zurück
KEYWORDs: ♯Postings 2020  |   ♯Ordoliberalismus  |   ♯Neoliberalismus  
   
 

  Die sogenannte „soziale Marktwirtschaft“ - die zweite fatale deutsche Lebenslüge? (I)
 
  YouTube :   youtube abschpielen  
           
  Das angebliche deutsche Wirtschaftswunder als Projekt des Schaufensters nach Osten:

Vor dem 2. Weltkrieg hat die ganze kapitalistische Welt alle legalen und illegalen Mittel benutzt, das erste kommunistische Land zu besiegen - erfolglos. Es hatte damals bestimmt seine Gründe, warum das Volk fest hinter den Kommunisten stand, trotz des unglaublichen Preises, wie etwa der Hungertod von Millionen Menschen - darum geht es jetzt aber nicht. Nicht gelungen ist es auch den unter den Nazis und ihren Verbündeten vereinten und geführten Armeen Europas, mit etwa 4 Millionen Soldaten, 4.000 Panzern und 5.000 Flugzeugen. Als es offensichtlich wurde, dass die Rote Armee die Ufer des Atlantiks erreichen würde, haben die Amerikaner in der Normandie die westliche Front eröffnet. Um schneller der Roten Armee entgegentreten zu können, bombten sie erbarmungslos die Städte und Zivilisten in Grund und Boden, um die Deutschen zu demoralisieren - bekanntlich mit wenig Erfolg. Für die Deutschen war Hitler immer noch derjenige, der die Große Depression beendete und in wenigen Jahren das Zweite deutsche Wirtschaftswunder geschaffen hat, als noch - dem neoliberalen ökonomischen Dogma folgende - westliche Länder wirtschaftlich am Boden lagen. Welches Volk würde so einen Herrscher nicht bewundern? Was die Amerikaner nach der Landung sehr geschont haben, waren die industriellen Kapazitäten. Wenn man nämlich Krieg führt, tut man es weder aus Bosheit noch aus irgendwelchen humanistischen Gründen, sondern man erhofft sich als Sieger plündern zu können. Das ist in dem Video richtig beschrieben. Der Augenzeuge John K. Galbraith, der später zu populärsten amerikanischen Ökonomen zählte, hat es wie folgt beschrieben.

     
 

Seit etwas siebzig Jahren befasse ich mich mit wirtschaftswissenschaftlichen Themen. ... Im Lauf der Jahre habe ich gelernt, dass man sich ehrlicherweise damit abfinden muss, dass die allgemeine Anschauung - das, was ich andernorts die „herrschende Meinung“ genannt habe - und die Wirklichkeit ständig auseinander klaffen.

Am Ende des Krieges war ich verantwortlich für die Auswertung und Beurteilung der Einsatzberichte des Strategischen Bomberkommandos der USA. Ich leitete einen großen Stab von Wirtschaftswissenschaftlern, welche die Auswirkungen der Bombenangriffe gegen Deutschland und später auch gegen Japan auf die industrielle und militärische Infrastruktur dieser Länder bewerten sollte. In Deutschland waren die Folgen der strategischen Bombardierung von Industrieanlagen, Verkehrswegen und Städten aus alliierter Sicht zutiefst enttäuschend. Der Krieg wurde nicht verkürzt. Angriffe

Der Schrecken, den der Luftkrieg in den deutschen Städten verbreitete, und der gewaltige Blutzoll, den er unter der Zivilbevölkerung forderte, wirkten sich nicht nennenswert auf die Kriegsproduktion oder den Verlauf des Krieges aus.

Die alliierten Streitkräfte und natürlich insbesondere das Oberkommando der Luftwaffe verwahrten sich entschieden gegen diese Untersuchungsergebnisse, obgleich sie von den fähigsten und sachkundigsten Wissenschaftlern in den USA und Großbritannien erstellt und von deutschen Wirtschaftsfunktionären und tadellosen deutschen Statistiken untermauert wurden. All unsere Schlussfolgerungen wurden vom Oberkommando der Luftwaffe und seinen Verbündeten in Politik und Wissenschaft vom Tisch gewischt. Letzteren gelang es sogar, meine Berufung als Professor an die Harvard-Universität ein Jahr lang zu blockieren.

