DAS POLITISCHE VERSAGEN DER FREIHEITLICHEN ORDNUNG (KAPITALISMUS)
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  Summary O Herrenmoral und Klassengesellschaft als Normalzustand des Kapitalismus
 
 
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  Das schmutzige macht-politische Geheimnis der freien Marktwirtschaft
  Worauf läuft die freie Marktordnung (Kapitalismus) spontan hinaus?
 
 
Was anders sind also Reiche, wenn ihnen Gerechtigkeit fehlt, als große Räuberbanden? Sind doch auch Räuberbanden nichts anders als kleine Reiche.
 
  Christlicher Kirchenlehrer und wichtiger Philosoph  Aurelius Augustinus (354-430)        
 
Denn der reicher ist und sich an Gütern reicher gesegnet weiß als andere, möchte sich auch in punkto Ehre, Genüssen, Vergnügungen, Essen und Kleidung höhergestellt wissen und erwartet, dass ihm die Armen, die er verachtet und mit Füßen tritt, Verehrung entgegenbringen.
 
  Französischer Staatstheoretiker (Begründer des Souveränitätsbegriffes)  Jean Bodin (1529 - 1596)        
 
Wo sind sie (die Schriftgelehrten und Pharisäer), Frau? Hat dich niemand verdammt? Sie (Ehebrecherin) antwortete: Niemand, Herr. Und Jesus sprach: So verdamme ich dich auch nicht; gehe hin und sündige hinfort nicht mehr. ... Wahrlich, ich sage dir: Heute wirst du (jiddisch Ganove d.h. Räuber) mit mir im Paradies sein. ... Es ist leichter, dass ein Kamel durch ein Nadelöhr gehe, als dass ein Reicher ins Reich Gottes komme.
 
  Johannes 8, 3 - 11; Lukas 23, 43; Matthäus 19, 24 - Bibel        

In jeder Gesellschaft, unabhängig davon ob sie ihre Macht (vornehmlich) durch Gewalt oder Erpressung sichert, besitzt eine große Mehrheit von Bürgern keine Produktionsmittel. Nicht nur, dass Bürger in dieser Hinsicht nichts zu sagen haben, sie können nicht einmal etwas kontrollieren. Auch der Sozialismus bzw. Kommunismus war keine Ausnahme. Er hat das Privateigentum de facto nicht aufgehoben. Mit dem Unterschied, dass nicht die einzelnen Mitglieder der herrschenden Gruppe, sondern die Gruppe als Kollektiv über alle Produktionsmittel verfügte. Darüber hinaus besaß sie auch die ganze politische Macht - den staatlichen Gewaltapparat. Die Kommunisten haben also alle drei Machtmethoden monopolisiert - Gewalt, Erpressung und Überredung -, so dass es nicht falsch ist, von einer totalitären Herrschaft zu sprechen.

Wir haben aber schon angedeutet, dass die herrschende Klasse so viel Macht gar nicht braucht, um bequem herrschen zu können. Dazu reicht schon die Erpressung, also der Besitz von Produktionsmitteln, aus. Es wäre in der Tat seltsam gewesen, wenn dies keinem kommunistischen Herrscher in den Sinn gekommen wäre. Da gab es aber doch ein gewisses Problem, das Problem der Glaubwürdigkeit. Man müsste nämlich die ursprünglichen Ziele - wie die Vollbeschäftigung und die Einkommensgleichheit - über Bord werfen. Die ersten, die es wagten dies zu tun, waren Titos Kommunisten aus dem ehemaligen Jugoslawien. Sie hatten die ureigenen Ziele des Sozialismus und Kommunismus geopfert, so dass sie damals mit Recht von anderen kommunistischen Parteien (Informbüro) exkommuniziert wurden.

