DIE REAL EXISTIERENDE MARKTWIRTSCHAFT (KAPITALISMUS)
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  Was sind die ökonomischen Zyklen und wie werden sie bisher erklärt
  Die gescheiterten Ansätze zur Erklärung der ökonomischen Zyklen
       
 
Sie allesamt sind nicht in der Lage, einen Widerspruch zu überwinden, der zwischen dem von ihnen dargestellten [tatsächlichen] Ablauf und den Grundgedanken des theoretischen Systems besteht, dem sie die Mittel zur Erklärung dieses Ablaufes entnehmen müssen.
 
    Friedrich Hayek , ein österreichischer Vulgärökonom, bekannt als Ideologe der uneingeschränkten Marktfreiheit    

Die Wirtschaft ist bekanntlich ein sehr komplexes und verflochtenes Gebilde. Dies ist vor allem durch die Arbeitsteilung verursacht. Wenn dann irgendwo eine falsche Entscheidung getroffen wird, verbreiten sich ihre Folgen immer weiter, so dass viel Schaden angerichtet werden kann. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass es so viele Auffassungen bzw. Theorien darüber gibt, wo die ökonomischen Zyklen beginnen und was ihre wahre Ursache ist. Die Zahl der allgemeinen Grundideen (Ansätze), auf denen diese Theorien beruhen, ist jedoch gar nicht so groß. Erwähnen wir zugleich, dass alle diese Grundideen (Ansätze) schon ziemlich alt sind und dass es schon seit mehren Jahrzehnten keine neuen gibt - das bereits Bekannte wird nur kombiniert und „technisch“ verfeinert. Eigentlich hat das Interesse an der Erklärung der ökonomischen Zyklen nach dem Zweiten Weltkrieg immer weiter nachgelassen, und zwar aus einem leicht nachvollziehbaren Grund, weil nämlich die konjunkturellen Schwankungen vorerst deutlich von ihrer früheren Intensität eingebüßt haben. Immer mehr Ökonomen ließen sich sogar einreden, dass die ökonomischen Zyklen und Krisen der Vergangenheit angehören, bis dann im Herbst 2008 die Wirtschaft zusammengebrochen ist, wie man es seit der Großen Depression nicht mehr erlebt hat. Die Vergangenheit holte den Kapitalismus ein. Noch sträuben sich die prominenten Ökonomen zu dem lästigen Thema der Krisenanfälligkeit der kapitalistischen Produktionsweise zurückzukehren, weil sie an das Wunder der freien Marktwirtschaft glauben wollen, aber ihre Tage sind gezählt.

Wir teilen jetzt die Erklärungen bzw. Theorien der ökonomischen Zyklen in vier Gruppen auf. Was die Vollständigkeit betrifft, ist diese Klassifizierung sogar ziemlich erschöpfend. Auf die eine oder andere Weise gehören zu diesen vier Gruppen alle der originellsten und bekanntesten Theorien über die ökonomischen Zyklen. Uns wird es aber weniger darum gehen, möglichst viele zu diesen Gruppen zugehörigen Theorien einzeln zu erfassen, mit all ihren Besonderheiten; wir wollen vor allem die Problematik darstellen und zeigen, welche Tatsachen und Erscheinungen die Theorien der ökonomischen Zyklen zu erklären haben.

Die rein abstrakte Erklärung der Zyklen mit den mathematischen „Oszillatoren“

Bei diesen Theorien, die zu den jüngsten gehören, brauchen wir nicht lange zu verweilen. Sie stellen eine falsche bzw. unwissenschaftliche Anwendung der Mathematik dar. So wie etwa bei der Theorie des allgemeinen Gleichgewichts, auch bei diesen Theorien steht das Ergebnis schon im Voraus fest, man sucht nur die mathematischen Mittel, also ein System von Gleichungen, deren Lösung genau das hervorbringt, was man sich gewünscht hat. Das Pferd wird von hinten aufgezäumt, wie es der Volksmund sagt.

