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Geschichte wiederholt sich nicht (sofort)
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Später
hat Brüning Deutschland verlassen und wurde in
den Lehrkörper der Universität Harvard aufgenommen.
Dort schilderte er jedem, der es hören wollte - so
erzählt uns Galbraith -, "die schlimmen Folgen, die das
(darauffolgende) Abgehen von seiner rigorosen Sparpolitik haben
mußte, einer Politik, von der er steif und fest behauptete,
daß sie mit der Verzweiflung, aus der heraus erst der
Faschismus seinen Zulauf hatte, nicht das mindeste zu tun gehabt
hätte". |
1:
S. 267 |
Die
Steuerreform vom Sommer 1925 trug dem Grundsatz der
"Wirtschaftlichkeit der Steuerlast". ... In deutlicher Abkehr von dem
Umverteilungseffekt der Steuerreform Erzbergers wurde die
Spitzenbesteuerung der Einkommen von 60 Prozent um ein gutes Drittel
herabgesetzt, während der Minimalsteuertarif von 10 Prozent
bestehen blieb. ... Der Anstieg der Einnahmen aus der Lohnsteuer und
den Massenverbrauchssteuern stand in deutlichem Gegensatz zum Aufkommen
aus allen anderen Steuerarten. |
2:
S. 272 |
Ende
1925 überstieg die Arbeitslosigkeit erneut die
Zweimillionengrenze. |
2:
S. 273 |
Obwohl
Brüning seine politische Karriere als Mitarbeiter Adam
Stegerwalds und Generalsekretär des Deutschen
Gewerkschaftsbundes begonnen hatte, besaß er als
Finanzexperte niemals ein engeres Verhältnis zur
Arbeiterschaft. |
2:
S. 357 |
Es gelang Brüning im Juli 1930
nicht, für ein derartiges Regierungsprogramm eine parlamentarische Mehrheit
zu finden. Damit wurde endgültig die Politik der Notverordnungen und die
Ausschaltung des Parlaments eingeleitet. Brüning, längst davon überzeugt,
daß der Parlamentarismus eine Lösung der Staats- und wirtschaftspolitischen
Probleme der sich verschärfenden Finanz- und Wirtschaftskrise nur behindere,
reagierte auf seine Abstimmungsniederlage mit der Auflösung des Reichstags.
Das wirtschaftspolitische Programm setzte Brüning mit Hilfe des Artikels 48
der Weimarer Verfassung auf dem Verordnungsweg in Kraft. Seine wichtigsten
Elemente waren die Kürzung der Staatsausgaben und eine konsequente Politik
der Deflation. Angesichts der Erfahrungen während der großen Koalition wurde
der Haushaltssanierung der Rang eines höchsten wirtschaftspolitischen Zieles
zugemessen. Selbst noch ein Jahr später, im Mai 1931, als die Arbeitslosenziffer
bereits die 4-Mill.-Grenze überschritten hatte, forderte der Staatssekretär
im Reichsfinanzministerium, Schaffer, in einer Denkschrift zur Krisenfrage, dass
der Deckung des Haushaltes "das Primat vor allen anderen Aufgaben"
zuzuweisen sei. |
3:
S. 102 |
Das
deutsche Preis-. und Lohnniveau sollte um 20 Prozent sinken ... Die
dritte Notverordnung zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen vom 6.
Oktober und die vierte vom 8. Dezember 1931 dienten diesem Ziel.
Löhne und Gehälter wurden per Dekret abgesetzt.
Die staatlichen Investitionen, Subventionen an die private Wirtschaft
und die Sozialausgaben wurden weiter stark gekürzt. Im Jahr
1932 brachte Brüning den Reichshaushalt dadurch
annähernd zum Ausgleich, aber die
Investitionstätigkeit wurde so stark gedämpft,
daß die Nettoinvestitionen in Deutschland negative Werte
erreichten. Gleichzeitig stieg die Arbeitslosenzahl 1932 auf
über sechs Millionen Personen.