 
  John. K. Galbraith, Die Ökonomie des unschuldigen Betrugs, 2005, S. 11, 100, 101.    

Was geschah aber, als die Amerikaner die westliche Hälfte Deutschlands besetzt hatten? Vae victis! - sagt das lateinische Sprichwort: Wehe den Besiegten! Die ewigen Krieger des alten Roms mussten es wohl wissen. Doch es gibt Ausnahmen, wenn auch nicht oft, nämlich dann, wenn es aus geopolitischen Gründen vernünftig und nützlich ist, den Besiegten zu schonen. Diese glückliche Ausnahme verdankt Deutschland dem Wettbewerb der Systeme. Anstatt Deutschland ausplündern und zu versklaven, entschieden sich die Amerikaner Deutschland zum neuen westlichen kapitalistischen Schaufenster für den Kommunismus in Mittel- und Osteuropa zu machen. Im Video ist auch das richtig dargestellt.

Die Autoren des Videos haben auch Recht damit, dass die Währungsreform keine deutsche Erfindung war. Sie wurde von den Amerikanern erdacht, vorbereitet und durchgeführt. Es klang aber besser, dem besiegten deutschen Volk zu sagen, es geschehe auf seine eigene Initiative und sei die Idee eines gewissen Ludwig Erhard - der nebenbei bemerkt seine Karriere im 3. Reich begonnen hat.dorthin Übrigens ist eine Währungsreform eine ganz übliche Praxis, wenn ein Land nach einer Katastrophe von Null wieder anfangen soll. Insbesondere nach Krieg ist Währungsreform fast immer unumgänglich.

Dass damals nicht nur in Deutschland ein Wirtschaftswunder stattfand und es deshalb nicht stimmt, die Deutschen seien fleißiger als die Bürger anderer Länder, ist auch richtig im Video festgestellt. Dem kann man noch hinzufügen, dass auch die sog. Gastarbeiter in Deutschland sehr fleißig waren, weil sie gut verdienen konnten. Dieselben waren in der Heimat aber gar nicht fleißig gewesen, weil sie dort viel weniger verdienen konnten.

Das alles sind richtige Feststellungen im Video. Die weiteren Erklärungen der Autoren zum Wirtschaftswunder der Nachkriegszeit sind aber Spitzfindigkeiten oder gar ziemlich unsinnige Spekulation. Es geht um den Schnittpunkt im Diagramm, als der Export den Import überstiegen hat und Deutschland zum Exportweltmeister wurde.

     
  schnitt  
     

Zunächst sieht man im Diagramm die ersten Jahre nach dem Krieg, als Deutschland mehr importierte als exportierte. Das war der Zeit des amerikanischen Marshallplans. Nebenbei bemerkt: Für die Amerikaner war es doch keine reine Wohltätigkeit. Das gehörte zu Roosevelts bzw. Trumans Konzeption, die amerikanische Wirtschafte von der Überproduktion zu befreien, die durch die große Wirtschaftskrise entstanden war. Was aber Deutschland und Westeuropa betrifft, war der Marshallplan gar nicht so bedeutungslos, wie es die Autoren des Videos offensichtlich gern hätten. Von rund 12,4 Milliarden Dollar fließen „nur“ 1,5 Milliarden Dollar an Deutschland. Ja, wenn etwas verschenkt wird, man hat lieber mehr als weniger. C'est la vie! dorthin

Und je mehr das Wirtschaftswunder im Video erklärt wird, desto mehr sind die Erklärungen falsch bis abstrus. Sie haben immer das Beweismuster, ohne das eine Vorhersage der neoliberalen Experten kaum vorstellbar ist. Unter Zauberern ist es nämlich ein gängiger Trick, eine weiße Taube aus dem Hut zu ziehen, bei neoliberal ausgebildeten Ökonomen ist es der schwarze Schwan. Das Video ist somit ein gutes Beispiel, wie die neoliberalen Ökonomen immer einen schwarzen Schwan finden, wenn sie mir ihren Erklärungen nicht weiterkommen.

