nur beim Übergang von der primitiven Lebensweise in die Zivilisation, aber darüber wissen wir nichts Genaues. Während der Epoche der Aufklärung wurden alle wichtigen Weichen in Richtung „moderne Welt“ gestellt, nicht nur für die empirischen Methoden bzw. Wissenschaften und den technischen Fortschritt. Erst seitdem spricht man auch von menschlicher Vervollkommnung, Gleichheit, individueller Freiheit, Gemeinwohl und universalen Menschenrechten, um nur das Wichtigste zu erwähnen. ... >

Nichts spricht dafür, dass die Menschen früherer Zeiten überhaupt das Bedürfnis hatten, Näheres über die Welt zu erfahren, also die Gesetze zu entdecken, wie die Natur aufgebaut ist und wie sie funktioniert. Das galt damals als eine Anmaßung, die Gott missfallen würde. In keiner der vormodernen Kulturen hat man sich für Reproduzierbarkeit und Gleichmäßigkeit – Gesetzmäßigkeit – des Weltlaufes interessiert, die das Wesen der wissenschaftlichen Erkenntnis im modernen Sinne ausmachen. Für geistige Aufregung sorgten immer nur Ausnahmen von gewohnten Abläufen in der Natur oder im menschlichen Leben, also „Wunder“ oder man würde heute eher sagen Sensationen. Besonders typische Beispiele hierfür sind auffällige, seltene Phänomene wie ein am Himmel vorüberziehender Komet oder ein schwerer Seuchenzug. Jeder zerbrach sich dann den Kopf, welches Zeichen oder welche Botschaft Gott den Menschen damit senden wollte. Die damals von den Herrschern anerkannten Experten für die Beantwortung solcher Fragen waren Priester, die dann eifrig in den heiligen Schriften wühlten, während das gemeine Volk in gespannter Erwartung auf ihre erleuchtete Auskunft wartete. Nicht in den allgemeingültigen Gesetzen der Realität sollte die Erklärung zu finden sein, sondern in den Andeutungen und mehrdeutigen Botschaften der Heiligen und Propheten. ... >

Eine besondere Rolle in der Entwicklung der westlichen Zivilisation hatte gerade Deutschland. Die „verspätete Nation“. führte noch innere feudale Kriege, als die westlichen Nachbarn schon mit der Aufklärung begonnen und die Marktwirtschaft eingeführt haben. Aber irgendwo in der Mitte des 19. Jahrhunderts erwachte die „verspätete Nation“ und alles ging fast unglaublich schnell voran. In nur wenigen Jahrzehnten hat eine feudale Gesellschaft ökonomisch den damals fast schon alten Kapitalismus eingeholt und überholt. Das geschah nicht, weil Deutschland etwa das neoliberale Modell des British Empire einfach kopiert hätte. Es war eine neue ökonomische Strategie, der eine geistige Revolution vorausging, die eine besondere intellektuelle Stimmung in Deutschland geschaffen hat. Zum einen war diese geistige Strömung das Ergebnis einer spezifisch deutschen Philosophie und zum anderen der deutschen historische Schule in der Nationalökonomie.

Zur Philosophie:

Kant verlangt in seiner Sittenlehre („kategorischer Imperativ“) bedingungslosen Gehorsam dem Staat gegenüber, der selbst aber sittlich sein soll, und zwar aus rationalen Gründen. Seine Philosophie war in dieser Hinsicht vielleicht nicht antimodern, aber modern ganz bestimmt nicht. Wenn ihn heute die Liberalen zu einem von ihnen machen wollen, tun sie nur das, was sie immer tun und am besten können: stehlen. Für Hegel ist „der Staat die Verwirklichung der sittlichen Idee. Der sittliche Geist offenbart sich und denkt sich im Staate.“ Den Staat zu würdigen ist zwar keine originelle Idee, an sich aber auf keinen Fall antimodern; erinnern wir uns nur an Hobbes. Spezifisch deutsch daran ist die ausdrückliche Betonung auf „sittlich“.

