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  There is no alternative - oder es gibt sie doch? (III)
 
  Die Ökonomie ist bestimmt nicht alles - aber ohne sie ist alles Nichts
 
 
„Kann der Kapitalismus überleben? Nein. Ich glaube nicht, dass er es kann.“
 
     Joseph Schumpeter, bekannter österreichischer Nationalökonom                                                     

Zuerst etwas über Schumpeter. Neben Keynes und Hayek ist er ganz bestimmt der wichtigste Ökonom des 20. Jahrhunderts. Aber damit nicht genug. War Marx im 19. Jahrhundert der letzte Polyglott in den geistigen Disziplinen, so war Schumpeter der letzte Polyglott was die verschiedensten Strömungen in den ökonomischen Wissenschaften betrifft. So ein Werk wie die Geschichte der ökonomischen Analyse gab es vor ihm nicht und voraussichtlich wird es auch kein vergleichbares von einem einzigen Autor geben – sogar abgesehen einmal von der neoliberalen Schwerpunktsetzung. Nun kommen wir zu dem obigen Zitat von ihm zurück. Man kennt solche Meinungen von Marxisten, Schumpeter war aber keiner, im Gegenteil. Aber warum kam er auf eine solche Prognose?

Von Anfang an leidet die freie (kapitalistische) Marktwirtschaft an periodischen Zusammenbrüchen, wenn viele verarmen und die untersten Schichten hungern und manchmal verhungern. Bei den vorkapitalistischen Gesellschaften war so etwas unbekannt. Abgesehen von Naturkatastrophen, Seuchen und Kriegen haben sie jedem Mitglied sowohl Arbeit als auch Brot gegeben. Anders als die meisten Neoliberalen gesteht Schumpeter das ein, zugleich ist er überzeugt, dass die freie Marktwirtschaft zum Gleichgewicht strebt. Als guter Mathematiker ist er von der Gleichgewichtstheorie von Walras, die das angeblich „analytisch streng“ beweist, begeistert. Er bezeichnet sie sogar als „Magna Charta“ der Wirtschaftswissenschaft. Nun gibt es im paradigmatischen Rahmen des Modells von Walras gar keine Möglichkeit für periodische Ungleichgewichte. Ein bisschen peinlich.

Schumpeter hat das oben zitierte Buch im Jahre 1942 veröffentlicht, als es dem Kapitalismus sehr schlecht ging, zuerst die größte Krise des Kapitalismus und dann auch der Weltkrieg. Die Krise zu leugnen war für ehrliche Menschen schwierig. Vielleicht wollte Schumpeter deshalb daran glauben, dass die Menschen den Kapitalismus seitdem so hassen werden, dass sie den Sozialismus mögen werden, auch wenn sie „im Brot tote Mäuse finden“ würden. Es ist tatsächlich einleuchtend, dass die Menschen Brot mit Mäusen lieber hätten als kein Brot im kollabierenden Kapitalismus. Und Schumpeter sagt auch ganz klar, dass der Sozialismus „natürlich“ funktionieren kann. Heute kann man sagen, dass das Brot im Sozialismus ohne Mäuse war, es war sogar ganz ordentlich, was den Menschen dagegen unsäglich fehlte waren Kaugummis und Jeans. Ja, ich übertreibe ein wenig, die fehlenden Kaugummis und Jeans und Ähnliches haben aber mehr für den Zusammenbruch des Sozialismus beigetragen als alles andere. Das Bedürfnis nach Freiheit und Demokratie noch am wenigsten. Diesen Unsinn haben sich natürlich die Ideologen des Kapitalismus ausgedacht. Es ist aber ein sehr raffinierter Unsinn. Wenn die zum Kapitalismus zurückgekehrten Völker nicht Brot haben werden, wird man ihnen erzählen, dass sie sich doch selbst für Freiheit und Demokratie entschieden hätten und diese hätten sie eben bekommen, schließlich sollten sie ihr Schicksal ohne Murren akzeptieren.