Die Nationalsozialisten witterten Morgenluft. In ihrer Presse
etikettierten sie Brünings Notverordnungen als
"Konjunkturabkurbelungspolitik" und erarbeiteten gleichzeitig
Pläne für eine expansive Geldpolitik. Die Tragik der
Weimarer Republik liegt darin, daß ausgerechnet die extreme
Rechte die Ursachen der Verschärfung der Wirtschaftskrise in
Deutschland, nämlich die gleichzeitig restriktive Geld- und
Haushaltspolitik, richtig erkannte. |
4:
S. 165 |
Nach und nach wurde der Kreis Empfangsberechtigten beschnitten, die Wartezeit verlängert (7-21 Tage je nach Familienstand), die Bezugsdauer verkürzt (von 26 auf 20 Wochen im Falle des Arbeitslosengeldes und von 39 auf 32 Wochen im Falle der daran anschließenden Krisenfürsorge) und die Bemessungsgrundlage reduziert (auf das der Arbeitslosigkeit vorhergehende Arbeitsentgelt von maximal 40 Wochenstunden). Im Juni 1931 wurden schließlich die Leistungsansprüche um 6,3% bis 14,3% herabgesetzt. All das zusammen reduzierte die durchschnittlichen Ausgaben pro Versicherten von 81 auf 57 Mark im Monat. ... Vom Dezember 1931 an brauchte die Unfallversicherung Wegeunfälle gar nicht mehr und Arbeitsunfälle nur noch dann zu entschädigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um mehr als 20% verminderten. Die Rentenversicherung strich zur gleichen Zeit die Kinderzuschüsse und die Waisenrenten, verlängerte die Wartezeiten ... Die Krankenkassen schließlich wurden dazu verpflichtet, nur noch die gesetzlich festgelegten Leistungen zu erbringen. ... Die durchschnittlichen Ausgaben pro Versicherten sanken von 1929 bis 1932 um mehr als 1/3.
Die Einkommen im öffentlichen Dienst (einschließlich der Pensionen) wurden in drei Raten herabgesetzt. Die Notverordnung vom Dezember 1930 senkte die Beamten-und Angestelltengehälter um 6%, ... Im Juni 1931 wurden die Gehälter um weitere 4-8 % und nun auch die Löhne um 2-3,5% reduziert. Abschließende Kürzungen der Gehälter um 9% und der Löhne um 10% im Dezember 1931 erhöhten die Einbuße an Nominal-Einkommen für die Beamten und Angestellten auf insgesamt 18-21% und für die Arbeiter auf 12-13%.
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13:
S. 326 |
Brüning
begriff nicht, daß er sich zum Vollstrecker
derjenigen Interessen gemacht hatte, die den Konjunktureinbruch zum
Abbau der Sozialleistungen und zu umfassenden Lohnsenkungen zu nutzen
gedachten. |
2:
S. 361 |
Obwohl diese Wirtschaftspolitik Brünings weitgehend die Krise verstärkt hat, ging sie den Industrieführern doch nicht weit genug; sie forderten eine zweite Lohnsenkungsrunde und Verzicht auf Preissenkungsaktion und ließen Brüning, als er dies nicht energisch genug betrieb, im Herbst 1931 fallen.
Jedoch nicht nur ökonomische Interessen, sondern auch "überkommene soziale Mentalitäten und Verhaltensweisen" des autoritären Kapitalismus kamen jetzt in einem kontinuierlich vorgetragenen Angriff auf die sozialstaatliche Komponente der Weimarer Verfassung selbst zur Geltung. Die Forderung nach Auflockerung bzw. Aufhebung des kollektiven Tarifvertragssystems, besonders nach Aufgabe der staatlichen Zwangsschlichtung bei Arbeitskämpfen (als letzter Möglichkeit, wenn die Tarifpartner sich nicht einigen konnten) und nach Abbau der staatlichen Sozialleistungen (Sozialversicherung, Arbeitslosenfürsorge), bildeten die Komponenten dieser Offensive. Ihr Ziel ließ sich nur erreichen, wenn es noch unter dem Druck der Krise durchgesetzt wurde, bevor ein etwaiger Wiederaufschwung auch den Gewerkschaften stärkeren Einfluß geben konnte. |
8:
S. 69 |
Das
erste Land, das die im Innern unpopulären Opfer auf sich
nehme, werde "an die Spitze kommen", so erläuterte der Kanzler
Anfang Oktober 1930. |
2:
S. 439 |
Die
Sozialdemokratie folgerte aus dem Kampf um die Demokratie
jedenfalls die Notwendigkeit, die Brüningsche
Präsidialpolitik der Notverordnungen zu tolerieren, d.h.
