Geschichte wiederholt sich nicht (sofort)

Später hat Brüning Deutschland verlassen und wurde in den Lehrkörper der Universität Harvard aufgenommen. Dort schilderte er jedem, der es hören wollte - so erzählt uns Galbraith -, "die schlimmen Folgen, die das (darauffolgende) Abgehen von seiner rigorosen Sparpolitik haben mußte, einer Politik, von der er steif und fest behauptete, daß sie mit der Verzweiflung, aus der heraus erst der Faschismus seinen Zulauf hatte, nicht das mindeste zu tun gehabt hätte".
1: S. 267
Die Steuerreform vom Sommer 1925 trug dem Grundsatz der "Wirtschaftlichkeit der Steuerlast". ... In deutlicher Abkehr von dem Umverteilungseffekt der Steuerreform Erzbergers wurde die Spitzenbesteuerung der Einkommen von 60 Prozent um ein gutes Drittel herabgesetzt, während der Minimalsteuertarif von 10 Prozent bestehen blieb. ... Der Anstieg der Einnahmen aus der Lohnsteuer und den Massenverbrauchssteuern stand in deutlichem Gegensatz zum Aufkommen aus allen anderen Steuerarten.
2: S. 272
Ende 1925 überstieg die Arbeitslosigkeit erneut die Zweimillionengrenze.
2: S. 273
Obwohl Brüning seine politische Karriere als Mitarbeiter Adam Stegerwalds und Generalsekretär des Deutschen Gewerkschaftsbundes begonnen hatte, besaß er als Finanzexperte niemals ein engeres Verhältnis zur Arbeiterschaft.
2: S. 357
Es gelang Brüning im Juli 1930 nicht, für ein derartiges Regierungsprogramm eine parlamentarische Mehrheit zu finden. Damit wurde endgültig die Politik der Notverordnungen und die Ausschaltung des Parlaments eingeleitet. Brüning, längst davon überzeugt, daß der Parlamentarismus eine Lösung der Staats- und wirtschaftspolitischen Probleme der sich verschärfenden Finanz- und Wirtschaftskrise nur behindere, reagierte auf seine Abstimmungsniederlage mit der Auflösung des Reichstags.
      Das wirtschaftspolitische Programm setzte Brüning mit Hilfe des Artikels 48 der Weimarer Verfassung auf dem Verordnungsweg in Kraft. Seine wichtigsten Elemente waren die Kürzung der Staatsausgaben und eine konsequente Politik der Deflation. Angesichts der Erfahrungen während der großen Koalition wurde der Haushaltssanierung der Rang eines höchsten wirtschaftspolitischen Zieles zugemessen. Selbst noch ein Jahr später, im Mai 1931, als die Arbeitslosenziffer bereits die 4-Mill.-Grenze überschritten hatte, forderte der Staatssekretär im Reichsfinanzministerium, Schaffer, in einer Denkschrift zur Krisenfrage, dass der Deckung des Haushaltes "das Primat vor allen anderen Aufgaben" zuzuweisen sei.
3: S. 102
Das deutsche Preis-. und Lohnniveau sollte um 20 Prozent sinken ... Die dritte Notverordnung zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen vom 6. Oktober und die vierte vom 8. Dezember 1931 dienten diesem Ziel. Löhne und Gehälter wurden per Dekret abgesetzt.
      Die staatlichen Investitionen, Subventionen an die private Wirtschaft und die Sozialausgaben wurden weiter stark gekürzt. Im Jahr 1932 brachte Brüning den Reichshaushalt dadurch annähernd zum Ausgleich, aber die Investitionstätigkeit wurde so stark gedämpft, daß die Nettoinvestitionen in Deutschland negative Werte erreichten. Gleichzeitig stieg die Arbeitslosenzahl 1932 auf über sechs Millionen Personen.
      Die Nationalsozialisten witterten Morgenluft. In ihrer Presse etikettierten sie Brünings Notverordnungen als "Konjunkturabkurbelungspolitik" und erarbeiteten gleichzeitig Pläne für eine expansive Geldpolitik. Die Tragik der Weimarer Republik liegt darin, daß ausgerechnet die extreme Rechte die Ursachen der Verschärfung der Wirtschaftskrise in Deutschland, nämlich die gleichzeitig restriktive Geld- und Haushaltspolitik, richtig erkannte.