Nachdem die jugoslawischen Kommunisten ihre Macht auf die ökonomische Erpressung umgestellt hatten, war es auch möglich, den Bürgern viele private und politische Rechte zu gewähren. So entstand ein demokratisches System in den Kommunen und Betrieben, das sich mit keinem in der Geschichte vergleichen lässt. Diese direkte Demokratie wurde als Selbstverwaltungsdemokratie bezeichnet. Durch sie ist es Tito und seinen Kommunisten gelungen, eine märchenhaft hohe Akzeptanz und Loyalität unter der Bevölkerung zu erzielen. Dies überrascht desto mehr, wenn man bedenkt, wie gut die Menschen des ehemaligen Jugoslawiens informiert waren. Einen Pass bekam jeder und die Grenzen waren völlig offen (z.B. hat nicht Jugoslawien ein Visum für amerikanische Bürger verlangt, sondern umgekehrt); jeder konnte westliche (sowie alle andere) Sender ungehindert empfangen und nach Belieben Kontakte mit Ausländern knüpfen und pflegen. Die Bürger Jugoslawiens wünschten sich zwar vieles, aber am Mangel an Freiheit und Demokratie beschwerte sich keiner. Sagen wir es so: Man hätte damals vielleicht mehr überzeugte Buddhisten finden können - von Jehovas Zeugen ganz zu schweigen -, als überzeugte Verteidiger der westlichen parlamentarischen Demokratie.

Eine überwältigende Mehrheit der Bürger war sogar der festen Überzeugung, dass ihre Selbstverwaltungsdemokratie eine ist, die der parlamentarischen Demokratie in Nichts nachsteht, dass sie ihr ja in mancherlei Hinsicht sogar weit überlegen ist. Man war unheimlich stolz im freiesten und demokratischsten Land der ganzen Welt leben zu können. Wen wundert es, dass sich im späteren Bürgerkrieg keine der verfeindeten Seiten mehr Demokratie und Freiheit auf ihre Fahne schrieb. Allen ging es nur um regionale und nationale Privilegien - es war der Krieg der Materialisten und Utilitaristen im drastischen Sinne des Wortes. Jede Region und Nation meinte, sie würde von den anderen ausgenutzt und ausgebeutet - sonst würde man zumindest so einen Wohlstand genießen können, wie die westliche Staaten.

Was hat es aber gebracht, dass die Bürger Jugoslawiens in manchen Bereichen der kommunalen und betrieblichen Verwaltung Rechte genossen haben, von denen die Bürger in den westlichen Demokratien nicht einmal zu träumen wagten? Anders gesagt: Was bringt mehr Demokratie? Im rein quantitativen Sinne des Wortes mehr, ganz bestimmt nichts. Deshalb braucht auch unsere Zeit nicht mehr von der Demokratie, sondern eine andere. Das wird später ein wichtiges Thema für uns sein. Vorerst verlassen wir aber dieses Thema mit der Bemerkung, dass die Freiheit - so wie es die jugoslawische Erfahrung bestätigt -, nicht auf liberalen Kapitalismus beschränkt ist. Darauf hat schon Tocqueville in seiner berühmten Untersuchung der amerikanischen Demokratie in aller Deutlichkeit hingewiesen:

    Die Freiheit offenbarte sich den Menschen zu verschiedenen Zeiten und unter verschiedenen Formen; sie war nicht ausschließlich mit einer bestimmten Gesellschaftsform verbunden, und man trifft sie auch anderswo als in Demokratien. Sie kann also nicht das Kennzeichen der demokratischen Zeitalter sein.

Das einzige was die Bürger im ehemaligen Jugoslawien politisch nicht tun durften, war, Parteien zu bilden und sie ins Parlament wählen. Es konnte aber jeder wählen und gewählt werden - sich als individueller Kandidat bewerben. Folgerichtig könnte man diese Demokratie als Personendemokratie bezeichnen. Auf den ersten Blick scheint dies kein wesentlicher Unterschied zur Parteiendemokratie zu sein. So wie die Parteien koalieren, können sich auch die einzelnen Abgeordneten zu einer Regierung zusammenschließen. Außerdem hat man auch in den westlichen Parlamenten unabhängige Abgeordnete. Warum haben die Kommunisten dennoch nicht mehr Parteien zugelassen?

