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  Nun auch COVID im Schwarm der schwarzen Schwäne unserer Wirtschafts-„Wissenschaftler“ (I)
 
  Ein verwesendes Paradigma erkennt man an den darüber kreisenden schwarzen Schwänen
 
 
„Die Wucherung von Versionen einer Theorie ist ein typisches Symptom einer Krise in der Wissenschaft.“
 
      Thomas Kuhn                                                      

Seit mittlerweile 2 Jahren ist COVID das alles beherrschende Thema. Es gibt viele Kontroversen, worum es sich bei der ganzen Sache handelt und woher sie kommt. Das soll uns hier aber nur am Rande interessieren. Für diesen Aufsatz interessant ist, dass es Wirtschaftswissenschaftler gibt, die COVID und die damit verbundenen Ereignisse als Grundlage für die Erklärung der aktuellen ökonomischen Situation benutzen. So wie ein gewisser Professor Fabio Vighi, der in einem Aufsatz über „Inflation und die kontrollierte Zerstörung der Gesellschaft“ sinniert.

Die autoritäre Offensive und die perverse Logik des „Pandemie-Kapitalismus“   dorthin

Am Anfang seines Textes will Professor Vighi in COVID ein „makroökonomischer Virus, getarnt als pandemischer Virus“ sehen, das „weit verbreitete Depressionen verursacht hat“. Zunächst kommt also eine klare Aussage von ihm: COVID ist die Ursache der „tödlichen Krise“ des Kapitalismus. Aber nur ein paar Zeilen danach folgt, dass das staatliche Handeln gegen die angebliche Pandemie, „eine Reaktion auf einen drohenden sozioökonomischen Zusammenbruch ist“, und zwar einen „wie es ihn in diesem Ausmaß noch nie gegeben hat“. Also ist die „Pandemiesimulation“ doch nicht die Ursache der „tödlichen Krise“ des Kapitalismus, sondern eine Reaktion darauf. Man erwartet nun, dass jetzt überzeugend erklärt wird, was Ende 2019/Anfang 2020 in der Wirtschaft wirklich geschah, dem die COVID-Reaktion dann folgen sollte. Aber Her Professor findet heraus, die „tödliche Krise“ war das Jahr 2008. Mit COVID sollte „die künstliche Ausweitung der Geldmenge nach 2008“ getarnt werden. Herr Professor gesteht zwar, dass dieses Gelddrucken „nicht zuletzt von einer globalen wirtschaftlichen Kontraktion begleitet war“, also auch als Maßnahme gegen den Abschwung interpretiert werden kann. Das wäre eine verbreitete und langweilige Meinung. Aber ihm fällt ein, was angeblich ein viel wichtigerer bzw. wahrer Grund für das Gelddrucken nach 2008 sein sollte: „Das übergeordnete Ziel scheint mir die kontrollierte Zerstörung der produktiven Wirtschaft und ihrer freiheitlich-demokratischen Infrastruktur zu sein, die es u.a. ermöglicht, mehr Kapital aus der Realwirtschaft abzuschöpfen und in die Finanzmärkte zu lenken.“ Also war das Geldrucken nicht als Rettung der Wirtschaft motiviert, sondern als ihre Zerstörung: „der Realwirtschaft abzuschöpfen“. Warum das Gelddrucken der Realwirtschaft das Geld „abschöpft“, verrät er uns nicht. Wichtiger für ihn ist, dass er einen Beweis dafür hat. Und was für einen legt er vor: Indem Regierungen, Gesundheitsbehörden und Medien die Pandemiesimulation koordiniert steuern, sei es „illusorisch zu glauben“ dass es sich nicht um eine Verschwörung handelt. Also COVID gleich Verschwörung. Das war im Großen und Ganzen seine Deutung von COVID aus dem Blickwinkel einer ökonomischen Horrorgeschichte.

Dann erinnert sich Herr Professor daran, was er während des ökonomischen Studiums gelernt hat. Zu dessen Einmaleins gehört auch, dass sich das Wachstum beschleunigen lässt, wenn man den Unternehmen die Kosten senkt: Löhne und Zinsen. Hier sieht er auf einmal gute Absichten bei der Erweiterung der Geldmenge nach 2008, die damit im Einklang mit der neoliberalen Lehre ist, nämlich zu verhindern, dass die Zinsen steigen: „Die Zentralbanken fluten das Finanzsystem mit digitalem Geld, um erhebliche Zinserhöhungen abzuwehren“. Zum Einmaleins der neoliberalen Geldmengenlehre (Quantitätstheorie) gehört noch etwas, dass nämlich die zusätzliche Geldmenge zur Inflation führt. Niedrige Zinsen und hohe Inflation widersprechen sich allerdings. Bis dato nichts Neues, aber das Neue kommt dann: „Bei den Omicron-Varianten handelt es sich im Wesentlichen um deflationäre Maßnahmen, die darauf abzielen, die lockere Geldpolitik der Zentralbanken aufrechtzuerhalten und Zinserhöhungen zu verhindern.“ Warum die Omicron-Varianten eine deflationäre Wirkung haben sollte, wird voraussichtlich für immer ein Geheimnis des Professors bleiben. Dann garniert Herr Professor alles noch mit der zunehmenden Unfähigkeit des Kapitals neuen Mehrwert zu schaffen und mit dem tendenziellen Fall der Profitrate – Marx par excellece. Das ist so ziemlich alles, was Herr Professor zu sagen hat.