4: S. 165
Nach und nach wurde der Kreis Empfangsberechtigten beschnitten, die Wartezeit verlängert (7-21 Tage je nach Familienstand), die Bezugsdauer verkürzt (von 26 auf 20 Wochen im Falle des Arbeitslosengeldes und von 39 auf 32 Wochen im Falle der daran anschließenden Krisenfürsorge) und die Bemessungsgrundlage reduziert (auf das der Arbeitslosigkeit vorhergehende Arbeitsentgelt von maximal 40 Wochenstunden). Im Juni 1931 wurden schließlich die Leistungsansprüche um 6,3% bis 14,3% herabgesetzt. All das zusammen reduzierte die durchschnittlichen Ausgaben pro Versicherten von 81 auf 57 Mark im Monat. ... Vom Dezember 1931 an brauchte die Unfallversicherung Wegeunfälle gar nicht mehr und Arbeitsunfälle nur noch dann zu entschädigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um mehr als 20% verminderten. Die Rentenversicherung strich zur gleichen Zeit die Kinderzuschüsse und die Waisenrenten, verlängerte die Wartezeiten ... Die Krankenkassen schließlich wurden dazu verpflichtet, nur noch die gesetzlich festgelegten Leistungen zu erbringen. ... Die durchschnittlichen Ausgaben pro Versicherten sanken von 1929 bis 1932 um mehr als 1/3.
        Die Einkommen im öffentlichen Dienst (einschließlich der Pensionen) wurden in drei Raten herabgesetzt. Die Notverordnung vom Dezember 1930 senkte die Beamten-und Angestelltengehälter um 6%, ... Im Juni 1931 wurden die Gehälter um weitere 4-8 % und nun auch die Löhne um 2-3,5% reduziert. Abschließende Kürzungen der Gehälter um 9% und der Löhne um 10% im Dezember 1931 erhöhten die Einbuße an Nominal-Einkommen für die Beamten und Angestellten auf insgesamt 18-21% und für die Arbeiter auf 12-13%.
13: S. 326
Brüning begriff nicht, daß er sich zum Vollstrecker derjenigen Interessen gemacht hatte, die den Konjunktureinbruch zum Abbau der Sozialleistungen und zu umfassenden Lohnsenkungen zu nutzen gedachten.
2: S. 361
Obwohl diese Wirtschaftspolitik Brünings weitgehend die Krise verstärkt hat, ging sie den Industrieführern doch nicht weit genug; sie forderten eine zweite Lohnsenkungsrunde und Verzicht auf Preissenkungsaktion und ließen Brüning, als er dies nicht energisch genug betrieb, im Herbst 1931 fallen.
        Jedoch nicht nur ökonomische Interessen, sondern auch "überkommene soziale Mentalitäten und Verhaltensweisen" des autoritären Kapitalismus kamen jetzt in einem kontinuierlich vorgetragenen Angriff auf die sozialstaatliche Komponente der Weimarer Verfassung selbst zur Geltung. Die Forderung nach Auflockerung bzw. Aufhebung des kollektiven Tarifvertragssystems, besonders nach Aufgabe der staatlichen Zwangsschlichtung bei Arbeitskämpfen (als letzter Möglichkeit, wenn die Tarifpartner sich nicht einigen konnten) und nach Abbau der staatlichen Sozialleistungen (Sozialversicherung, Arbeitslosenfürsorge), bildeten die Komponenten dieser Offensive. Ihr Ziel ließ sich nur erreichen, wenn es noch unter dem Druck der Krise durchgesetzt wurde, bevor ein etwaiger Wiederaufschwung auch den Gewerkschaften stärkeren Einfluß geben konnte.
8: S. 69
Das erste Land, das die im Innern unpopulären Opfer auf sich nehme, werde "an die Spitze kommen", so erläuterte der Kanzler Anfang Oktober 1930.