Zur deutschen historischen Schule der Nationalökonomie:

Die atomistische Konkurrenz der Liberalen war schon immer ein Märchen, die Wirklichkeit ist die Herrschaft der Monopole. Was dies betrifft, war der Liberalismus schon immer nicht nur auf einem Auge blind, sondern auf beiden. Hier traf die Marxsche Kritik des Liberalismus ins Schwarze. Er hat die Lüge entlarvt, auf der die ganze neoliberale Theorie beruht. Die deutschen Ökonomen haben aus der unausweichlichen monopolitischen Tendenz des Kapitalismus gefolgert, dass der Staat ein besserer, also ein sittlicherer, Monopolist sein kann und wird. „Der Glaube an die Harmonie der Interessen“, sagte Bismarck damals, „hat in der Geschichte bankrott gemacht. Gewiss kann der einzelne viel Gutes tun, aber die soziale Frage lösen kann nur der Staat“. Es stimmt, dass Friedrich List (1789-1846), der bedeutendste deutsche Nationalökonom von der Praxis der Vereinigten Staaten gelernt hat, aus dem von ihm so genannten American System. Damit ist die protektionistische Wirtschaftspolitik gemeint durch die sich Amerika unter dem ersten Finanzminister Alexander Hamilton industrialisiert hat. Aus dieser Erfahrung hat List sein Strategiemodell einer „nachholenden“ Entwicklung formuliert, das nationale System der Politischen Ökonomie, das es Deutschland, der „verspäteten“ Nation, schließlich ermöglichte, den englischen Entwicklungsvorsprung aufzuholen.

 

 Darüber, wie und warum der deutsche autoritäre Kapitalismus versagt hat, ist oben genug gesagt worden. Jetzt ist für uns eine andere Besonderheit des deutschen Weges zur Moderne wichtiger. Um das British Empire einzuholen und zu überholen, hat der deutsche Staat im ersten Schritt das Bildungswesen radikal und originell reformiert. War für die damaligen Liberalen der obsessive Konsument der beste Bürger, so war es für den damaligen deutschen Staat ein aufgeklärter Bürger. Man kann sogar sagen, dass der liberale Kapitalismus nach dem Aufstieg des British Empire die Idee der Aufklärung verraten und fast getötet hat und diese Ideen gerade in Deutschland eine Renaissance erfuhren. Man würde kaum übertreiben, wenn man sagte, die Deutschen wurden zu dem ersten allgemein gebildeten Volk in der ganzen Geschichte. <a name="WWunder">&nbsp; </a>

Anders als die verbreitete Meinung, war der Vater der Marktwirtschaft Adam Smith ein Moralphilosoph und Humanist, der sich ein ausgebildetes Volks wünschte - und zwar durch öffentliche Bildung. In Deutschland hat man dies noch bei weitem übertreffen wollen. Der Bürger, den man in die Lage versetzen wollte, selbständig für sich verantwortlich zu handeln, sollte gut gebildet und erzogen sein. Und damit wurden nicht nur bestimmte Stände gemeint, sondern die ganze Nation, auch das gemeine Volk. Die Bildung sollte nicht die Sache der Herkunft und Standes sein. Humboldt, der 1808 die Leitung der Abteilung Kultus und Unterricht übernahm, hing einem humanistischen Bildungsideal an, also der Auffassung, der zufolge eine allgemeine Menschenbildung dem zweckdienlichen Wissen für die verschiedenen Berufe vorausgehen sollte.

„Jeder ist offenbar nur dann ein guter Handwerker, Kaufmann, Soldat und Geschäftsmann, wenn er an sich und ohne Hinsicht auf seinen besonderen Beruf ein guter, anständiger, seinem Stande nach aufgeklärter Mensch und Bürger ist. Gibt ihm der Schulunterricht, was hierzu erforderlich ist, so erwirbt er die besondere Fähigkeit seines Berufs nachher sehr leicht und behält immer die Freiheit, wie im Leben so oft geschieht, von einem zum anderen überzugehen.“

An die Stelle der früheren privaten, kirchlichen, städtischen oder korporativen Bildungseinrichtungen trat ein staatlich organisiertes und überwachtes Schulsystem, gegliedert in Volksschule, Gymnasium und Universität. Die allgemeine Schulpflicht wurde eingeführt, es wurde staatlich vorgeschrieben was wo und wann gelehrt werden sollte und es wurden staatlich anerkannte Leistungskriterien als Voraussetzung für die weiteren Bildungsstufen geschaffen, wo eine im Sinne von Humboldt reformierte Universität stand, an der die Studenten durch Teilnahme an der Forschung selbständiges Denken und wissenschaftliches Arbeiten erlernen sollten.