Ein wichtiger Grund, warum Schumpeter an die „unsichtbare Hand“ so unerschütterlich geglaubt hat, hat auch damit zu tun, dass er alle ökonomischen Lehren sehr gut kannte, und keine hatte eine überzeugende Erklärung für periodische Zusammenbrüche der Marktwirtschaft – die von Marx ganz bestimmt nicht. Vor allem hielt Schumpeter die Erklärung von Keynes für nicht haltbar, nach der die Menschen den Zusammenbruch verursachen, indem sie zu viel sparen, also Geld horten und damit den Nachfragemangel verursachen. Die Theorie, wonach zu große Ersparnisse den Nachfragemangel verursachen, ist zwar sehr schwach und empirisch nicht haltbar, aber das ist jetzt nicht unser Thema. Nach der neoliberalen Auffassung können Menschen nicht mehr sparen als die Investoren investieren wollen, da Zins (i) dafür sorgt, dass das Sparen (S) immer den Investitionen (I) entspricht. Die neoliberale Formel für dieses monetäre Gleichgewicht ist ganz einfach:

  I' = S'

Mit den Hochkommata bei S (Ersparnisse) und I (Investitionen) wird angedeutet, dass Nettowerte gemeint sind. Das Einkommen bzw. das Geld, um etwa eine physikalisch aufgebrauchte Maschine (und jede reale Investition) zu ersetzen, wird nicht berücksichtigt, sondern nur diejenige Maschine, die für die Erweiterung der Produktion gekauft wird. Wenn die obige Formel richtig wäre, gäbe es die ökonomischen Krisen – nach neoliberalen Auffassung - nicht, sie gibt es aber. Diese Formel kann also Krisen nicht erklären. Einen Teil der Tatsachen scheint sie richtig erklären zu können. Betrachtet man nämlich die ganze Geschichte des Kapitalismus, kann man feststellen, dass es sozusagen drei Typen des Kapitalismus gibt, die fähig waren, zumindest eine längere Zeit ohne tiefe Krisen zu funktionieren:

1/     Imperialer Kapitalismus

2/     Nachholender Kapitalismus

3/     Exportorientierter Kapitalismus  

Die kreislauftheoretische Analyse kann beides erklären: Warum eine freie Marktwirtschaft zu periodischen Krisen führt und warum sie in diesen drei Typenfällen für eine gewisse Zeit mehr oder weniger gut funktioniert. Die kreislauftheoretische Krisentheorie habe ich anderswo ausführlich verbal erklärt mehr, diese Erklärung kann man streng mathematisch interpretieren und damit nachweisen mehr. Ganz kurz zusammengefasst, die kreislauftheoretische Analyse ergibt, dass die obige Formel ungenügend ist. Noch eine Größe bestimmt, wie viel möglich ist zu sparen bzw. zu investieren, wenn die Wirtschaft im Gleichgewicht bleiben soll. Sonst kommt es zum Nachfragemangel, auch wenn es keine Geldhortung gäbe. (Sie ist also keine monetäre bzw. keynesianische Erklärung des Nachfragemangels.) Die kreislauftheoretische Analyse ergibt, dass das Niveau von Sparen und Investieren ein bestimmtes Niveau haben muss, nämlich YK‘.

  Y' = I' = S'

Ausschweifungen und Übertreibungen immer und unbedingt schlecht? Ich würde sagen, wenn man sie zugibt, dürfen sie manchmal erlaubt sein. Mit ihnen lässt sich nämlich eine Botschaft schnell und klar vermitteln. In diesem Sinne sage ich:

Was bedeutet nun YK‘? Um es so einfach wie möglich zu erläutern, hier eine schematische Darstellung von zwei Wirtschaften:

     

Die kleinen Punkte sind Unternehmen – einer von ihnen ist das Unternehmen A. Die Pfeile, die aus den Punkten bzw. Unternehmen herausgehen (Outputs), zeigen Ströme der realen Güter, also Gütermengen, die ihren Preis bzw. Gesamtpreis haben. Die Pfeile, die in die Unternehmen hineingehen (Inputs), sind Einkünfte (Löhne, Profit, Rente, Zinsen), die entstehen bzw. realisiert werden, nachdem die Unternehmen ihre Produktion abgesetzt haben. Der äußere Kreisring in beiden Bildern ist der Markt der Konsumgüter. Die Einkünfte saugen diese Güter sozusagen aus, also Konsumgüter werden verkauft und gekauft - um danach (nur) konsumiert zu werden. Produziert wird (nur) im inneren Kreis. Im linken Bild gibt es offensichtlich nur Konsumgüterhersteller. Ihre Güter werden schließlich von all denen nachgefragt, die in den Unternehmen ihr Einkommen beziehen.