Es lässt sich schnell erklären, worauf die mathematische Erklärung der ökonomischen Zyklen beruht. Sie beruht auf der Eigenschaft der mathematischen Gleichungssysteme, dass zu ihrer Lösungen auch Variablen gehören, die in Bezug auf andere Variablen „oszillieren“. Dies ist schon bei ziemlich einfachen Gleichungssystemen der Fall; bei den Systemen von den sogenannten Differentialgleichungen kann man sich vor solchen „Oszillationen“ - Sinuskurven - fast nicht retten. Dann deklariert man diejenige Variable, in Bezug auf welche eine andere oszilliert, als Zeit und schon haben wir in dem System („Modell“) der mathematischen Gleichungen eine wellenähnliche Bewegung entlang der Zeitachse. Will man dann ins System („Modell“) noch irgendwelche anderen Erscheinungen hineininterpretieren, etwa die kumulativen - multiplikatorischen und akzeleratorischen - Effekte, nimmt man einfach exponentielle Funktionen oder die geometrischen Reihen, usw.

Auch bei den mathematischen Theorien der Zyklen stellen wir also fest, wie unerschöpflich die Gestaltungsmöglichkeiten im Rahmen der Mathematik sind. Die Mathematik bietet Ziegel und Mörtel für jede unserer Vorstellungen, möge sie auch nur so märchenhaft sein. Wen wundert dann, dass die Mathematik leichte Beute der neoliberalen Stümper und Gaukler wurde. Sie übersetzen ihre vagen und verworrenen Gedanken und ihr Gutdünken in die mathematische Sprache und erklärten dies zu wissenschaftlichen Beweisen. Dies hat aber mit der Wissenschaft gar nichts zu tun. So wie wir es schon beim Gleichgewichtsmodell gesehen haben, ist der Erkenntniswert solcher unempirischen mathematischen Modelle gleich Null. Dies gilt auch für die Versuche, mit den mathematischen „Oszillationsmodellen“ die ökonomischen Zyklen zu erklären. Von außen betrachtet, erreicht solche Zykluserklärung zwar eine präzise Ausdruckform der exakten (Natur-)Wissenschaften, die Theorie hat - rein formal betrachtet - den Stand der Naturwissenschaften erreicht, nur mit dem kleinen Schönheitsfehler, dass sie mit der Wirklichkeit gar nichts zu tun hat.

Was die mathematischen Oszillationsmodelle betrifft, soll man noch hervorheben, dass in ihnen sogar die Menschen als Akteure völlig verschwunden sind, welche es sogar noch im allgemeinen Gleichgewichtsmodell gibt - wenn auch rein abstrakt. Die in den mathematischen Zykluserklärungen dargestellten Prozesse vollziehen sich gewissermaßen vollmechanisch, ohne eigentliche Willensentscheidungen der handelnden Wirtschaftssubjekte. Im Grunde ist eine solche Mathematisierung der Wirtschaftswissenschaft (die von Hansen, Samuelson, Hicks, ...) nur ein Rückfall in die alte Mystik und Metaphysik, die in einer anderen Sprache vorangetrieben wird, in der mathematischen Sprache der erfolgreichsten Wissenschaften. Deshalb scheiden solche Erklärungen der ökonomischen Zyklen in unseren weiteren Betrachtungen völlig aus. Wir haben sie jetzt nur Vollständigkeit halber erwähnt. Sie verdienen auch deshalb unsere Aufmerksamkeit nicht, weil sie inzwischen als überholt gelten.