Die Gründe liegen im ökonomischen Bereich. Die Produktionsmittel haben in Jugoslawien juristisch den Beschäftigten gehört. Es war aber die Partei, die das Sagen hatte, wenn es um die Verteilung von ökonomischen Posten ging. Nicht direkt und formal, aber de facto. Die Firmen wurden nämlich verpflichtet, für jede Stelle eine Annonce auszuschreiben, und die Arbeiter (oder der Arbeiterrat) haben formal entschieden, welcher Bewerber der beste ist. Aber die Ratifizierung einer Entscheidung ist bekanntlich nie besonders wichtig. Viel wichtiger ist, wer die Qualifikation einer Stelle festlegen darf. Und dies können natürlich nur die Experten. Konkret: dies hat die Partei bzw. ihre Funktionäre hinter geschlossenen Türen getan. Also war auch hier der Kommunismus nichts anderes als das, was wir in den westlichen Demokratien gut kennen. Hatten die Arbeiter dennoch einen unerwünschten Kandidaten durchgesetzt, blieb diesem nichts anderes übrig als sich dem System anzupassen, sonst würde er „als unfähig“ scheitern. Die Erklärung dafür ist plausibel. Die Firmen müssen zusammen arbeiten. Wenn dann jemand die Leitung einer Firma übernimmt, in den restlichen Firmen aber die alte Garde die Macht hat, kann diese mit dem Neuling tun was sie will. So war die jugoslawische kommunistische Partei de facto der kollektive Kapitalbesitzer - wie in anderen kommunistischen Wirtschaften auch.

Dieses „System hinter dem System“ hätte keinen Bestand gehabt, wenn man zugelassen hätte, dass eine andere Partei ins Parlament einzieht und die Regierung bildet. Diese neue Partei müsste gar nicht privatisieren wollen; sie würde aber die wirtschaftlichen Positionen für ihre eigenen Mitglieder begehren. Das würde bedeuten, dass sie in der Lage wäre, die herrschende Gruppe ökonomisch zu enteignen. So etwas konnten die Kommunisten nicht zulassen, so wie es keine herrschende Klasse in der Geschichte je zugelassen hat. Eine Mehrparteiendemokratie ist also nicht mit dem Prinzip des kollektiven Besitzes von Produktionsmitteln kompatibel. Wir ahnen schon, was sich in den kommunistischen Staaten ändern musste, bevor man die Parteiendemokratie zulassen konnte: Die herrschende Klasse musste sich absichern, dass ihr nach der Wahl keiner die Produktionsmittel wegnimmt. Das Prinzip des kollektiven Besitzes der Produktionsmittel musste abgestoßen und das Kapital individualisiert werden. Man musste zu diesem Zweck einen Rechtstaat aufbauen, also eine Institution, die - wenn es um das Recht auf Privateigentum geht - stärker als die Demokratie und die Politik ist.

Dies wäre also die „kurze Geschichte des Kommunismus“ in dessen Hauptzügen zusammengefasst. Manche gehen sogar weiter. Wenn man z.B. Blogs und Internetforen der ehemaligen kommunistischen Ländern verfolgt, wird man nicht lange warten müssen, bis jemand mit der These auftaucht, dass es den Zusammenbruch des Kommunismus eigentlich nie gab: alles wäre nur eine raffinierte Strategie der Apparatschiks gewesen. Sie haben einfach ihre ursprünglich politischen Rechte im ökonomischen Bereich in Besitzrechte umgeschrieben. Im Endergebnis sieht es wirklich danach aus, als wäre tatsächlich genau so etwas passiert. Aber der Eindruck täuscht. Es konnte sich beim Zusammenbruch des Kommunismus nicht um irgendeine geplante Strategie handeln. Es gab bestimmt keine geheime Abmachung, im Sinne von: Wir - die Mitglieder der Nomenklatura - werden jetzt das Kapital unter uns aufteilen. Dies wäre politisch nicht durchsetzbar und die ehemaligen Funktionäre würden sich bestimmt nicht friedlich einigen können, nach welchem „Schlüssel“ diese Aufteilung erfolgen sollte. Und schon gar nicht konnte dies der Fall in der ehemaligen DDR sein. Die dortigen Kommunisten sind sich bestimmt im Klaren darüber gewesen, dass die Rückkehr des Kapitalismus eine vollständige Enteignung der Republik durch westliche Macht- und Wirtschaftseliten bedeuten würde. Und genau das ist später auch geschehen. „85% des ehemaligen volkseigenen - oder staatseigenen - Produktivvermögens sind im Zuge der Privatisierung an westdeutsche Eigentümer, 10% an Ausländer und nur ganze 5% an Ostdeutsche gegangen“. Nein, der Übergang zum Kapitalismus war kein von Oben organisierter Systemwechsel. Der Kommunismus brach wirklich zusammen, weil er nicht zu retten war - weil er ökonomisch versagt hat. Dass sich dann diejenigen, mit Insiderwissen das Meiste was übrig blieb unter den Nagel gerissen haben, ist nur folgerichtig. Die DDR ist hierbei die einzige Ausnahme.

