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  Rüstungspolitik aus ökonomischer Sicht
 

Gastbeitrag

                                                         

Wir erleben gerade eine Zeit, in der das Wettrüsten zwischen Nationen wiederbelebt wurde. Es ist nicht das Gleiche wie zur Zeit des Kalten Krieges, aber es gibt deutliche Parallelen. In diesem Blogpost geht es aber vor allem darum, Rüstungspolitik und speziell Rüstungsausgaben aus einer ökonomischen Perspektive zu untersuchen. Auch und gerade hier lassen sich interessante Vergleiche zwischen heute und früher ziehen. Doch vorher setzen wir uns damit auseinander, was Rüstungsausgaben überhaupt sind. Das klingt zunächst sehr akademisch, hat aber eine sehr wichtige praktische und damit auch politische Dimension.

Was sind Rüstungsausgaben?

Zu dieser Frage gibt es einen ausführlichen Beitrag in der Wissensbasis. Der interessierte Leser wird hierauf verwiesen. dorthin  Für den vorliegenden Blogpost reicht es aus, das ganz kurz und zusammengefasst darzustellen: Rüstungsausgaben haben grundsätzlich eine positive Wirkung auf die Konjunktur, weil sie einerseits für viel Nachfrage sorgen, aber andererseits die entsprechenden Investitionen den Wirtschaftskreislauf praktisch verlassen. So wird einem Nachfragemangel entgegengewirkt und seinem Entstehen durch das Bestreben der Unternehmen, ihre Investitionen zu amortisieren, vorgebeugt.

Nun kommt der genannte nur scheinbar akademische Teil. Man muss nämlich - wieder einmal - genau auf die Worte achten. Oben war die Rede von Rüstungsausgaben und von Rüstungsinvestitionen. Denn nicht alles, was nach offiziellen Angaben für die Rüstung ausgegeben wird, ist auch eine Investition. Ein sehr anschauliches Beispiel dafür stammt aus der Zeit, als Ursula von der Leyen deutsche Verteidigungsministerin war. Damals wurde die Öffentlichkeit nämlich darauf aufmerksam, wie viel Geld die Bundeswehr in ihrer Amtszeit für externe Berater ausgegeben hatte. Das waren im Verhältnis zu den anderen Ausgaben der Bundeswehr beachtliche Summen. Es bedarf keiner tiefgehenden theoretischen Überlegungen um zu verstehen, dass Beraterhonorare sich zwar grundsätzlich als militärisch notwendig begründen lassen, aber keine Investitionen sind, die Auswirkungen auf die Konjunktur haben. Da solche Ausgaben auch nicht die militärische Schlagkraft verstärken, fällt es gar nicht schwer zu verstehen wie es sein kann, worauf z. B. der amerikanische Politiker JD Vance hingewiesen hat:

„Verteidigungsausgaben und Verteidigungsbereitschaft sind zwei verschiedene Dinge. So gibt Deutschland beispielsweise jedes Jahr erheblich mehr für die Verteidigung aus als Frankreich, ohne dass dies in irgendeiner Weise zum Tragen kommt. Die französische Armee verfügt über sechs hochgradig einsatzbereite und kampffähige Kombinationsbrigaden, während die Bundeswehr kaum eine einzige kampffähige Brigade aufstellen kann.“ ... >

Aus ökonomischer Sicht besteht der entscheidende Unterschied natürlich nicht zwischen Ausgaben und Bereitschaft, sondern zwischen Ausgaben und Investitionen. Und das bringt uns zum nächsten Punkt, der ökonomisch interessant ist.

Woher kommen Rüstungsausgaben?