2: S. 439
Die Sozialdemokratie folgerte aus dem Kampf um die Demokratie jedenfalls die Notwendigkeit, die Brüningsche Präsidialpolitik der Notverordnungen zu tolerieren, d.h. praktisch zu unterstützen. Die Masse aber verlor wachsend den Kontakt zu ihren Führern. Sie sah nur die steigende Belastung der Arbeitnehmerschaft, die anwachsende Arbeitslosigkeit und verstand die Beweggründe einer Politik nicht, die ... in den Augen der breiten Masse nur ständige Siege der privatkapitalistischen Wirtschaft mit sich brachte. Die Gewerkschaften aber verloren auf diese Weise mehr und mehr das Vertrauen ihrer Anhänger, die für diese Politik auch die Gewerkschaften verantwortlich machten. Als Papen dann, gestützt auf den von eben diesen Arbeitnehmern gewählten Reichspräsidenten von Hindenburg, die Sozialdemokratie und mit ihr die Weimarer Koalition in der Preußenregierung gewaltsam ausschaltete, besaßen die Gewerkschaften bereits nicht mehr die Macht, den Abbau der Sozialpolitik, geschweige denn die Unterhöhlung der Weimarer Demokratie aufzuhalten. Die Unternehmerschaft konnte nun im wesentlichen ihre Auffassungen durchsetzen.
5: S. 526
In Kreisen der Wirtschaft überwog anfänglich die Neigung, den Konjunktureinbruch, der sich erst in der zweiten Jahreshälfte 1930 in vollem Umfang bemerkbar machte, auf endogene Ursachen, vor allem überhöhte steuerliche Belastungen und Sozialausgaben zurückzuführen.
2: S. 440
Fast gleichzeitig [30. 10. 1931] nahm auch Carl Friedrich v. Siemens in einer Rede vor amerikanischen Industriellen gegen den angeblich sozialistisch-gewerkschaftsfreundlichen Kurs der Regierung, gegen Tarifrecht und Sozialpolitik Stellung. Er betonte die Bedeutung der nationalsozialistischen Gegenbewegung gegen die „logische Konseauenz des Sozialismus“, den Kommunismus. Indem er „die Bekämpfung des Sozialismus“ als das „Hauptziel“ der NSDAP bezeichnete, sie als ein „ideelles“ Bollwerk gegen die „materialistischen Bestrebungen“ pries und ihre Legalitätsnolitik kommunistischer Revolutionsdrohung entgegensetzte, gab auch dieser durchaus gemäßigte Exponent der Schwerindustrie der wachsenden Rechtsentwicklung der „Wirtschaft“ und ihren verhängnisvollen Illusionen über Charakter und Bedeutung des Nationalsozialismus Ausdruck.
12: S. 389
Dennoch schaffte es die deutsche Wirtschaft in den Jahren von 1930 bis 1933 Exportüberschüsse zu erwirtschaften.
4: S. 120
Die   N o t v e r o r d n u n g   vom 4. September 1932 enthielt den Kern der Popen'schen Maßnahmen. Sie sah Steuererleichterungen für die Produktion ... weiter aber wurde hier die schon lange von der Industrie geforderte Auflockerung der Tarifverträge durch die Möglichkeit durchzuführen gesucht, bei Arbeitszeitunterstreichung und bei betrieblicher Notlage den Tariflohn zu unterschreiten. Für Mehrbeschäftigung von Arbeitsnehmern gewährte die Regierung außerdem Lohnsubventionen.
5: S. 398
"Sozial im besten Sinne des Wortes wird der Staatsmann sein, der durch eiserne Sparsamkeit die Finanzen von Reich, Ländern und Gemeinden in Ordnung bringt und somit der staatlichen Fürsorge überhaupt erst die Möglichkeit verschafft, den notleidenden Arbeitern zu helfen." - Von Papen über sich selbst.
6: S. 332
Trotz in Einschränkung der Leistungen der Arbeitslosenversicherung im Hinblick auf die Unterstützungsdauer, den Kreis der Anspruchsberechtigten und die Höhe der Alimentation, trotz der ständigen Kürzungen in den nachfolgenden Unterstützungsformen, der Reduzierung der Leistungen in Sozial- und Krankenversicherung, der Schrumpfung der Wohlfahrtsfürsorge und der Rentenzahlungen und desgleichen der Abtrennung der Arbeitslosenversicherung vom Reichshaushalt stiegen die Sozialausgaben.