Im rechten Bild ist die Struktur der Wirtschaft komplizierter. Ein Teil der Unternehmen, die sich im inneren Kreis befinden, produzieren Rohstoffe, Halberzeugnisse und Maschinen, also Produktionsgüter oder noch schlichter ausgedrückt Kapitalgüter – deshalb K bei dem Y. Der Wert dieser Güter in „üblichen“ – man sagt dazu auch „nominalen“ - Geldpreisen zusammengezählt bezeichnen wir also mit YK. Produktionszuwachs in der betrachteten Reproduktionsperiode in Bezug auf die vorige Reproduktionsperiode, dazu sagt man Netto, wird als YK‘ bezeichnet. So viel darf in der betrachteten Reproduktionsperiode gespart und investiert werden. Viel nachzudenken braucht man nicht, um darauf zu kommen, dass die Größe YK‘ größer wird, wenn die (reale) Produktion im inneren Kreise steigt und die (nominalen) Preise steigen. Schon das erlaubt uns – auch wenn nur grob – einleuchtend zu erklären, warum die obigen Typen von Wirtschaften (mehr oder weniger) erfolgreich funktionieren.

1/     Imperialer Kapitalismus:

Der imperiale Kapitalismus produziert viele Waffen, im inneren Kreise, was den Wert YK‘ durch (reale) Produktionssteigerung größer macht. Wie es auch die Tatsachen gut bestätigen, „Butter und Kanonen“ gehören zusammen, oder besser gesagt: Nicht trotz, sondern wegen mehr Kanonen gibt es im Kapitalismus auch mehr Butter. Das Imperium fördert bei sich allgemein genommen die Produktion von anspruchsvollen technischen Gütern bzw. Kapitalgütern, die Vasallen werden daran gehindert. Die „komparativen Vorteile“ bzw. die internationale Arbeitsteilung oder Globalisierung wird vom Imperium immer und überall nur vorgeheuchelt. Erinnert sei an das Beispiel von den angeblichen komparativen Vorteilen von David Ricardo, bezüglich des Handels zwischen England und Portugal. Portugal produzierte landwirtschaftliche und England technische Güter. Für beide Wirtschaften wäre eine solche Arbeitsteilung etwas optimal. Wie es Portugal und England dabei ergangen ist, ist bekannt. Außerdem druckt und kontrolliert das Imperium Geld, wofür ihm die anderen Güter liefern. Damit die anderen den Handel Güter-für Papierchen auch immer  richtig verstehen, hat man ja schließlich noch die Kanonen.

2/     Nachholender Kapitalismus:

Wenn ein rückständiges Land sich industrialisiert, muss es ein paar Jahrzehnte lang überproportional viele Kapitalgüter produzieren. Diese halten YK‘ auf einem hohen Niveau, so dass es kaum möglich ist, zu viel zu sparen. Das war das erfolgreiche Kaiser-Modell, das auch in Japan genauso gut funktionierte. Hat sich das Land endgültig kapitalisiert, kommen die ökonomischen Zyklen. Sie werden katastrophal, wenn die Sparsamkeit nicht entsprechend sinkt. 

3/     Exportorientierter Kapitalismus:  

Den Nachfragemangel, der die Krisen verursacht, kann man auch exportieren – wenn man es kann –, um damit die Krise zu verhindern.

Diese drei Typen der kapitalistischen Wirtschaft lassen sich jeweils auf die USA, die EU und den Rest der Welt anwenden und so die Funktionsweise der Weltwirtschaft nach dem Zweiten Weltkrieg im Wesentlichen erklären. Man kann dabei zwei Perioden – möglicherweise fast Epochen – klar unterscheiden. Die erste nach dem Weltkrieg bis zum Zusammenbruch der kommunistischen Wirtschaft in den UdSSR und China, die zweite danach bis heute. Daraus lässt sich ableiten, was man auf keinen Fall tun sollte und was man dagegen als Lösung tun könnte.

Fortsetzung folgt

 

     
Keywords und Lesehinweise  
#Geld und was tun mit ihm?  
 
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