Bemerkung: Wenn man sich z.B. die Slowakei anschaut, haben sich die „geschicktesten“ Parteimitglieder in die christlich-konservativen Parteien abgesetzt. Der Chef der stärksten dieser Parteien (SDKÚ) Mikulaš Dzurinda, ehemaliger Premier, hat früher sogar mit Gedichten die kommunistische Partei hoch leben lassen. Immer wieder hielt man ihm das Gedicht „Der siegreiche Februar“ unter die Nase, in dem er den Tag, als die Kommunisten die Macht übernahmen, huldigt. Das alles lässt ihn aber kalt. Schlimmer kann es wirklich nicht kommen, würde man sagen. Doch. Dieser Herr und seine Christdemokraten sind jetzt solch große Antikommunisten, wie man es sich kaum vorstellen kann. Der menschliche Zynismus und Opportunismus kennt offenbar keine Grenzen.

Nun ist die Welt kapitalistisch geworden. So wie vor dem Jahre 1917, oder besser gesagt fast so. Ein großes Land wie China ist nämlich immer noch kommunistisch, zumindest offiziell - was auch immer das sein mag. Wie wird es in dieser neuen, weitgehend kapitalistischen Welt weiter gehen? Das zu prophezeien hat keinen Sinn, weil die Zukunft von unzähligen Faktoren abhängt. Es lässt sich aber unschwer erraten, welche Merkmale für diese „neue“ Ordnung charakteristisch bzw. dominant sein werden. Die Folgen der Erpressungsmethode, auf der diese Ordnung gestellt ist, werden zugleich zu ihren wichtigsten Merkmalen gehören. Wir haben über diese Methode schon einiges gesagt, jetzt vervollständigen wir es.

Die Herrschaft, die auf Erpressung beruht, scheint auf den ersten Blick menschlicher zu sein, als diejenige, die auf Gewalt beruht. Die nähere Untersuchung hat uns aber wissen lassen, dass die Unterschiede gar nicht so groß sein müssen. Dabei haben wir noch nicht alle Faktoren berücksichtigt - nicht einmal die wichtigsten. Wie sieht es z.B. mit der Staatsgewalt in einer kapitalistischen Ordnung aus? Wenn eine Gruppe die Produktionsmittel monopolisiert, ist es für sie kein Problem, sich des Gewaltapparates des Staates zu bemächtigen. Sie muss dies sogar unbedingt tun. Die Menschen lassen sich nämlich nicht immer widerstandslos aushungern, sondern sie wagen es um ihr Recht auf Leben zu kämpfen. Die Geschichte erzählt, was dann passiert. Die ach so demokratischen und freiheitsliebenden Herrschaften hatten nie ein Problem damit, die Rebellionen der Arbeiter und Armen im Keime zu ersticken. Oder sie stecken die nicht Angepassten einfach in den Knast. Man hat sich dazu den netten Namen Law and Order ausgedacht. So waren 1996 in den USA mehr als 1,6 Millionen Menschen unter teils unmenschlichen Bedingungen eingekerkert, was eine Verdoppelung in knapp zehn Jahren bedeutet. Damit hat die gesamtgesellschaftliche Sträflingsquote diejenige der stalinistischen Sowjetunion zur Zeit des Gulag überschritten, stellte die liberale Wirtschaftswoche verwundert fest, als sie den Rückgang der Kriminalität mit der Praxis der „Zero Tolerance“ lobte. Nach OECD Statistiken ist die Zahl der Erwachsenen, die in den USA-Gefängnissen sitzen, mehr als zehn mal so hoch wie der EU-Durchschnitt.

Wir haben ebenfalls festgestellt, dass die Herrschaft, die auf Erpressung beruht, von ihrem Prinzip her den Stärkeren und Privilegierten von jeder Verantwortung für den Schwächeren und Beschädigten befreit. So werden die Rücksichtslosigkeit und Raffgier nicht nur hingenommen, sie werden sogar als moralisch positiv bewertet. Deshalb hält man in einer Gesellschaft, in der Macht auf Erpressung beruht, recht wenig von Moral jeglicher Art. Die Herrscher solcher Gesellschaften sind Individualisten, Relativisten und Nihilisten. Freiheit geht für sie über alles.