2: S. 445
Die Großindustrie führte den Konjunkturrückgang vornehmlich auf die verfehlte Sozialpolitik zurück und war entschlossen, eine Verringerung der Selbstkosten zu erreichen. Erst langsam setzte sich die Einsicht durch, daß die Krise, die nicht einheitlich verlief, kontraktive Effekte auslöste, die mit einer Senkung der Lohnkosten und Steuern nicht abzufangen waren, und daß sie die Existenz zahlreicher Betriebe unmittelbar bedrohte. Die Industrieproduktion fiel, gemessen an dem Höchststand von 1927/28, bis 1932/33 um mehr als 43 Prozent, die Stahlerzeugung um 65 Prozent.
2: S. 441
Boschs Forderung, eine gesetzliche Verkürzung der Arbeitszeit vorzusehnen, stieß, wie nicht anders zu erwarten war, auf den massiven Widerstand der Schwerindustrie, obwohl Carl Bosch einen Lohnausgleich - in Übereinstimmung mit den Gewerkschaften - ausschließen wollte. Nach außen argumentierte die Schwerindustrie, dies laufe auf eine unzumutbare Erhöhung der Gestehungskosten hinaus.
2: S. 449
Die Regierung Brüning, seit Frühjahr 1930 im Amt, hatte trotz ausgiebigen Gebrauchs des Notverordnungsrechts nicht vermocht, die Krise zu bewältigen. ... Regierung Papen ... zahlte den Unternehmern für jeden zusätzlich eingestellten Arbeiter eine Lohnprämie von 400 RM im Jahr. Dafür stellte sie insgesamt 700 Millionen RM bereit. Außerdem gab sie bei der Zahlung von rückständigen Steuern Steuergutscheine in Höhe von durchschnittlich 40 °/o des bezahlten Betrages aus ..  Der Index der Aktienkurse, der im August 1932 bezogen auf den Durchschnitt der Jahre 1924 bis 1926 bei 52,2 lag, stieg bis zum Dezember auf 61,8..
11: S. 57
Die Regierungserklärung, die Papen als erster Kanzler der Republik über den Kopf des aufgelösten Reichstags hinweg der Öffentlichkeit vorlegte, stand freilich noch ganz im Zeichen der Papenschen Kalkulationen. Sie gipfelte in Anklagen gegen die „Mißwirtschaft der Parlamentsdemokratie“ und berief sich auf die negative Bilanz der vorangegangenen Regierungen, die „keine der notwendigen grundlegenden Reformen“ verwirklicht, durch „steigenden Sozialismus“ die Krise verschärft und „die moralischen Kräfte der Nation verbraucht“ habe..
12: S. 481
Das Schwergewicht [der Regierung Papen] lag auf der Senkung der Ausgaben und dabei so gut wie ausschließlich auf der Kürzung von Sozialleistungen. ... Am schwersten war freilich ein weiteres Mal die Arbeitslosenversicherung betroffen. Die Regierung ließ sich durch die Verordnung dazu ermächtigen, die Sätze der Arbeitslosenunterstützung zu senken und deren Bezug nach Ablauf einer näher zu bestimmenden Bezugsdauer von einer Bedürftigkeitsprüfung abhängig zu machen. Aufgrund der Ermächtigung setzte sie die Arbeitslosenunterstützung wenig später tatsächlich um annähernd 1/4 hinunter und kürzte ihre Bezugsdauer von 20 auf 6 Wochen. ... Damit hatte Papen zwar noch nicht vollends der seit geraumer Zeit vielfach erhobenen Forderung nachgegeben, die Arbeitslosenversicherung in eine Arbeitslosenfürsorge rückzuverwandeln und damit Rechtsansprüche in amtliches Wohlwollen aufzulösen, aber er war auf dem besten Weg dazu.
13: S. 336
Von Papens Rücktritt beendete eine Phase konservativer Illusionen, die nicht zufällig von einem führenden Mitarbeiter der Herrenklub-Zeitschrift "Der Ring" artikuliert wurden. Die unaufgearbeiteten sozialen und politischen Ressentiments einer vergleichsweise kleinen Oberschicht, die ihre angestammten gesellschaftlichen und ökonomischen Privilegien durch das Vordringen des Wohlfahrtsstaates bedroht sah und ihr privates mit dem öffentlichen Interesse gleichsetzte, stellten das soziale Widerlager eines Übergangsregimes dar, das sich nur mittels der kontinuierlichen Staatsstreichdrohung an der Macht zu halten vermochte. Es war charakteristisch, daß es sich gegen die politische Linke mit dem "Preußen-Schlag" widerstandslos durchsetzen konnte, aber bei dem Versuch, die populistische Mobilisierung von rechts in Form der NS-Bewegung einzudämmen, hoffnungslos versagte.