praktisch zu unterstützen. Die Masse aber verlor wachsend den
Kontakt zu ihren Führern. Sie sah nur die steigende Belastung
der Arbeitnehmerschaft, die anwachsende Arbeitslosigkeit und verstand
die Beweggründe einer Politik nicht, die ... in den Augen der
breiten Masse nur ständige Siege der privatkapitalistischen
Wirtschaft mit sich brachte. Die Gewerkschaften aber verloren auf diese
Weise mehr und mehr das Vertrauen ihrer Anhänger, die
für diese Politik auch die Gewerkschaften verantwortlich
machten. Als Papen dann, gestützt auf den von eben diesen
Arbeitnehmern gewählten Reichspräsidenten von
Hindenburg, die Sozialdemokratie und mit ihr die Weimarer Koalition in
der Preußenregierung gewaltsam ausschaltete,
besaßen die Gewerkschaften bereits nicht mehr die Macht, den
Abbau der Sozialpolitik, geschweige denn die Unterhöhlung der
Weimarer Demokratie aufzuhalten. Die Unternehmerschaft konnte nun im
wesentlichen ihre Auffassungen durchsetzen. |
5:
S. 526 |
In
Kreisen der Wirtschaft überwog anfänglich die
Neigung, den Konjunktureinbruch, der sich erst in der zweiten
Jahreshälfte 1930 in vollem Umfang bemerkbar machte, auf
endogene Ursachen, vor allem überhöhte steuerliche
Belastungen und Sozialausgaben zurückzuführen. |
2:
S. 440 |
Fast gleichzeitig [30. 10. 1931] nahm auch Carl Friedrich v. Siemens in einer Rede vor amerikanischen Industriellen gegen den angeblich sozialistisch-gewerkschaftsfreundlichen Kurs der Regierung, gegen Tarifrecht und Sozialpolitik Stellung. Er betonte die Bedeutung der nationalsozialistischen Gegenbewegung gegen die „logische Konseauenz des Sozialismus“, den Kommunismus. Indem er „die Bekämpfung des Sozialismus“ als das „Hauptziel“ der NSDAP bezeichnete, sie als ein „ideelles“ Bollwerk gegen die „materialistischen Bestrebungen“ pries und ihre Legalitätsnolitik kommunistischer Revolutionsdrohung entgegensetzte, gab auch dieser durchaus gemäßigte Exponent der Schwerindustrie der wachsenden Rechtsentwicklung der „Wirtschaft“ und ihren verhängnisvollen Illusionen über Charakter und Bedeutung des Nationalsozialismus Ausdruck. |
12:
S. 389 |
Dennoch
schaffte es die deutsche Wirtschaft in den Jahren von 1930 bis
1933 Exportüberschüsse zu erwirtschaften. |
4:
S. 120 |
Die
N o t v e r o r d n u n g vom 4. September
1932 enthielt den Kern der Popen'schen Maßnahmen. Sie sah
Steuererleichterungen für die Produktion ... weiter aber wurde
hier die schon lange von der Industrie geforderte Auflockerung der
Tarifverträge durch die Möglichkeit
durchzuführen gesucht, bei Arbeitszeitunterstreichung
und bei
betrieblicher Notlage den Tariflohn zu unterschreiten. Für
Mehrbeschäftigung von Arbeitsnehmern gewährte die
Regierung außerdem Lohnsubventionen. |
5:
S. 398 |
"Sozial im besten Sinne des
Wortes wird der Staatsmann sein,
der durch eiserne Sparsamkeit die Finanzen von Reich, Ländern
und
Gemeinden in Ordnung bringt und somit der staatlichen Fürsorge
überhaupt erst die Möglichkeit verschafft, den
notleidenden
Arbeitern zu helfen." - Von
Papen über sich
selbst. |
6:
S. 332 |
Trotz
in Einschränkung der Leistungen der
Arbeitslosenversicherung im Hinblick auf die
Unterstützungsdauer, den Kreis der Anspruchsberechtigten und
die Höhe der Alimentation, trotz der ständigen
Kürzungen in den nachfolgenden Unterstützungsformen,
der Reduzierung der Leistungen in Sozial- und Krankenversicherung, der
Schrumpfung der Wohlfahrtsfürsorge und der Rentenzahlungen und