Sie sagen, mit Moral lässt sich sowieso kaum etwas erreichen. Ja, man kann mit einer moralischen Predigt bestimmt nicht erwirken, dass jemand ehrlich und gütig wird. Aber Moral bzw. die Ethik hat auch damit zu tun, welche Werte eine Gesellschaft fördert und fordert. In einer Gesellschaft, in welcher die darwinistische Auffassung herrscht, wonach die Arbeitslosen und die Armen minderwertig sind und für ihre Lage selber verantwortlich, werden andere Gesetze, Politik und Institutionen angestrebt, als in einer, in der die Auffassung herrscht, dass den Schwachen und Benachteiligten geholfen werden soll. Um nicht in die abstrakten Theorien abzuschweifen, belegen wir dies mit harten empirischen Tatsachen.

Der Kommunismus wollte bekanntlich durch die Umerziehung einen „neuen Menschen“ schaffen. Vergeblich. Aber in einer anderen Hinsicht wirkte die marxistische Ethik doch. Beim Kampf um die Posten war es selbstverständlich, dass sich jeder als der bessere Marxist gebrüstet hat. Um zu überzeugen, musste er folglich auch Taten vorlegen, so dass sich das System allmählich aber stetig humanisiert hat. Es hat den Bürgern tatsächlich immer mehr Freiheiten und Privatrechte gewährt, mehr Güter konnte es ihnen jedoch nicht anbieten.

Auch in den feudalen Gesellschaften war die Moral bzw. die Religion eine Kraft mit praktischen Folgen. Die Kirche hat die Adeligen immer daran erinnert, dass sie den Boden von Gott nur ausgeliehen bekommen hätten, mit der Pflicht, sich um die Armen zu kümmern. Diese Ethik hat also ein politisches System geschaffen, das auf der Machtteilung zwischen der Exekutive (Adel) und Legislative (Kirche) ruhte. Was früher die Kirche war, ist heute die Demokratie. Sie soll verhindern, dass die Kapitalbesitzer alles tun können, was ihnen gefällt bzw. was sie bezahlen können. Aber die Demokratie, so wie wir sie kennen, in der man einmal in vier Jahren irgendwo ein Kreuzchen macht, hat enttäuscht. Wir müssen uns also darüber Gedanken machen, wie man die Demokratie so stark machen kann, dass sie nicht ein Spielball der Wirtschaftskapitäne und Finanzhaie ist. Wie eben angedeutet, wird das später unser Thema sein.

Vorerst bleiben wir bei dem, was ist - in Zeit nach dem Zusammenbruch des Kommunismus. Was wir seitdem erleben, ist eine Konterrevolution von oben. Die Macht der Demokratie und der Politik schrumpft im erschreckenden Tempo immer weiter; an ihre Stelle tritt die Macht des Kapitals. Es wird der klassische Kapitalismus restauriert: der aus der Zeit zwischen zwei Weltkriegen und dem 19. Jahrhundert. Wer also mehr über die Zukunft wissen will, kann sich aus verschiedenen historischen Quellen informieren. Wer meint, die damaligen sozialistischen und kommunistischen Schriften und Bücher würden maßlos übertreiben, braucht sie nicht zu nutzen. Er könnte sich etwa die Enzyklika Rerum Novarum über die Arbeiterfrage vom Papst Leo XIII. anschauen. 

Mit gleicher Empörung über die Moral des Kapitalismus schreibt viel später auch ein anderer Papst, Johannes Paul II., in seiner berühmten Enzyklika Centesimus annus. Seine Schlussfolgerung: „Die menschlichen Defizite dieses Wirtschaftssystems, das die Herrschaft der Dinge über die Menschen festigt, heißen Ausgrenzung, Ausbeutung und Entfremdung.“ Es ist bemerkenswert, dass dies im Jahre 1991 geschrieben wurde, in der Zeit, als der Neoliberalismus und die Globalisierung gerade richtig damit begonnen hatten, ihr Unwesen zu treiben.

Aber nicht nur die Geschichte des Kapitalismus ist der Zeuge dafür, dass das Erpressungsprinzip zu schwersten moralischen Deformationen in sozialen Verhältnissen führt. Aus dem Feudalismus wird dasselbe berichtet. Auch in dieser Ordnung gab es nicht nur Adel, sondern auch Reiche - in den Städten -, die Produktionsmittel besaßen und ihre Beziehungen zu anderen auf rein Finazielle reduzierten. Die obigen Zitate von Augustinus und Bodin lassen uns in aller Klarheit wissen, wie diese Menschen waren und wie sie moralisch fühlten.