2: S. 590
Die Politik der Weimarer Republik stand allmählich, aber immer eindeutiger, nicht mehr über den Klassen, wie es ihren Vätern vorgeschwebt hatte, sondern sie wurde mehr und mehr ein Spielball dieser Klassen. Eine niedergehende Konjunktur, vor allem aber eine Wirtschaftskrise wie die nun einsetzende, musste diese Demokratie zu einem Instrument einseitiger privatwirtschaftlicher, kapitalistischer Interessen machen.
5: S. 514
Solange ein sozialer Ausgleich noch zustande kam, lebte die Republik. Als die antagonistischen Gruppen hierzu nicht mehr bereit waren, ging sie zugrunde. Grundläge des politischen Kompromisses war der gesellschaftlich-wirtschaftliche Ausgleich. Dieser Ausgleich ist in seinen verschiedenen Erscheinungsformen von Anfang an gefährdet gewesen. Die Arbeitsgemeinschaft zwischen Gewerkschaften und Unternehmerverbänden bestand nur wenige Jahre. Spätere Erneuerungsversuche scheiterten. Das in der Verfassung vorgezeichnete wirtschaftliche Rätesystem blieb ein Torso. Die im Betriebsrätegesetz vorgesehene begrenzte unternehmerische Mitbestimmung wurde, nicht praktiziert. Arbeitszeit und Lohntarife waren Gegenstand einer Kette von Arbeitskämpfen trotz staatlichem Schlichtungswesen. Die demokratische Schulreform blieb in den Anfängen stecken..
9: S. 329
Als die Konjunktur nach unten ging, benutzten die Unternehmer, nicht mehr auf die Zusammenarbeit mit den Vertretern der Arbeitnehmer angewiesen, ihren auf die Reichspolitik gewonnenen Einfluss im Sinne ihrer Zielsetzungen. ... Sicher hat die Entwicklung der Weltwirtschaftskrise ... das ihre zu dieser politischen Entwicklung beigetragen. Der Kern lag jedoch im Versagen des deutschen Parlamentarismus, der sich die Führung der Politik, hier der Wirtschafts- und Sozialpolitik, aus der Hand winden ließ.
      Die weitere Entwicklung kann auf diesem polischen Hintergrunde nur als folgerichtig bezeichnet werden. ... Die Unternehmer setzten über die Präsidialregierungen ihren Willen durch, die Krise wie die Kriegsfolgen nicht zu Lasten des Ertrags, sondern zu Lasten des Arbeitnehmereinkommens zu überwinden. Die Tatsache, daß die Gewerkschaften zunächst noch politischen Rückhalt besaßen, förderte nur den Kampf der Wirtschaftsmächte gegen die Demokratie selbst. Der Kampf um die Weimarer Sozialpolitik trug so zum Verhängnis der Weimarer Demokratie bei. Mit Papen schien die soziale Demokratie niedergeworfen. Der Versuch Schleichers, auf der Grundlage einer leise ansteigenden Konjunktur erneut mit den Gewerkschaften zusammenzuarbeiten, beschleunigte seinen Sturz. Papen und die Schwerindustrie öffneten Hitler das Tor zur Macht.
6: S. 527
Am 24. Januar 1933 meldete sich Zerher mit dem Artikel "Autoritär oder parlamentarisch?" zu Wort. Nachdem Zehrer festgestellt hatte, daß nur das Verlassen der bisherigen wirtschaftlichen und sozialen Linie den autoritären Staat noch retten könne, kam er auf die verworrene Gegenwart zu sprechen. Er fuhr fort: Denn es ist bisher leider so gewesen, daß die autoritären Kabinette sich langsam vom Parlamentarismus lösten ... Das Kabinett Brüning setzte sich für die Banken, das Kabinett Papen für die gesamte Privatwirtschaft und das Kabinett Schleicher, trotz der Aufgeschlossenheit des Generals und seines Willens zur Siedlung, für den Grundbesitz ein. ...
      Das Volk glaubt auch nicht mehr daran, daß Wahlen und Parteien die Behebung der Krise bringen werden. Es wehrt sich aber erbittert dagegen, daß der autoritäre Staat dort, wo er handelt, für die Interessen des Großgrundbesitzes, der Großfinanz und der Schwerindustrie handelt ...

