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  MMT: Wir verstehen das Problem nicht, seine Lösung haben wir aber (2)
 
  Gibt es eine optimale Geldmenge oder man braucht doch immer mehr Geld?
           
Vorweg:
 

Gerade in der Physik ist es klar geworden, wie die Paradigmen nicht untereinander kompatibel sind, da sie verschiedene axiomatische Basen haben. Deshalb kann man nicht erwarten, dass ein neues Paradigma wirklich alles kann, was das ältere auch. Wegen seiner früheren Erfolge erscheint das alte Paradigma nach einem vollzogenen Paradigmenwechsel weniger als falsch, sondern eher als unvollständig. Es ist also angebracht zu sagen, dass die alten Paradigmen „nicht überholt worden sind, weil sie falsch waren, sondern weil sich das Denken entwickelt“ (Fleck: 85). Wegen der partiellen Richtigkeit des alten Paradigmas lässt sich ein Paradigmenwechsel als „eine ,Einwicklung‘ des alten Denkens durch das neue“ (Bachelard 1988: 61) verstehen. Bei einem Paradigmenwechsel geht es also weniger ums Widerlegen, sondern vielmehr ums Ersetzen. Nicht alles aus dem ersetzten Paradigma wird einfach weggeräumt. Es kommt bei den Wissenschaften eigentlich nur selten vor, dass alle Leistungen einer überholten Theorie für völlig falsch und unbrauchbar erklärt werden. „Zumindest ein Teil dieser Leistungen erweist sich immer als dauerhaft“ (Kuhn: 39) – für eine längere Zeit zumindest. Gerade das macht schwierig das Verhältnis des neuen und des alten Paradigma zu vergleichen.

 

Um ein Beispiel zu nennen:

Wenn Ingenieure heute Wagen, Hausgeräte, Brücken und Gebäude projektieren, so hätten sie fast alles genauso gut machen können, wenn der Paradigmenwechsel in der Physik nicht stattgefunden hätte – wenn es die Relativitätstheorie und Quantenmechanik nie gäbe. Die klassische Mechanik hat unglaublich viel geleistet – kein Wunder, dass man sie damals zur „Königin der Wissenschaften“ ernannte. Deshalb wäre es seltsam, die klassische Mechanik bzw. ihr Paradigma als falsch zu bezeichnen. Sie musste mit einer neuen ersetzt werden aus dem Grund, weil sie keine Perspektive mehr geboten hat, das Wissen weiter zu entwickeln.

Wenn wir diese Erkenntnisse über Paradigmen auf die MMT anwenden, dann können wir ihr nicht erlauben, dass sie im Namen des neuen Paradigmas bestimmte Errungenschaften der früheren Wirtschaftswissenschaft einfach so pauschal ablehnt. Es stimmt, dass die frühere Wirtschaftswissenschaft nicht alle Probleme lösen konnte, und einige hat sie auch falsch oder nur scheinbar gelöst, man muss das aber genau argumentativ erklären und neue Lösungen vorlegen. Die MMT will ein neues Paradigma für Geldtheorien sein, so dass sie zumindest in dieser Hinsicht klar und deutlich erklären soll, was die bisherige Wirtschaftswissenschaft hier falsch gemacht hat. Bei ihr geht es vor allem um Geld, also hier soll sie was richtigstellen. Die Wirtschaftswissenschaft – damals als Politische Ökonomie genannt - hat sich natürlich auch mit Geld schon seit langer Zeit beschäftigt und ist darüber zu ihren Schlussfolgerungen gelangt. Eine betrifft die Geldmenge. Was hat sie aber da falsch verstanden? Das folgende Bild soll uns helfen es einfacher zu erklären:

 
D
C  
B  
 

In dem Bild ist die Struktur einer einfachen Wirtschaft schematisch dargestellt. Die kleinen Punkte sind Unternehmen. Die Pfeile, die aus ihnen herausgehen, zeigen Ströme der realen Güter, also Gütermengen. Hier geht es offensichtlich nur um Konsumgüter; der äußere Kreisring ist der Markt für Konsumgüter. Dort werden die bereits produzierten Güter nur getauscht, also verkauft und gekauft.