desgleichen der Abtrennung der Arbeitslosenversicherung vom
Reichshaushalt stiegen die Sozialausgaben. |
2:
S. 445 |
Die
Großindustrie führte den
Konjunkturrückgang vornehmlich auf die verfehlte Sozialpolitik
zurück und war entschlossen, eine Verringerung der
Selbstkosten zu erreichen. Erst langsam setzte sich die Einsicht durch,
daß die Krise, die nicht einheitlich verlief, kontraktive
Effekte auslöste, die mit einer Senkung der Lohnkosten und
Steuern nicht abzufangen waren, und daß sie die Existenz
zahlreicher Betriebe unmittelbar bedrohte. Die Industrieproduktion
fiel, gemessen an dem Höchststand von 1927/28, bis 1932/33 um
mehr als 43 Prozent, die Stahlerzeugung um 65 Prozent. |
2:
S. 441 |
Boschs
Forderung, eine gesetzliche Verkürzung der Arbeitszeit
vorzusehnen, stieß, wie nicht anders zu erwarten war, auf den
massiven Widerstand der Schwerindustrie, obwohl Carl Bosch einen
Lohnausgleich - in Übereinstimmung mit den Gewerkschaften -
ausschließen wollte. Nach außen argumentierte die
Schwerindustrie, dies laufe auf eine unzumutbare Erhöhung der
Gestehungskosten hinaus. |
2:
S. 449 |
Die Regierung Brüning, seit Frühjahr 1930 im Amt, hatte trotz ausgiebigen Gebrauchs des Notverordnungsrechts nicht vermocht, die Krise zu bewältigen. ... Regierung Papen ... zahlte den Unternehmern für jeden zusätzlich eingestellten Arbeiter eine Lohnprämie von 400 RM im Jahr. Dafür stellte sie insgesamt 700 Millionen RM bereit. Außerdem gab sie bei der Zahlung von rückständigen Steuern Steuergutscheine in Höhe von durchschnittlich 40 °/o des bezahlten Betrages aus .. Der Index der Aktienkurse, der im August 1932 bezogen auf den Durchschnitt der Jahre 1924 bis 1926 bei 52,2 lag, stieg bis zum Dezember auf 61,8.. |
11:
S. 57 |
Die Regierungserklärung, die Papen als erster Kanzler der Republik über den Kopf des aufgelösten Reichstags hinweg der Öffentlichkeit vorlegte, stand freilich noch ganz im Zeichen der Papenschen Kalkulationen. Sie gipfelte in Anklagen gegen die „Mißwirtschaft der Parlamentsdemokratie“ und berief sich auf die negative Bilanz der vorangegangenen Regierungen, die „keine der notwendigen grundlegenden Reformen“ verwirklicht, durch „steigenden Sozialismus“ die Krise verschärft und „die moralischen Kräfte der Nation verbraucht“ habe.. |
12:
S. 481 |
Das Schwergewicht [der Regierung Papen] lag auf der Senkung der Ausgaben und dabei so gut wie ausschließlich auf der Kürzung von Sozialleistungen. ... Am schwersten war freilich ein weiteres Mal die Arbeitslosenversicherung betroffen. Die Regierung ließ sich durch die Verordnung dazu ermächtigen, die Sätze der Arbeitslosenunterstützung zu senken und deren Bezug nach Ablauf einer näher zu bestimmenden Bezugsdauer von einer Bedürftigkeitsprüfung abhängig zu machen. Aufgrund der Ermächtigung setzte sie die Arbeitslosenunterstützung wenig später tatsächlich um annähernd 1/4 hinunter und kürzte ihre Bezugsdauer von 20 auf 6 Wochen. ... Damit hatte Papen zwar noch nicht vollends der seit geraumer Zeit vielfach erhobenen Forderung nachgegeben, die Arbeitslosenversicherung in eine Arbeitslosenfürsorge rückzuverwandeln und damit Rechtsansprüche in amtliches Wohlwollen aufzulösen, aber er war auf dem besten Weg dazu.
|
13:
S. 336 |
Von
Papens Rücktritt beendete eine Phase konservativer
Illusionen, die nicht zufällig von einem führenden
Mitarbeiter der Herrenklub-Zeitschrift "Der Ring" artikuliert wurden.