Dies alles mag uns heute als selbstverständlich vorkommen, da es sich in verschiedenen Variationen über die ganze Welt verbreitet hat. Es war aber wirklich eine großartige Errungenschaft. Man würde kaum übertreiben, wenn man sagte, die Deutschen wurden zu dem ersten allgemein gebildeten Volk in der ganzen Geschichte. Und in der Tat wurde von diesem Bildungssystem eine fast unglaubliche Menge von hervorragenden Wissenschaftlern hervorgebracht. Es gab keine Wissenschaft, in der Deutsche nicht in den vordersten Reihen dabei waren. Deutschland wurde zum Volk von Genies.

War die Heimat der Ersten industriellen Revolution England, war die der Zweiten Deutschland. Und das war das Ergebnis der Bildung und Ausbildung. Die Entwicklungen in der Chemie, der Wärmelehre - welche der Erfindung der Verbrennungsmotoren vorausging - in der Elektrotechnik, Optik und Atomphysik, können nicht das Ergebnis der leidenschaftlichen und scharfsinnigen Laientüftler in der Garage sein, sondern nur ein Werk von Menschen die im Denken gut geübt waren und systematisierte Kenntnisse über die Natur besaßen. Und gerade dafür waren die Bedingungen in Deutschland am günstigsten.Und in der Tat wurde von diesem Bildungssystem eine fast unglaubliche Menge von hervorragenden Wissenschaftlern hervorgebracht. Es gab keine Wissenschaft, in der Deutsche nicht in den vordersten Reihen dabei waren. Deutschland wurde zum Volk von Genies. Am einfachsten lässt sich das am Vergleich der Ersten und Zweiten industrielle Revolution zeigen. Die Erste industrielle Revolution hat so gut wie nichts mit der modernen Wissenschaft zu tun. Sie war eine Errungenschaft der Bastler - kein Wunder, dass Marx unter dem Eindruck dessen über die Aufhebung der Arbeitsteilung sinnierte. Die Zweite industrielle Revolution ist „im Wesentlichen eine andere. Man kann sie als eine Verwissenschaftlichung der Produktionsmethoden bezeichnen. Die neuen Industriezweige hatten ihre Wurzeln in theoretischen Erkenntnissen in der Chemie, Optik, Wärmelehre (welche der Erfindung der Verbrennungsmotoren vorausging), Elektrotechnik und später Atomphysik. Sie waren nicht das Werk der leidenschaftlichen und scharfsinnigen Laientüftler in der Garage, sondern der Menschen, die im systematischen Denken gut geübt waren und umfangreiche fachtheoretische Kenntnisse besaßen. Die Bedingungen für die „Erschaffung“ solcher Menschen waren damals in Deutschland am günstigsten. Sie haben sich dort nicht zufällig so ergeben, sondern waren von der Politik gezielt eingerichtet worden.

Wir stellen also fest: Das Erste deutsche Wirtschaftswunder war auch das Ergebnis eines Schulsystems, wie es bis dahin in noch in keinem anderen Land existierte

Deutschland: Eine aus dem Wirtschaftswunder geborene moderne Nation mehr

 

 

Durch die preußischen Reformen - nach ihren Hauptinitiatoren auch Stein-Hardenbergsche Reformen genannt - sollte sich das rückständige Deutschland modernisieren, aufbauend auf „das dreifache Primat der Waffen, der Wissenschaft und der Verfassung“. Den Reformen im Ausbildungswesen, die hauptsächlich von Wilhelm von Humboldt entworfen wurden, kam in der Konzeption der Reformer eine Schlüsselstellung zu. An die Stelle der früheren privaten, kirchlichen, städtischen oder korporativen Ausbildungseinrichtungen trat ein staatlich umfassend organisiertes und kontrolliertes Schulsystem, gegliedert in Volksschule, Gymnasium und Universität. Die allgemeine Schulpflicht wurde eingeführt, es wurde staatlich vorgeschrieben was wo und wann gelehrt werden sollte und es wurden staatlich anerkannte Leistungskriterien als Voraussetzung für den Zugang zu den höchsten Ausbildungsstufen geschaffen, wo eine im Sinne von Humboldt reformierte Universität stand, an der die Studenten durch Teilnahme an den praktischen wissenschaftlichen Forschungen selbständiges theoretisches Denken erlernen sollten. Ausbildung und technisches Fachwissen wurden somit Voraussetzungen für den sozialen Aufstieg.“ ... > Es ist nicht übertrieben zu sagen, dass die Zweite industrielle Revolution vor allem in deutschen Köpfen entstanden ist.