      Wäre irgendeines der autoritären Kabinette wirklich sozial gewesen und hätte es im Sinne der über 90% des deutschen Volkes gehandelt ...

      Hätten wir auch nur  e i n e  entschlossen Maßnahme eines autoritären Kabinetts erlebt, die dem sozialen Willen und den sozialen Notwendigkeiten des Volkes entsprochen hätte, oder ...

       hätten wir die Löhne gehalten und die Arbeitszeit verkürzt, oder ...

       hätten wir eine wirkliche Arbeitsbeschaffung durchgeführt, oder ...

       hätten wir die Millionen und Milliarden, die den Banken, der Industrie oder dem Großgrundbesitz zugeflossen sind, in die breite Masse des Volkes gesteckt ...

6: S. 372
Unter Hitler wurde Deutschland zu einer Karikatur seiner kulturellen Werte. Aber die nationalsozialistische Wirtschaftspolitik ... tat zunächst genau das richtige: expansive Haushaltspolitik zur Finanzierung von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen in Kombination mit expansiver Geldpolitik. Erst als die Vollbeschäftigung 1936 annähernd erreicht war und sich inflationäre Symptome zeigten, wurde dieser Kurs zu einer Inflationsgefahr. Aber zu diesem Zeitpunkt gab es für Hitler keine höhere Priorität als die Vorbereitung des Krieges. Er steigerte die Rüstungsausgaben gewaltig und benötigte die Notenpresse zu deren Finanzierungen.
4: S. 185
Hier ist der internationale Vergleich besonders aufschlußreich. Von allen westlichen Sozialstaaten schrumpfte nur in der Weimarer Republik der Kreis der Sozialversicherten und der Umfang der Leistungen in einem derart eklatanten Maße. Auch in Großbritannien zum Beispiel fiel die Arbeitslosigkeit extrem hoch aus, doch das Parlament verstand sich keineswegs zu einem Abbau der Sozialpolitik; in Dänemark wurde sie sogar konsequent antizyklisch ausgebaut. Der Unterschied im Vergleich mit stabilen europäischen Demokratien lag darin, daß das Vordringen des autoritären Staates in Deutschland zu einer sozialpolitischen Abbruchstrategie ... führte, die immer tiefer in die Legitimationskrise hineinführte.
7: S. 434
Historisch gesehen trugen der politische und wirtschaftliche Zusammenbruch der deutschen Demokratie und der Aufstieg Hitlers Anfang der dreißiger Jahre maßgeblich dazu bei, dass der damalige Globalisierungsprozess ein Ende fand.
10: S. 7
1: John K. Galbraith, Die Entmythologisierung der Wirtschaft, Paul Zsolnay Verlag, Wien, 1998.
2: Hans Mommsen, Aufstieg und Untergang der Republik von Weimar, Ullstein, Berlin, 1998.
3: Dietmar Petzina, Die Deutsche Wirtschaft in der Zwischenkriegszeit, Steiener Verlag, Wiesbaden 1977.
4: Carl-Ludwig Holtfrerich, Requiem auf eine Währung, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 2001.
5: Ludwig Preller, Sozialpolitik in der Weimarer Republik, Franz Mittelbach Verlag, Stuttgart, 1949.
6: Franz v. Papen, Vom Scheitern einer Demokratie, Hase&Koehler-Verlag, Mainz, 1985.
7: Hans-Ulrich Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte (Band IV), Verlag C. H. Beck, München, 2003.
8: Fritz Fischer, Bündnis der Eliten, Droste Verlag, Düsseldorf, 1979.
9: Karl Dietrich Erdmann, Die Zeit der Weltkriege, Union Verlag, Stuttgart, 1973.
10: Harold James, Der Rückfall, Pieper Verlag, München-Zürich, 2001.
11: Wolfram Fischer, Deutsche Wirtschaftspolitik, C.W. Leske Verlag, Opladen, 1968.
12: Karl Dietrich Bracher, Die Auflösung der Weimarer Republik, Ring-Verlag, Villingen, 1971.
13: Christoph Müller (Hrsg.), Der soziale Rechtsstaat, Nomos Verlag, Baden-Baden, 1984.
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