Die Erzählung von Prof. Vighi ist eigentlich interessant, gerade weil sie nicht interessant ist. Sie ist nämlich ein gutes Beispiel um zu verdeutlichen, in welchem Zustand sich die heutige Wirtschaftswissenschaft befindet. Ja, der westliche Kapitalismus ist in einer Krise, in einer seit 2008 nicht überwundenen Krise und was haben die „Experten“ über sie zu sagen? Sie sind verwirrt, sie widersprechen sich, fügen ein was ihnen gerade einfällt, und scheint es irgendwie augenblicklich zu passen, ist ihnen keine Banalität und Absurdität zu geschmacklos und sie suchen Schuldige. So entsteht die absurde Situation, mit der wir es heute in der sog. Wirtschaftswissenschaft zu tun haben. Aber es ist keine Besonderheit in der Fortentwicklung der Wissenschaften. Es ist die bekannte Situation des Paradigmenwechsels in der Wissenschaft.

Die neoliberale Wirtschaftswissenschaft ist erschöpft. Aus ihren Theorien lässt sich nichts mehr erklären und vorhersagen; dann wird über irgendwelche sonderbare Ereignisse bzw. Umstände sinniert: über die sogenannten schwarzen Schwäne.

        Ein schwarzer Schwan ist ein Ereignis, das völlig unwahrscheinlich ist, gänzlich überraschend eintritt und alle erstaunt. Im Nachhinein kann sich herausstellen, dass durchaus Anhaltspunkte vorhanden waren, und in manchen Fällen wurde die Begebenheit auch von einem Experten vorausgesehen, den man nicht gehört, nicht verstanden oder nicht ernstgenommen hat.  
  Gabler Wirtschaftslexikon  

Mit schwarzen Schwänen lässt sich wie mit einem Zauberstab jede Prognose, auch die unsinnigste und naivste, im Nachhinein (ex post) als richtig uminterpretieren. So ist im real existierenden Kapitalismus eine große Zahl von Zentren und Instituten mit gut bezahlten ökonomischen Experten entstanden, die man als Jäger von schwarzen Schwänen bezeichnen kann. Sie sind die modernisierte Version der Hexenjäger, die in den Zeiten vor der Marktwirtschaft die Ursache für Dürren, Seuchen und andere natürliche Katastrophen gesucht haben. Sowohl damals als auch heute ist die letzte Instanz der Erklärung das Schlechte bzw. Böse, das von außen kommt. In religiös dominierten Zeiten war das der Teufel, bei den neoliberalen Ökonomen im Lauf der Jahrzehnte alles Mögliche: gierige Lohnempfänger, Kommunisten, Juden, Diktatoren, Putin … und schließlich auch COVID. So kommt es, dass neoliberal ausgebildete Ökonomen auch und gerade dann, wenn sie über die Ergebnisse der von ihrer Theorie geleiteten Wirtschaftspolitik entsetzt sind und sich kritisch äußern, keine zutreffende Diagnose stellen können, geschweige denn Alternativen anbieten.

Betrachtet man andere Wissenschaften, nämlich die erfolgreichen, merkt man schnell, dass dort nicht nach schwarzen Schwänen gejagt wird. Merken sie, dass sie sich in der Stagnation befinden, suchen sie nach einem neuen Denksystem oder Paradigma. Die Sozialwissenschaftler und vor allem die neoliberalen Wirtschaftswissenschaftler stemmen sich bekanntlich mit allen Kräften gegen einen Paradigmenwechsel. Sie haben sich immer wieder etwas einfallen lassen, um „wesentliche“ Unterschiede zwischen den „Naturen der Untersuchungsfelder“ der Naturwissenschaften und der Sozialwissenschaften festzustellen und daraus zu folgern, wie verfehlt es sei, für die Wirtschaftswissenschaften ein neues Paradigma zu suchen.

Es reicht aber nicht, nur überzeugend zu argumentieren, warum auch die Sozial- und Wirtschaftswissenschaften neue Durchbrüche und neue Paradigmen nötig haben, man muss solche auch konkret entwerfen und begründen. Auf Latein ausgedrückt: Hic Rhodus, hic salta!

Fortsetzung folgt

 

     
Keywords und Lesehinweise  
#Geld und was tun mit ihm?  
 
Ausführliche Fachartikel auf der Website:  
Überelegugnen der Ökonomen über das Geld und seine Funktionen lesen
Friedmans Geldregelung versus demokratische Geldschöpfung und Geldregelung lesen
Im eBook thematisiert:  
Marktwirtschaft neu denken: Teil II, Kapitel 8  
 
     
#Neoliberalismus  
 
Ausführliche Fachartikel auf der Website:  
Der Neoliberalismus - ein ideologischer Verrat an Liberalismus und Wissenschaft lesen
Im eBook thematisiert:  
Marktwirtschaft neu denken: Teil I, Kapitel 1.3  
 
     
     
 
 
 
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