Damals wurde die Welt auf Deutschland aufmerksam und sein guter Ruf hält bis heute an. Die Welt weiß und schätzt es, dass die Deutschen das „erste allgemein gebildete Volk in der ganzen Geschichte“ waren. Es ist irgendwie seltsam, dass dieser Respekt immer noch vorhanden ist, trotz zweier Weltkriege und des Genozids an den Juden. Das ist wirklich schwer rational zu erklären, es gibt eigentlich nur eine Möglichkeit: Es zeigt, dass der Mensch nicht nur ein Konsument ist, sondern auch ein geistiges Wesen sein will. Vielleicht war es schon immer so. Der Überlieferung zufolge soll nämlich am Eingang des Tempels von Delphi die Inschrift „Erkenne dich selbst“ angebracht gewesen sein. Marsilio Ficino (1433-1499), eine Zentralfigur der Renaissance, fügte noch provokant hinzu: „Erkenne dich selbst, o göttliches Geschlecht in menschlicher Verkleidung!“ Und als der Liberalismus diese geistige Seite des menschlichen Wesens tötete und Konsumismus, Hedonismus und Egoismus als „wahre“ menschliche Natur postulierte, hat der deutsche Geist versucht sie zu retten. Ansonsten ließe sich nicht erklären, warum die Welt den Deutschen manches verziehen hat. Das kann uns nur recht sein. Ja, wie das Sprichtwort sagt: Glück muss man haben!

Machen wir uns aber trotzdem nichts vor. Jede Erfindung in der menschlichen Geschichte wurde kopiert und von anderen genutzt und weiterentwickelt. Wenn wir nichts tun, wird uns die Welt irgendwann vergessen und ohne uns weitermachen. Das sollten wir uns nicht antun. Wir sollten unsere Chance nutzen. Zum einen, weil wir ein so großes geistiges Erbe haben wie kaum ein andres Volk, zum anderen weil wir aus den eigenen Fehler lernen können. Wir sollten und die Aufgabe stellen, wie es damals die deutschen Nationalökonomen ganz offen gesagt haben, nämlich den real existierenden „Kapitalismus dahin zu schicken, woher er gekommen ist: zum Teufel“. Das hat der Generalsekretär der deutschen Liberalen (FDP) nach dem Zeiten Weltkrieg, Karl-Hermann Flach, auf den Punkt gebracht: „Die Befreiung des Liberalismus aus seiner Klassengebundenheit und damit vom Kapitalismus ist daher die Voraussetzung seiner Zukunft.“ Das wäre nichts anderes als die richtig verstandene Botschaft des Wealth of Nations. Aber ein Kinderspiel wird das nicht sein. Wir sollten uns immer todernst vor Augen halten, dass kein Kapitalismus auch keine Lösung ist. Wir müssen uns bessere Theorien über Gesellschaft und Wirtschaft ausdenken.

