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  MMT: Wir verstehen das Problem nicht, seine Lösung haben wir aber (1)
 
  Alle wollen einen Paradigmenwechsel, aber was wird damit gemeint?
 
 
Als der sechzehnjährige Abiturient Max Planck im Jahre 1874 darüber nachdachte, was er studieren solle, erbat er sich, der Physik zuneigend, den Rat einer Autorität auf diesem Gebiet. Die Empfehlung, die ihm vom Physik-Ordinarius Philipp von Jolly zuteil wurde, ließ diesen später in die Geschichte eingehen, denn er riet Planck von seinem Wunschfach ab mit der Begründung, hier sei schon fast alles erforscht, es müssten nur noch einige unbedeutende Lücken geschlossen werden. Nun wäre aus Max Planck auch ohne die Physik etwas geworden, denn er war vielseitig begabt. Der junge Klavier- und Orgelspieler erwog damals ernsthaft, Berufsmusiker zu werden. Der ihm erteilte Rat aber zeigt, wie leicht wir in der Wissenschaft dazu neigen, uns auf die Verwaltung von Wissen zu beschränken, gemütlich gewordene Positionen zu verteidigen und die wissenschaftliche Neugier einzuschläfern .
 
           

Die MMT oder auf Deutsch Moderne Geldtheorie gibt sich oft hochtrabend, sie wolle ein komplettes Gebäude und nicht nur eine vielleicht neue Geldtheorie sein. Diese Anmaßung wird ihr immer wieder vorgeworfen. Sie will also ein neues Paradigma sein. Was bedeutet aber ein Paradigma und wozu braucht man es in der Wissenschaft?

Dem Begriff Paradigma bzw. Paradigmenwechsel erging es wie allen neuen Begriffen sonst auch: Es vergeht eine längere Zeit, bis sie sich durchsetzen, dann werden sie populär und Lieblingskind aller. Schließlich bedeuten sie alles und nichts. Das versuchen auch die Vertreter der MMT auszunutzen. Deshalb soll zuerst der Begriff genau erklärt werden.

Mit dem Wort Paradigma bzw. Paradigmenwechsel haben Philosophen die Erklärung eines besonderen Ereignisses in der Physik bezeichnet, das am Anfang des 20. Jahrhunderts passiert ist. Die klassische Mechanik wurde damals von der Relativitätstheorie und der Quantenmechanik ersetzt, aber so, wie es keiner davor erwartet hätte, im Gegenteil. Es ist angebracht zu erwähnen, wie sogar die alten verdienten klassischen Physiker heftig und nicht immer diplomatisch gegen die neuen Ideen aufbegehrt haben. Nein, die Naturwissenschaften sind nicht immer ehrlicher und einsichtiger als die Geisteswissenschaften. Aber kommen wir zurück zum Begriff Paradigma. Ich erörtere ihn ganz kurz und damit ein bisschen „zu vereinfacht“.

Die klassische Physik beruhte auf der alten Mathematik bzw. (euklidischen) Geometrie, die neue Physik hat eine völlig neue angewandt. Beide Geometrien sind in sich logisch einwandfrei konsistent. In der alten (euklidischen) Geometrie ist aber der Raum gerade, in der neuen jedoch krumm. Indem aber der Raum gleichzeitig nicht sowohl gerade als auch krumm sein kann, konnten die alte und die neue Mathematik zusammen keine universale Mathematik mehr bilden: zusammengekleistert wären sie nicht mehr logisch konsistent gewesen. Eine universale Mathematik gibt es heute nicht mehr. In der Physik hat man sich also für den krummen Raum entschieden, es fand ein Paradigmenwechsel statt.

Bemerkung dazu: Paradigmenwechsel war etwas, was sich davor kein Denker, Mathematiker und Philosoph vorstellen konnte. Es gilt als selbstverständlich, dass die Wissenschaft beziehungsweise das Wissen sich auf einer gewissen Linie entwickelt. Die Annahmen und Prinzipien (axiomatische Basis), auf denen eine Wissenschaft begründet wurde, sollten für immer gelten, mit ihnen würde man immer weiter Fortschritte machen, also neues Wissen erobern – Kant etwa ist ein typischer Vertreter dieser Auffassung.

Es stimmt. Bis heute ist es keinem Physiker eingefallen, wie sich herausfinden lässt, ob der Raum gerade oder krumm ist. Diesbezüglich melden sich immer wieder naive oder nicht sehr denkfreudige Sozial- und Wirtschaftswissenschaftler, die daraus folgern, dass die Naturwissenschaften doch nicht so exakt sind, wie sie sich geben. „Wissenschaft kann nicht länger als Repräsentation der Welt, wie sie ist, begreifen und muss daher auch den Anspruch, andere über die Welt belehren zu können, zurücknehmen“ – so Luhmann wörtlich von oben herab. Popper hat seine ganze Berühmtheit errungen, indem er die Erfolge der Wissenschaften verleumdete und verspottete –manchmal um den Preis, sich zum Trottel zu machen.

Die als exakt bezeichneten Wissenschaften sind gleichwohl exakt und zwar aus einem einfachen Grund. Ihre Theorien und Modelle, wenn man sie mit entsprechenden Daten versorgt, „erraten“, wie die Zukunft sein wird. Schon die klassische Physik vermochte das auf vielen Gebieten sehr gut, nicht umsonst galt sie damals als „Königin der Wissenschaften“. Dann tauchten immer mehr Probleme auf, mit denen sie nicht zurechtkam. Dies ist erst der neuen Physik gelungen, als sie sich ein neues Paradigma angeeignet hatte.