Die unaufgearbeiteten sozialen und politischen Ressentiments einer
vergleichsweise kleinen Oberschicht, die ihre angestammten
gesellschaftlichen und ökonomischen Privilegien durch das
Vordringen des Wohlfahrtsstaates bedroht sah und ihr privates mit dem
öffentlichen Interesse gleichsetzte, stellten das soziale
Widerlager eines Übergangsregimes dar, das sich nur mittels
der kontinuierlichen Staatsstreichdrohung an der Macht zu halten
vermochte. Es war charakteristisch, daß es sich gegen die
politische Linke mit dem "Preußen-Schlag" widerstandslos
durchsetzen konnte, aber bei dem Versuch, die populistische
Mobilisierung von rechts in Form der NS-Bewegung einzudämmen,
hoffnungslos versagte. |
2:
S. 590 |
Die
Politik der Weimarer Republik stand allmählich, aber immer
eindeutiger, nicht mehr über den Klassen, wie es ihren
Vätern vorgeschwebt hatte, sondern sie wurde mehr und mehr ein
Spielball dieser Klassen. Eine niedergehende Konjunktur, vor allem aber
eine Wirtschaftskrise wie die nun einsetzende, musste diese Demokratie
zu einem Instrument einseitiger privatwirtschaftlicher,
kapitalistischer Interessen machen. |
5:
S. 514 |
Solange ein sozialer Ausgleich noch zustande kam, lebte die Republik. Als die antagonistischen Gruppen hierzu nicht mehr bereit waren, ging sie zugrunde. Grundläge des politischen Kompromisses war der gesellschaftlich-wirtschaftliche Ausgleich. Dieser Ausgleich ist in seinen verschiedenen Erscheinungsformen von Anfang an gefährdet gewesen. Die Arbeitsgemeinschaft zwischen Gewerkschaften und Unternehmerverbänden bestand nur wenige Jahre. Spätere Erneuerungsversuche scheiterten. Das in der Verfassung vorgezeichnete wirtschaftliche Rätesystem blieb ein Torso. Die im Betriebsrätegesetz vorgesehene begrenzte unternehmerische Mitbestimmung wurde, nicht praktiziert. Arbeitszeit und Lohntarife waren Gegenstand einer Kette von Arbeitskämpfen trotz staatlichem Schlichtungswesen. Die demokratische Schulreform blieb in den Anfängen stecken.. |
9:
S. 329 |
Als
die Konjunktur nach unten ging, benutzten die Unternehmer, nicht
mehr auf die Zusammenarbeit mit den Vertretern der Arbeitnehmer
angewiesen, ihren auf die Reichspolitik gewonnenen Einfluss im Sinne
ihrer Zielsetzungen. ... Sicher hat die Entwicklung der
Weltwirtschaftskrise ... das ihre zu dieser politischen
Entwicklung beigetragen. Der Kern lag jedoch im Versagen des deutschen
Parlamentarismus, der sich die Führung der Politik, hier der
Wirtschafts- und Sozialpolitik, aus der Hand winden ließ.
Die weitere Entwicklung kann auf
diesem polischen Hintergrunde nur als
folgerichtig bezeichnet werden. ... Die Unternehmer setzten
über die Präsidialregierungen ihren Willen durch, die
Krise wie die Kriegsfolgen nicht zu Lasten des Ertrags, sondern zu
Lasten des Arbeitnehmereinkommens zu überwinden. Die Tatsache,
daß die Gewerkschaften zunächst noch politischen
Rückhalt besaßen, förderte nur den Kampf
der Wirtschaftsmächte gegen die Demokratie selbst. Der Kampf
um die Weimarer Sozialpolitik trug so zum Verhängnis der
Weimarer Demokratie bei. Mit Papen schien die soziale Demokratie
niedergeworfen. Der Versuch Schleichers, auf der Grundlage einer leise
ansteigenden Konjunktur erneut mit den Gewerkschaften
zusammenzuarbeiten, beschleunigte seinen Sturz. Papen und die
Schwerindustrie öffneten Hitler das Tor zur Macht. |
6:
S.
527 |
Am
24. Januar 1933 meldete sich Zerher mit dem Artikel
"Autoritär oder parlamentarisch?" zu Wort. Nachdem Zehrer festgestellt
hatte, daß nur das Verlassen der bisherigen wirtschaftlichen
und sozialen Linie den autoritären Staat noch retten
könne, kam er auf die verworrene Gegenwart zu sprechen. Er
fuhr fort: Denn es ist bisher
leider so gewesen, daß die autoritären Kabinette
sich
langsam vom Parlamentarismus lösten ... Das Kabinett
Brüning setzte sich für die Banken, das Kabinett
Papen für die gesamte Privatwirtschaft und das Kabinett
Schleicher, trotz der Aufgeschlossenheit des Generals und seines
Willens zur Siedlung, für den Grundbesitz ein. ...
Das Volk glaubt auch
nicht mehr daran, daß Wahlen und Parteien die Behebung der Krise
bringen werden. Es wehrt sich aber erbittert dagegen, daß der
autoritäre Staat dort, wo er handelt, für die
Interessen des Großgrundbesitzes, der Großfinanz
und der Schwerindustrie handelt ...