In der Zeit nach dem 2. Weltkrieg kommt als erster schwarzer Schwan der Koreakrieg, der - wie alle Kriege - die Nachfrage nach Rüstungsgütern steigen lässt. Es wäre aber unschön, das deutsche Wirtschaftswunder der Rüstungsproduktion zuzuschreiben und außerdem stimmt es nicht, deshalb findet man schnell den nächsten schwarzen Schwan: Deutschland lernte sehr schnell Autos zu produzieren und mit der Automobilproduktion wurde es zum Exportweltmeister. Hier stimmschon einiges nicht:

Schon Hitler hatte seinerzeit das Projekt Volkswagen begonnen - daher auch der Name - das wird aber nicht erwähnt. Man würde meinen, die Autos wurden gut, die Welt kennt die deutsche Technik als die beste, deshalb wurden sie so erfolgreich exportiert. Aber der (angebliche) Historiker Lutz Budraß findet, dass die Käfer eigentlich Schrott waren. Nebenbei bemerkt, aus Wikipedia erfährt man, dass Lutz Budraß von 1981 bis 1987 Volkswirtschaftslehre, Mathematik, Sozialwissenschaften und Geschichte studierte. Hier steht die Wirtschaftswissenschaft, die neoliberale natürlich, ganz vorne und die Geschichte ganz hinten. Wenn es nicht so dumm wäre, wäre es fast amüsant, dass man für die Käferproduktion auch noch unbedingt Spezialisten aus Ostdeutschland nötig hatte. Dem „Historiker“ ist nämlich ganz entgangen, dass das erste Fließband-Auto aus Deutschland das von Adam Opel war und dass Opel im Jahr 1928 mit einem Marktanteil von 44 Prozent der größte deutsche Automobilproduzent war.

Und auch mit dem anderen üblichen neoliberalen Unsinn konnte uns Werner Abelshauser nicht verschonen: Wie die Marktwirtschaft ihre Erfolge den Managern verdankt, den Menschen mit fast übermenschlichen Fähigkeiten Risiken zu tragen und einem fast göttlichem Instinkt für richtige wirtschaftliche Entscheidungen. Sehr interessant. Man fragt sich da: Wo waren nur diese Übermenschen als 1929 die ganze kapitalistische Weltwirtschaft zusammenbrach? Oder auch etwa im Jahre 2008?

Es ist immer amüsant, wenn die neoliberalen Ökonomen wieder einmal einen schwarzen Schwan sehen. Sehr interessant ist aber vor allem das, was sie nicht sehen, immer wenn es in ihre Theorien nicht passt. Das letzte was der neoliberal geschulte Ökonom im obigen Diagramm sehen würde ist, dass das deutsche Wirtschaftswunder von Anfang an wie ein Parasit von der externen Nachfrage profitierte. Direkte externe Nachfrage kam schon durch den Marshallplan. Aber wenn der Export über dem Import liegt bedeutet das doch, dass ein wesentlicher Teil der Nachfrage von draußen kommt. Ja, es waren vor allem die Amerikaner, die mit ihrem riesigen Markt dafür gesorgt haben, dass die deutsche Wirtschaft von dem Problem der fehlenden Nachfrage verschont bleibt. Das haben die Amerikaner mit dem Gelddrucken erledigt. Für sie war es wunderbar so, denn sie konnten für wertlose grüne Papierchen die Qualitätswaren Made in Germany praktisch geschenkt bekommen. Von den wertlosen grünen Papierchen konnten auch die anderen westlichen Länder profitieren und das Wirtschaftswunder fand auch bei ihnen statt - was im Video übrigens wieder richtig gesagt wird.

Aber es waren nicht nur die amerikanischen Papierchen, die für stabile Nachfrage für die deutsche Wirtschaft gesorgt haben.

Fortsetzung folgt

 

     
Keywords und Lesehinweise  
#Neoliberalismus #Ordolibralismus  
 
Ausführliche Fachartikel auf der Website:  
Der deutsche Ordoliberalismus - ein Neoliberalismus getarnt für Sonntagspredigt lesen
Der Neoliberalismus - ein ideologischer Verrat an Liberalismus und Wissenschaft lesen
Im eBook thematisiert:  
Marktwirtschaft neu denken: Teil III, Kapitel 8.3c  
 
     
     
 
 
 
werbung und    eBook