Rüstungsgüter gehören im Verhältnis zu ihrem Umfang und ihrem zugedachten Zweck zum Teuersten was man sich vorstellen kann. Eine schlagkräftige Armee auszurüsten verschlingt gewaltige Summen (auch wenn man die enormen Kosten für die Ausbildung der Soldaten und überzogene Beraterhonorare außer Acht lässt). Da hat die Frage, woher das Geld dafür kommt, natürlich eine enorme Bedeutung. Hier ist aus theoretischer Sicht ein Punkt ganz entscheidend: Die oben erwähnte positive Wirkung von Rüstungsausgaben auf die Konjunktur kann sich nur dann einstellen, wenn es gerade eine Nachfragelücke gibt. Ansonsten verteilt man das Geld nur innerhalb einer kränkelnden (oder bereits dahinsiechenden) Wirtschaft zum Nachteil anderer Ausgaben bzw. Wirtschaftszweige um.

Nun kommen wir zum Vergleich mit der Zeit des Kalten Krieges, genauer gesagt mit seinem Ende. In den 1980er Jahren amtierte Ronald Reagan als Präsident der USA. Die wirtschaftspolitischen Erfolge dieser Zeit sind als „Reagonomics“ in die Geschichte eingegangen. Die Mainstream-Ökonomen erklären das mit dem angebotsorientierten Ansatz der damaligen amerikanischen Regierung. Es würde den Rahmen des vorliegenden Blogposts sprengen, das theoretisch ausführlich zu erörtern. Auch hierfür wird auf die Wissensbasis verwiesen. Hier befassen wir uns nur damit, wie unter Reagan in die Rüstung der USA investiert wurde.

„Die massiven Steuersenkungen haben zusammen mit der Erhöhung des Verteidigungshaushalts und den rezessionsbedingten Mehrausgaben im Sozialbereich (Arbeitslosenunterstützung) riesige Haushaltsdefizite entstehen lassen.“

„Der Fehlbetrag des US-Bundeshaushaltes erhöhte sich von knapp 58 Milliarden Dollar in 1982 auf schätzungsweise 208 Milliarden Dollar in 1983.“

„Die riesigen Defizite des Staatshaushaltes regen die gesamtwirtschaftliche Nachfrage an; sie sind mithin nichts anderes als Defizit-spending à la Keynes.“

Josef Jäger, Bausteine der Makroökonomie, 1986

Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass amerikanische Regierung immer pragmatisch sind und in der Öffentlichkeit dem freien Markt huldigen, sich aber in der Praxis nicht unbedingt daran halten. Das ist für sie nie ein Problem gewesen, weil die meisten Menschen Wirtschaftspolitik sowieso nicht verstehen, aber das nur am Rande. Für das Thema um das es hier geht ist es wichtig zu wissen, dass die amerikanische Regierung nicht etwa den Rüstungsgütern absolute Priorität eingeräumt und eine Verringerung der Produktion anderer Güter verursacht bzw. in Kauf genommen hat. Stattdessen hat sie sich von der amerikanischen Zentralbank Federal Reserve (Fed) Geld geben lassen, um es in die Rüstung zu investieren. So wurde der Wirtschaft zusätzliche Nachfrage zugeführt und die Konjunktur belebt. Dies führte letztendlich dazu, dass die Sowjetunion und die mit ihr verbundenen sozialistischen Länder mit dem Wettrüsten endgültig überfordert waren. Die sozialistische Wirtschaft war nicht in der Lage, gleichzeitig mit den westlichen Industrienationen militärisch auf Augenhöhe zu bleiben und seine Bürger in ziviler Hinsicht hinreichend zu versorgen. Das Ergebnis ist bekannt, auch wenn es nicht das viel zitierte „Ende der Geschichte“ (Fukuyama) war.