Wäre
irgendeines
der autoritären Kabinette wirklich sozial gewesen und
hätte es im Sinne der über
90% des deutschen Volkes
gehandelt ...
Hätten
wir auch
nur e i n e entschlossen Maßnahme eines
autoritären
Kabinetts erlebt, die dem sozialen Willen und den sozialen Notwendigkeiten des Volkes
entsprochen hätte, oder ...
hätten
wir die
Löhne gehalten und die Arbeitszeit verkürzt, oder ...
hätten
wir eine
wirkliche Arbeitsbeschaffung durchgeführt, oder ...
hätten
wir die
Millionen und Milliarden, die den Banken, der Industrie oder dem
Großgrundbesitz zugeflossen sind, in die
breite Masse des
Volkes gesteckt ...
|
6:
S. 372 |
Unter
Hitler wurde Deutschland zu einer Karikatur seiner kulturellen
Werte. Aber die nationalsozialistische Wirtschaftspolitik ... tat
zunächst genau das richtige: expansive Haushaltspolitik zur
Finanzierung von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen in Kombination
mit expansiver Geldpolitik. Erst als die Vollbeschäftigung
1936 annähernd erreicht war und sich inflationäre
Symptome zeigten, wurde dieser Kurs zu einer Inflationsgefahr. Aber zu
diesem Zeitpunkt gab es für Hitler keine höhere
Priorität als die Vorbereitung des Krieges. Er steigerte die
Rüstungsausgaben gewaltig und benötigte die
Notenpresse zu deren Finanzierungen. |
4:
S. 185 |
Hier ist der internationale Vergleich besonders aufschlußreich. Von allen westlichen Sozialstaaten schrumpfte nur in der Weimarer Republik der Kreis der Sozialversicherten und der Umfang der Leistungen in einem derart eklatanten Maße. Auch in Großbritannien zum Beispiel fiel die Arbeitslosigkeit extrem hoch aus, doch das Parlament verstand sich keineswegs zu einem Abbau der Sozialpolitik; in Dänemark wurde sie sogar konsequent antizyklisch ausgebaut. Der Unterschied im Vergleich mit stabilen europäischen Demokratien lag darin, daß das Vordringen des autoritären Staates in Deutschland zu einer sozialpolitischen Abbruchstrategie ... führte, die immer tiefer in die Legitimationskrise hineinführte. |
7:
S. 434 |
Historisch
gesehen trugen der politische und wirtschaftliche
Zusammenbruch der deutschen Demokratie und der Aufstieg Hitlers Anfang
der dreißiger Jahre maßgeblich dazu bei, dass der
damalige Globalisierungsprozess ein Ende fand. |
10:
S. 7 |
1:
John K. Galbraith,
Die
Entmythologisierung der Wirtschaft,
Paul Zsolnay Verlag, Wien, 1998.
2: Hans Mommsen,
Aufstieg und
Untergang der Republik von Weimar,
Ullstein, Berlin, 1998.
3: Dietmar Petzina,
Die Deutsche Wirtschaft
in der Zwischenkriegszeit,
Steiener Verlag, Wiesbaden 1977.
4: Carl-Ludwig Holtfrerich,
Requiem auf
eine Währung, Deutsche
Verlags-Anstalt, Stuttgart, 2001.
5: Ludwig Preller,
Sozialpolitik
in der Weimarer Republik, Franz
Mittelbach Verlag, Stuttgart, 1949.
6: Franz v. Papen,
Vom Scheitern
einer Demokratie,
Hase&Koehler-Verlag, Mainz, 1985.
7: Hans-Ulrich Wehler,
Deutsche Gesellschaftsgeschichte (Band IV), Verlag C. H. Beck, München, 2003.
8: Fritz Fischer,
Bündnis der Eliten, Droste Verlag, Düsseldorf, 1979.
9: Karl Dietrich Erdmann,
Die Zeit der Weltkriege, Union Verlag, Stuttgart, 1973.
10: Harold James,
Der Rückfall, Pieper Verlag, München-Zürich, 2001.
11: Wolfram Fischer,
Deutsche Wirtschaftspolitik, C.W. Leske Verlag, Opladen, 1968.
12: Karl Dietrich Bracher,
Die Auflösung der Weimarer Republik, Ring-Verlag, Villingen, 1971.
13: Christoph Müller (Hrsg.),
Der soziale Rechtsstaat, Nomos Verlag, Baden-Baden, 1984.
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zum Anfang
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