Die Erklärung der ökonomischen Zyklen mit den Disproportionalitäten

Man spricht von einer Disproportionalität („Missverhältnis“) wenn etwas in der Wirtschaft wegen der (ökonomisch) falschen Entscheidungen der Akteure in eine falsche Richtung gelaufen ist. Die falschen Entscheidungen sind die leicht nachvollziehbaren Folgen der bereits erwähnten Komplexität des ökonomischen Prozesses, aber auch der verschiedenen Einflüsse (Ursachen) aus der ökonomischen Umgebung. Alle diese falschen Entscheidungen und Einflüsse lassen sich zu bestimmten Ursachentypen gruppieren. Nach diesen Ursachentypen könnten wir dann auch die ihnen korrespondierenden Disproportionalitätstheorien zuordnen. Es hat gewisse Vorteile, diese Theorien der ökonomischen Zyklen doch nicht nach den Ursachentypen zu gruppieren bzw. zu klassifizieren, sondern danach, wer die Störungen verursacht hat.

Man kann die Verantwortung für die Disproportionalitäten fast vollständig vier sozialen Gruppen anlasten: Unternehmern, Politkern (Staatsbeamten), Arbeitern und Konsumenten (Sparern). Wenn die ersten zwei Gruppen, also die Unternehmer und Politiker (Staatsbeamten) etwas falsch machen, hat dies aber andere Auswirkungen als das falsche Verhalten der letzten zwei Gruppen. Die Unternehmer und die Politiker (Staatsbeamten) beeinflussen mit ihren Entscheidungen die Wirtschaft direkt, so dass sich hier von Disproportionalitäten im engen und üblichen Sinne des Wortes sprechen lässt: von den „strukturellen“ Disproportionalitäten im Bereich der Produktion. Folglich werden wir die Theorien, bei denen die Arbeitern und Konsumenten (Sparer) für die ökonomischen Zyklen verantwortlich gemacht werden, aus den Disproportionalitätstheorien ausgliedern und sie zu den nächsten zwei Theorietypen zuordnen.

Wenn die Wirtschaft in der Wirtschaft stattfinden sollte, wie man es immer wieder hört, dann wäre es nahe liegend, den Schuldigen für die („strukturellen“) Disproportionalitäten in der Produktion bei den Unternehmern zu suchen. Die Unternehmer können in der Tat viele Fehler machen, es ist aber trotzdem maßlos übertrieben, ihnen vorzuwerfen, sie würden nicht wissen, welche Güter gebraucht werden. Es spricht vieles dagegen, dass die Unternehmer dermaßen unfähig wären ihre Produktionsmengen richtig abzuschätzen, so dass die ganze Wirtschaft gerade deshalb immer wieder - nach dem Dominoeffekt - zusammenbricht. Wenn dem so wäre, dann bleibt unerklärlich, warum die Unternehmer jahrelang, beim Aufschwung, ihre Produktion problemlos synchronisieren können. Und wenn sich die Unternehmer in guten Zeiten so problemlos abstimmen konnten - dies zu tun, gehört sowieso zu ihrer tagtäglichen Aufgabe -, warum sollten sie das irgendwann nicht mehr können, so dass die Depressionen meistens so lange dauern? Auch eine andere Frage bliebe dann unbeantwortet. Sollte es stimmen, dass die Unternehmen falsche Güter in falschen Mengen produzieren, müsste es schließlich möglich sein, diese Güter empirisch (statistisch) zu ermitteln. Warum fällt aber vor dem Absturz der Wirtschaft nie jemandem auf, dass auf dem Markt immer mehr Güter auftauchen, die nicht „richtig“ brauchbar sind oder in falschen Mengen produziert wurden? Sogar vor der Großen Depression (1929), also vor dem größten Absturz der kapitalistischen Wirtschaft in der Geschichte, haben bekanntlich keine Güter gefehlt. Weder waren irgendwelche Rohstoffe knapp, noch irgendwelche Produktions- oder Konsumgüter in nicht ausreichenden Mengen vorhanden, auch bestand kein Mangel an Arbeitskräften und auch Kredite (Geld) waren in ausreichenden Mengen zugänglich. Auch vor dem Absturz im Herbst 2008 sind bekanntlich keinem Ökonomen und keinem Institut - obwohl ihnen gigantische Datenmengen zur Verfügung stehen, die sie 24 Stunden pro Tag durch ihre ausgeklügelten PC-Algorithmen jagen - irgendwelche „strukturellen“ Disproportionalitäten aufgefallen, die aus dem üblichen Rahmen fallen würden.