Wie war es in den vorchristlichen Sklavengesellschaften? Aber warum sollten sie uns auch interessieren? Es hat einen guten Grund. Je mehr man z.B. vom alten Ägypten erforscht hat, immer stärker hat sich die Auffassung verfestigt, dass die technisch anspruchsvollen Bauten wie etwa Pyramiden, mit Gewalt bzw. mit reiner Sklavenarbeit nicht möglich gewesen wären. Das Bild von dem Sklaventreiber mit der Peitsche und dem zitternden Sklaven passt gut in die liberale Welt der Freiheitsmärchen, es ist aber alles andere als eine treffende Beschreibung der damaligen Verhältnisse. Das Sklaventum war vermutlich weitgehend auf dem Erpressungsprinzip aufgebaut, so wie der Kapitalismus zwei Jahrtausende später. Und gerade dieses Verhältnis führte zu größten Unmenschlichkeiten und Unfreiheiten. Woraus können wir das schließen?

Wir lernten in der Schule über die Despoten des Römischen Reiches, die den Staat vereinnahmt und mit Gewalt geherrscht hatten. Seltsamer Weise hat Jesus, was den Liberalen sehr überraschen müsste, nie diesen „schrecklichen“ Staat angeprangert. Hat er etwas übersehen oder gar missverstanden? Schwer vorstellbar. Ihm musste bekannt gewesen sein, dass schon damals, nicht anders als heute, die Reichen gegen den Staat obstruierten. Vor allem weigerten sie sich Steuern zu zahlen. In der Bibel steht, dass diese „uralten Neoliberalen“ auch Jesus auf ihre Seite zu ziehen versuchten. Vergeblich.

    Jesus ließ sich einen Denar reichen und antwortete den Fragern mit der Gegenfrage: „Wessen Bild und Aufschrift ist das?“ Sie antworteten: „Des Kaisers.“ Darauf Jesus: „So gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist!“ „Und sie wunderten sich über ihn.“ Markus 12, 13-17.
    Und sie wunderten sich über ihn.  Kommt uns bekannt vor - oder?

Jesus wollte nicht zum Staatsfeind werden und er musste bestimmt auch wissen warum. Nicht etwa deshalb, weil er jedem alles verzeihen würde. Das hat er nicht getan. Ja, er war zu der Ehebrecherin gnädig und es machte ihm nichts aus, sie von der Steinigung zu befreien, auch wenn er damit gegen die damaligen jüdischen Gesetze verstoßen musste. Es stimmt auch, dass er sogar den Dieb, den man an seiner Seite hinrichtete, ins Gottesreich einlud: Also einen „kleinen Reichen“, um mit Augustinus zu sprechen. Aber bei den großen Reichen kannte er keine Gnade. Nicht einmal seine grenzenlose göttliche Liebe konnte dazu ausreichen, einen von ihnen ins Paradies zu lassen. Wie war es noch einmal: „Es ist leichter, dass ein Kamel durch ein Nadelöhr gehe, als dass ein Reicher ins Reich Gottes komme.“

Was sagt uns also die Jahrtausende lange Erfahrung der Menschheit mit den Reichen? Sie bestätigt, dass beim Geld nicht nur die Freundschaft, sondern auch die Menschlichkeit aufhört. Nicht nur für Jesus ist der Reiche der Inbegriff des moralischen Absturzes und Dekadenz, sondern auch für alle östlichen Religionen; für den letzten Begründer einer Weltreligion, Mohamed, genauso. Er war in der günstigen Lage, sich auf die mehrere Jahrhunderte alte Erfahrung zu stützen, die eindeutig war. Die Reichen ließen sich durch Jesus Mahnungen nicht im Geringsten beeindrucken. Deshalb hat er es ihnen (wie im alten Testament) verboten, Zinsen zu nehmen, sowie konkrete Pflichten den Armen gegenüber erlegt (Zakat - auch als „Armensteuer“ bekannt). Man kann sich also denken, welche Religion in der Zukunft größere Chancen auch im Westen haben wird, wenn unsere Reichen ihren Terror gegen die eigene Bevölkerung nicht einstellen. In den folgenden Beiträgen wollen wir die Strategien, derer sie sich dabei bedienen, näher beleuchten.     

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