Nehmen wir an, das Unternehmen A will die Güter vom Unternehmen B haben und umgekehrt. Sie würden kein Geld brauchen, um die Güter auszutauschen. Wenn aber A nicht die Güter von B haben wollte, sondern vom Unternehmen C, wäre ein Tausch ohne Geld umständlich. Er wäre aber trotzdem möglich. Dass der Tausch ohne Geld umständlich aber doch möglich wäre, bezeichnet man als Geldneutralität. Wenn das Unternehmen A für seine Güter Geld bekäme, könnte es aber ohne Umstände zu dem Unternehmen C gehen, dieses könnte mit dem gewonnenen Geld dann für sich Güter bei D kaufen usw. Die Wirtschaft braucht also viel weniger Geld zu haben als der gesamte Preiswert aller angebotenen Güter beträgt. Wieviel Geld braucht aber eine Wirtschaft?

Das Unternehmen A kann sofort, schon wenn es ganz wenig verkauft hat, das erhaltene Geld verbrauchen, das Unternehmen C auch … aber sie können auch warten, die Geldeinnahmen sammeln und erst, wenn sie alle ihre Güter verkauft haben, mit diesem Geld einkaufen gehen. Im ersten Fall würde die Wirtschaft weniger Geld benötigen, im zweiten mehr. Damit würde sich aber die Menge der verkauften und gekauften Güter in der Wirtschaft nicht ändern. Auch hier zeigt sich die Eigenschaft genannt Geldneutralität. Deshalb haben die klassischen Ökonomen das Geld mit dem Öl für das Funktionieren einer Maschine verglichen. Ungeölt würde sich die Maschine festfressen.

Wir stellen also fest, dass eine Wirtschaft eine bestimmte Geldmenge braucht, damit sie optimal funktionieren kann. Mehr Geld würde sie aber nicht brauchen.

An der Geldmenge ändert sich prinzipiell auch nichts, wenn die Unternehmen nicht nur konsumieren, sondern auch investieren. Nehmen wir als Beispiel Windgeneratoren. Wenn A investieren will, also einen Generator kaufen will, der um ein Vielfaches teurer ist als sein ganzes Einkommen, dann leiht er sich das Geld von den anderen Unternehmen. Konkret betrachtet: Diese - als Sparer - tragen ihr Geld auf die Bank und die Bank gibt dieses Geld als Kredit dem Unternehmen A. Auch hier gilt die Geldneutralität. Ein ausführlichen Beitrag über das Entstehen der Kredite und Schulden - mit Witz und Ironie - hier: dorthin

Diese Auffassung war schon bei Adam Smith, der als Begründer der Wirtschaftswissenschaft gilt, nicht neu und bis jetzt gilt diese Auffassung als richtig. Sollte sie doch nicht richtig sein, so müsste die MMT erklären: Warum nicht? Dann müsste sie auch ihren Anspruch beweisen, warum die Wirtschaft angeblich immer mehr Geld bekommen soll. Nichts davon hat die MMT aber bisher überzeugend erklärt.

Die MMT beruft sich auch auf Keynes. Er war bekanntlich für staatliche Geldausgaben. Seltsamerweise spricht die MMT nicht über Nachfragemangel, mit dem Keynes das „Gelddrucken“ begründet hat. Vielleicht deshalb, weil Keynes den Nachfragemangel mit der Geldhortung erklärt hat? Keynes war gegen die Geldneutralität nicht. Eine Wirtschaft mit Gütertausch ohne Geld wäre auch bei Keynes immer im Gleichgewicht. Auch wenn es Geld gäbe. Was man dann nicht tun dürfte wäre das Geld zu horten. (Alleine wegen der Geldhortung also wäre das Saysche Gesetz nach Keynes falsch.) Diese Auffassung ist formal-logisch betrachtet fehlerfrei, empirisch aber falsch. Die empirischen Forschungen haben nämlich nicht bestätigt, dass vor der Krise die Menschen begonnen haben das Geld zu horten. Man hat dieses gehortete Geld in der Wirklichkeit nie gefunden.