Die schlichten Theorien, die unter den Disproportionalitäten eigentlich Chaos und Anarchie meinen, gab es bereits, als man gerade begonnen hat, über die ökonomischen Zyklen nachzudenken. Der letzte prominente Ökonom, der richtig überzeugt war, die ökonomischen Zyklen mit Chaos und Anarchie in dem Produktion- und Finanzsektor der Wirtschaft erklären zu können, war vermutlich Marx. Weil man aber auf dem Wege des Chaos und der Anarchie theoretisch nicht weiter kommen konnte, hat man später die Disproportionalitätstheorien auf bestimmte markante Ideen bzw. Annahmen gestellt, um sie zu retten. Auf drei dieser Ideen bzw. Annahmen lassen sich ziemlich alle - zumindest die heute noch erwähnungswerten - Disproportionalitätstheorien zurückführen:

Die Wellen des Pessimismus und des Optimismus: Man kann hier von einer rein psychologischen Theorie sprechen. In dieser Theorie zweifelt man nicht an der Fähigkeit der Unternehmer, die Wirtschaftszweige (produktionstechnisch) gut koordinieren zu können, man wirft ihren aber ein sozusagen launenhaftes Verhalten vor. Durch gegenseitige psychologische „Ansteckung“ aufgrund verschiedener Unsicherheiten und Zukunftsängste können sich angeblich die Stimmungen der Unternehmer auf ihre Entscheidungen, zu investieren bzw. nicht zu investieren, sehr nachteilig auswirken. So würde der übertriebene Optimismus, der aus der momentan guten Geschäftslage entsteht, zu leichsinnigem Handeln verleiten. Schließlich wird zuviel investiert, und das kann nicht lange gut gehen. Irgendwann muss es zur „Reinigungskrise“ kommen, die dann eine Welle von Pessimismus verursacht, als dann die verängstigten Unternehmer unnötig lange mit den Investitionen zögern.

Nach dieser Auffassung sind also die Ursachen der ökonomischen Zyklen die sich ständig wechselnden optimistischen und pessimistischen Stimmungen. Man kann an diese „psychischen Wellen“ glauben, muss aber nicht. Ob es sie wirklich gibt oder nicht, lässt sich nämlich empirisch ganz bestimmt nicht prüfen. Das ist zugleich eine große Schwäche dieser Theorie, aber nicht auch die einzige. Die psychologischen Theorien der ökonomischen Zyklen werden den Überakkumulations- oder Überinvestitionstheorien zugeordnet, und als solche sind sie erst recht angreifbar. Die Überinvestitions- oder Überakkumulationstheorien sind nämlich nicht imstande, glaubwürdig zu beantworten, in Bezug worauf zuviel investiert wird. Eine zumindest sinnige Erklärung ist Schumpeter eingefallen.

Die Wellen von Innovationen: Schumpeter behauptet, dass das neue technische Wissen (Innovationen) in Schüben auftaucht: Lange geschieht nichts, und dann plätschern die neuen Ideen, was die Produktivitätssteigerung und völlig neue Produkte betrifft, als biblisches Manna aus dem Himmel herab. Diese Annahme hat jedoch mit der Wirklichkeit gar nichts zu tun. Sie ist ein reines akademisches Hirngespinst. Aber lassen wir es jetzt - mehr darüber später. Die Ursache für die baldige Disproportionalität findet Schumpeter darin, dass angeblich zu viele Unternehmen in die neuen Technologien investieren, so dass in dem neuen innovativen Produktionsbereich irgendwann Überkapazitäten entstanden sind. Das sind die wahren „strukturellen“ Disproportionalitäten, die Schumpeter meint. Wie begrifflich klar diese Disproportionalitäten auch sein mögen, ihre empirische Existenz wurde jedoch nie nachgewissen. Welche Kapazitäten bei den neuen Technologien ließen wir zum Beispiel herausfinden, bevor die Wirtschaft im Herbst 2008 abgestürzt ist? Keine! Die Theorie von Schumpeter ist also ein komplettes Luftschloss.