Mit diesen allgemeinen Bemerkungen kehren wir zu unserem ökonomischen Thema zurück. Die heute noch herrschende neoliberale Theorie beruht auf einem mathematisch einwandfreien Modell von Walras (1874). Wozu dieses Modell in der Ökonomie – theoretisch und praktisch – vielleicht nützlich ist, lassen wir jetzt beiseite. Seine Gegner werfen ihm vor allem vor, er wäre nicht imstande – unter anderem – zwei sehr wichtige Phänomene zu erklären:

1: Ökonomisches Ungleichgewicht und damit auch periodische Krisen                   

2: Inflation       

Aus der Erfahrung der exakten Wissenschaften würde man hier ein Paradigma-Problem vermuten. Welchen Ansprüchen müsste ein neues Paradigma genügen, das dieses Problem lösen kann? Die neoliberale Theorie auf der Grundlage des Walrasschen Modells ist ein richtiges Paradigma, das auf einem mathematischen Modell beruht, das in sich konsistent ist. Ein neues Paradigma soll schließlich auch ein in sich logisch konsistentes Denksystem sein. Es soll ein Modell sein, aus dem formal-logisch das marktwirtschaftliche Gleichgewicht ins Ungleichgewicht übergehen kann, und es soll auch zumindest helfen zu erklären, warum heute, als das Geld „wie verrückt“ gedruckt wird trotzdem keine Inflation kommt. Im Walrasschen Modell ist es sogar logisch unmöglich, diese Probleme zu formulieren, was sich nicht vertuschen lässt. So wächst schließlich das Interesse, das bestehende Modell oder Paradigma durch ein besseres zu ersetzen. Mein Vorschlag beruht auf einem fortentwickelten Kreislaufmodell. Der Grundgedanke des von ihm formulierten Ungleichgewichts lässt sich auch einfach veranschaulichen und erklären,dorthin aber auch analytisch streng im mathematisch konzipierten Modell. dorthin

Dass gerade ein Kreislaufmodell das partikel-mechanische Modell bzw. Paradigma ersetzen soll, ist es angebracht auf etwas zu erinnern:

Das Modell des allgemeinen Gleichgewichts von Walras ist eine Erklärung der Wirtschaft mithilfe des Modells der mechanischen Kräft – also eine partikel-mechanische Sichtweise der Welt, angewandt auf die Marktwirtschaft. Abgeschrieben! – würde der Lehrer zum Schüler sagen. Die Wirtschaftswissenschaft besitzt aber ein wirklich authentische Modell der Wirtschaft,  nämlich das von Quesnay entwickelte Kreislaufmodell (1758). Deshalb wollte Smith gerade Quesnay sein epochales Buch Wealth of Nations widmen, hat sich später jedoch anders entschieden. Trotzdem schreibt er voller Begeisterung: „Solange die Welt steht -  sagt ein sehr fleißiger und schätzenswerter Schriftsteller, der Marquis de Mirabeau -waren es hauptsächlich drei große Erfindungen, die den Staatsgesellschaften innere Festigkeit gaben … Die erste ist die Erfindung des Schreibens, die allein die Menschen in den Stand setzt, ihre Gesetze, Verträge, Jahrbücher und Entdeckungen unverändert auf die Nachwelt zu bringen. Die zweite ist die Erfindung des Geldes, das alle Beziehungen zwischen zivilisierten Völkern vermittelt. Die dritte ist die Ökonomische Tabelle, das Ergebnis der beiden anderen, die sie durch Vervollkommnung ihres Zweckes ergänzt, die große Entdeckung unseres Zeitalters, deren Früchte erst unsere Nachkommen pflücken werden.“

Die MMT kann kein alternatives Modell zum neoliberalen von Walras liefern. In der Not wird zugegeben, dass „der Kern der Theorie tatsächlich deskriptiv ist“, so Dirk Ehnts, einer ihrer deutschen Vertreter. Die angeblich völlig neue Theorie begann so, dass sich Warren Mosler (Wikipedia: W.M. is an American economist, hedge fund manager and politician) die Geldschaffung und -ströme angeschaut und etwas gesehen hat, was die anderen nicht gesehen haben. Also „wir sind eine empirische Theorie“ (Interview 26‘ 29‘ dorthin ). Das ist zum Verzweifeln wenig. Von einem Paradigma kann folglich gar keine Rede sein. Wozu wäre die MMT gut, wenn wir nun eine Stufe herunterstiegen? Nehmen wir an, sie wäre eine neue bessere Geldtheorie. Die MMT müsste dann etwas erklären, was die früheren Geldtheorien nicht konnten. Kann sie es?

Fortsetzung folgt

 

     
Keywords und Lesehinweise  
#Geld und was tun mit ihm?  
 
Ausführliche Fachartikel auf der Website:  
Überelegugnen der Ökonomen über das Geld und seine Funktionen lesen
Friedmans Geldregelung versus demokratische Geldschöpfung und Geldregelung lesen
Im eBook thematisiert:  
Marktwirtschaft neu denken: Teil II, Kapitel 8  
 
     
#Neoliberalismus  
 
Ausführliche Fachartikel auf der Website:  
Der Neoliberalismus - ein ideologischer Verrat an Liberalismus und Wissenschaft lesen
Im eBook thematisiert:  
Marktwirtschaft neu denken: Teil I, Kapitel 1.3  
 
     
     
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