Wenn sich die MMT auf Keynes beruft, das ist Keynes ohne Keynesianismus. Das ist Form statt Inhalt. Und der einzige Sinn darin kann nur sein, dass man sich hinter einer Autorität versteckt. Das entspricht ganz genau dem Sprichwörtlichen: „Sich mit fremden Federn zu schmücken.“ Die Forderung der MMT nach „mehr Geld!“ ist also rein aus der Luft gegriffen. Es steht keine Theorie dahinten, keine logisch-formale in sich schlüssige Argumentation. Man kann nur nackte Interessen dahinten suchen und da wird man tatsächlich findig sein …

Anhang über Keynes:
 

.„Die größte Schwäche dieses Verfahrens ist die Verwechselung der logischen mit der ontologischen Sphäre, oder schlichter gesprochen, das Verwechseln von Denkergebnissen mit der Wirklichkeit selber. Die Nationalökonomie ist bis auf den heutigen Tag einer Auseinandersetzung mit der Erkenntnistheorie ausgewichen ... Die Nationalökonomie ist wie gesagt bis auf den heutigen Tag, von Ausnahmen abgesehen, mit dieser Problematik nicht vertraut und nicht zuletzt darum in einen logischen Formalismus abgeglitten, der geradezu erschreckend ist. Keynes ist hiervon nicht frei, er hat im Gegenteil mit seinen letzten Büchern nicht wenig dazu beigetragen, die Nationalökonomie auf diesem Holzweg weiterzuführen.“

 

„Das Nachfragedefizit ist zwar nach jedem konjunkturellen Zusammenbruch vorhanden, aber ist es wirklich glaubhaft, daß es aus dem von Keynes selbst als beständig und relativ kontinuierlich angesehenen Sparakt herrührt, um so mehr als es doch Zeiten gibt, in denen Spargelder reißenden Absatz und damit auch entsprechende Anlage in Investitionen finden? Wie sollten Banken und Sparinstitute eigentlich existieren können, wenn die Spargelder bei ihnen überwiegend brachliegen bleiben würden? Die Theorie stimmt doch ganz offensichtlich nicht mit der Wirklichkeit überein, wie die Banken- und Sparkassenstatistiken aller Länder beweisen, da doch die Ausleihungen im Durchschnitt ebenso hoch sind (wenn nicht höher) wie die Spareinlagen?  ... In keinem Falle ist seine Theorie für die Erklärung des Konjunkturphänomens brauchbar, und es scheint kein Zufall zu sein, daß in der General Theory genau wie im Treatise on Money die hierüber vorgebrachten Gedanken mit zu dem Schwächsten gehören, was Keynes der Welt zu sagen hatte.“

 

„Solange die Entstehung des Nachfragedefizites selbst ungeklärt bleibt, ruhen alle Vorschläge zu seiner Überwindung auf tönernen Füßen, sind theoretisch unhaltbar oder verworren und können jederzeit wieder wegargumentiert werden. Keynes vermochte zwar das Nachfragedefizit nicht aufzuhellen, aber sein Verdienst, diese Frage hartnäckig gestellt und in den Augen der Welt die Richtigkeit des Sayschen Theorems erschüttert, gleichzeitig aber eine gegen jede Wirtschaftskrise brauchbare Therapie entwickelt zu haben, bleibt auch für uns unbestritten.“

  Gerhard Kroll, Von der Weltwirtschaftskrise zur Staatskonjunktur, Duncker & Humbolt, Berlin, 1958 (S. 210, 243, 289)

Fortsetzung folgt

 

     
Keywords und Lesehinweise  
#Geld und was tun mit ihm?  
 
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Überelegugnen der Ökonomen über das Geld und seine Funktionen lesen
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Ausführliche Fachartikel auf der Website:  
Der Neoliberalismus - ein ideologischer Verrat an Liberalismus und Wissenschaft lesen
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Marktwirtschaft neu denken: Teil I, Kapitel 1.3  
 
     
     
 
 
 
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