Es scheint aber, dass etwas nicht in Ordnung mit dem Volk der „Dichter und Denker“ ist. Er reicht schon wenn man bedenkt, wie erschreckend viele den grünen hysterischen Weibern und seit neuestem sogar einem autistischen Gör nachlaufen. Aber gut, rational zu denken war nie die Sache des ganzen Volkes, sondern nur eines kleinen Teils. Also nehmen wir das doch nicht so ernst und besinnen uns auf unser geistiges Erbe. Wo soll man beginnen? Ökonomie ist nicht alles, aber ohne Ökonomie ist alles Nichts. Das beweist die ganze Erfahrung aus der Geschichte. Nach den Erfahrungen in den letzten etwa drei Jahrhunderten kann man als Ökonom davon ausgehen, dass es keine ökonomische Ordnung mit ständiger Produktivitätssteigerung gibt, die nicht auf dem Prinzip der Konkurrenz bzw. der Marktwirtschaft beruht. Nicht weniger gesicherte empirische Tatsache ist, dass die Marktwirtschaft, die ganz frei vom Staat ist, periodisch immer zusammenbricht und zu sozialem Genozid und Kriegen führt. Damit ist nicht gesagt, dass der Kapitalismus zwischen zwei Krisen eine humane und gerechte Ordnung ist. Es wäre aber der falsche Weg zu versuchen, den Kapitalismus mit moralischen Mitteln verbessern oder gar überwinden zu wollen. Der Zusammenbruch des Kommunismus sollte uns das vor Augen halten. Ratio und Moral passen nicht gut zueinander, auch wenn das seltsam klingt. Wenn wir uns anschauen, was heute die selbernannten Gutmenschen so tun, ist das offensichtlich. Moralismus bringt fatale Utopien, nur mit rationalem Denken lassen sich richtige Entwurfe für eine bessere Ordnung ausarbeiten. Wer heute nicht ein realitätsferner Träumer, sondern ein Wirtschaftswissenschaftler sein will, der sich eine menschlichere Ordnung und eine krisenfreie Wirtschaft wünscht, muss die Marktwirtschaft neu denken und zwar im strengsten analytischen Sinne des Wortes „denken“.

Das ist die Aufgabe, die ich mir selbst stelle. Aber irren ist bekanntlich menschlich. Ist die von mir entworfene Theorie, ein neues Paradigma für die Marktwirtschaft, analytisch fehlerfrei? Das müssen andere beurteilen. Weil man sich dessen nie sicher sein kann, sollen auch andere versuchen die Marktwirtschaft neu zu denken. Irgendjemandem wird es gelingen. Natürlich werden uns die Prediger der Alternativlosigkeit von solchem Unsinn abraten wollen und uns auslachen. Machen wir uns nichts daraus. Erinnern wir uns an Max Planck, einen Naturwissenschaften aus der glorreichen Zeiten der deutschen Aufklärung:

Als der sechzehnjährige Abiturient Max Planck im Jahre 1874 darüber nachdachte, was er studieren solle, erbat er sich, der Physik zuneigend, den Rat einer Autorität auf diesem Gebiet. Die Empfehlung, die ihm vom Physik-Ordinarius Philipp von Jolly zuteil wurde, ließ diesen später in die Geschichte eingehen, denn er riet Planck von seinem Wunschfach ab mit der Begründung, hier sei schon fast alles erforscht, es müssten nur noch einige unbedeutende Lücken geschlossen werden. Nun wäre aus Max Planck auch ohne die Physik etwas geworden, denn er war vielseitig begabt. Der junge Klavier- und Orgelspieler erwog damals ernsthaft, Berufsmusiker zu werden. Der ihm erteilte Rat aber zeigt, wie leicht wir in der Wissenschaft dazu neigen, uns auf die Verwaltung von Wissen zu beschränken, gemütlich gewordene Positionen zu verteidigen und die wissenschaftliche Neugier einzuschläfern. Sicher, exzellente Wissenschaft braucht gute Ausstattung und Geld. Oft hindern uns jedoch weniger mangelnde finanzielle Ressourcen als vielmehr intellektuelle Bequemlichkeit, Dogmatismus und fehlende Vorstellungskraft daran, in innovative Gebiete und zu wissenschaftlicher Exzellenz vorzustoßen.

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Keywords und Lesehinweise  
#Ordoliberalimus oder die sogenannte "soziale Marktwirtschaft"  
 
Ausführliche Fachartikel auf der Website:  
Wundenlecken nach dem neoliberalen Desaster von Weimar lesen
 
     
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Ausführliche Fachartikel auf der Website:  
Der Neoliberalismus - ein ideologischer Verrat an Liberalismus und Wissenschaft lesen
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Marktwirtschaft neu denken: Teil I, Kapitel 1.3  
 
     
     
 
 
 
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