Zur heutigen Situation

Was lässt sich aus den obigen Überlegungen für die heute Zeit schlussfolgern, spzziell für Deutschland und Europa? Nun, wenn wir uns die Jahrzehnte seit dem Ende des Kalten Krieges ansehen, so ist zunächst festzustellen, dass unter den wirtschaftlich und weltpolitisch bedeutendsten Ländern kein sozialistisches mehr ist. Bei allen basiert die Ökonomie auf der Marktwirtschaft, wenn auch in unterschiedlichen Formen. China versteht sich selbst zwar noch immer als sozialistisch, seine Wirtschaftsordnung hat aber mit dem „klassischen“ Sozialismus kaum noch etwas gemein. Russland hat nach dem Ende der Sowjetunion dem Sozialismus abgeschworen und sich dem Westen in naiver Weise geöffnet. Die anschließende Einführung der freien Marktwirtschaft hatte katastrophale Folgen und bescherte Russland Not, Elend und Oligarchen.

An China und Russland fällt aber eines auf, was sie in der jüngeren Vergangenheit gemeinsam haben: Beide haben es geschafft, sowohl den allgemeinen Wohlstand ihrer Bürger als auch die Schlagkraft ihres Militärs zu steigern. Die Ökonomien der Länder, die entweder in der NATO sind oder sich anderweitig im Einflussbereich der USA befinden, sind 2008 in die Krise gerutscht und haben sich seitdem nie wirklich erholt. Zwar wird in Deutschland oft und gern darauf hingewiesen, wie seine Wirtschaft „gestärkt aus der Krise hervorgegangen“ sei. Doch dabei handelt es sich nur um einen Gewinn auf Kosten anderer, indem sich Deutschland durch aggressiven Export die fehlende Nachfrage aus anderen Ländern geholt hat.

Was China und Russland im Hinblick auf Rüstungsausgaben getan haben bzw. tun werden und wie sich das auf ihre wirtschaftliche Stärke auswirkt, bedarf vor dem Hintergrund der obigen Überlegungen keiner weiteren Erläuterung. Eine Wiederholung der Endphase des Kalten Krieges ist also nicht zu erwarten. Eine Rückkehr der „Reagonomics“ mit Rüstungsinvestitionen, aber ohne Krieg allerdings auch nicht. Die NATO-Mitglieder und die mit ihnen verbundenen Länder sind seit dem Ende des Kalten Krieges endgültig vom entfesselten Neoliberalismus beherrscht. Die Erfahrungen aus der Geschichte lassen da Schlimmes ahnen.

Wie ebenfalls in der Wissensbasis ausführlich erklärt wird, hat sich der Kapitalismus bisher immer wieder durch Krieg mit anschließendem Wiederaufbau aus seinen Konjunkturkrisen gekämpft (zynisches Wortspiel beabsichtigt). Alles deutet darauf hin, dass die neoliberalen Länder das auch diesmal vorhaben und Deutschland voll mitzieht. Es wird für Aufrüstung getrommelt und wieder das Bild vom bösen Russen an die Wand gemalt. Da stört es Politiker und Medien auch in keinster Weise, einerseits zu behaupten, Russland beiße sich an der Ukraine militärisch die Zähne aus und sei von der westlichen Sanktionspolitik hart getroffen und andererseits dieses vorgeblich militärisch gedemütigte und wirtschaftlich ruinierte Russland als Aggressor zu präsentieren, der in wenigen Jahren NATO und EU angreifen wird.

Egal was nun genau passieren wird, die Nationen Europas und speziell Deutschland werden auf jeden Fall zu den Verlierern gehören. Wenn der Krieg kommt, den die Neoliberalen sich so sehr wünschen, dann wir Europa das Schlachtfeld sein. Wenn dieser Krieg nicht kommt, wird all das Geld das für die Rüstung ausgegeben wird, letztendlich wieder bei den Reichsten der Reiche ankommen, während man das Volk zu seinem eigenen Wohle darben lässt.

Und die Amerikaner? Die haben im Zuge der Sanktionspolitik gegen Russland schon angefangen, die europäische Wirtschaft ab- und in ihrem Land wieder aufzubauen. Da kommt der oben angesprochene Pragmatismus wieder durch. In dieser Hinsicht haben die Amerikaner den Europäern eben etwas voraus.

 

 
 
 
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