Die falsche Zinspolitik (monetäre Überakkumulationstheorien): Auch bei diesen Theorien geht man von einer Annahme aus, die - wir ahnen es schon - auf keine Weise empirisch verifiziert werden kann. Es wird einfach angenommen, dass es zwei Zinsniveaus oder Zinssätze gibt: einen Bankenzinssatz und einen sogenannten natürlichen Zinssatz. Den ersten kennt jeder, der letztere sollte so etwas wie ein idealer gleichgewichtiger Zinssatz sein. Bei ihm würde die Wirtschaft wachsen, und zwar solange es noch unbeschäftigte Arbeitskräfte gibt, dann würde sie auf diesem optimalen Niveau bleiben. Ein Abschwung wäre dann ausgeschlossen. Nun erklärt die Theorie, warum dieser ideale Fall in der Praxis doch so gut wie nie auftritt. Die Schuldigen sind angeblich die Bankiers. Da während der Hochkonjunktur die Kredite gut absetzbar sind, gewähren die Banken ihren Kunden sozusagen Rabatt, indem sie Zinssätze unter ihren „wahren“ Wert heruntersetzen. Dies veranlasst die Unternehmer zu viel zu investieren, und zwar in die Produktion von Kapitalgütern (Produktionsgütern). Die Kapazitäten in diesem Produktionsbereich werden übermäßig erweitert, ungeachtet des laufenden Konsums. So entsteht angeblich ein Missverhältnis zwischen der Produktion der Produktionsgüter und der Konsumgüter.

Wenn man bedenkt, wer die wichtigsten Vertreter dieser Überakkumulationstheorien sind, nämlich Mises und Hayek, ist es eine leichte Übung zu erraten, wer an der angeblich falschen Zinspolitik der Banken schuldig sein sollte. Der Staat natürlich! Mann kennt das abgekartete Spiel dieser wissenschaftlichen Hochstapler schon längst: Wenn das Wachstum lahmt und die Arbeitslosigkeit steigt, ist der Staat schuld, weil seinetwegen der Zins zu hoch ist; stürzt die Wirtschaft ab, dann war ebenfalls der Staat daran schuld, weil er die Zinsen unter dem Niveau des natürlichen Zinssatzes gehalten und - wie eben dargestellt - damit die Disproportionalitäten verursacht hat.

Etwas muss man Hayek doch lassen. Er kann in der Tat behaupten - siehe Motto -, dass es im Gegensatz zu den anderen Konjunkturtheorien, alleine in seiner Theorie keinen Widerspruch zwischen dem empirischen Ablauf des Zyklus und dem erklärenden theoretischen System gibt. Seine Theorie kommt in der Tat mit buchstäblich allen Tatsachen bestens zurecht. Zum Beispiel: ist der Zinssatz der Banken unmittelbar vor dem Absturz der Wirtschaft hoch, was normal der Fall ist, ist es für Hayek kein Problem zu erklären, warum trotzdem immer noch investiert wird. Der „natürliche Zinssatz“ würde angeblich noch höher liegen, so dass die hohen Bankzinsen in Wahrheit noch zu niedrig wären. Und weil der „natürliche Zinssatz“ empirisch nicht ermittelbar ist, lässt sich das Gegenteil nicht nachweisen. Die Theorie ist also nicht widerlegt. Wenn der Zinssatz der Banken niedrig ist - in Japan ist er jahrelang praktisch auf Null - und die Unternehmen nicht investieren, dann ist dies nur ein Zeichen dafür, dass der „natürliche Zinssatz“ noch niedriger liegt, so dass sich schließlich zu investieren immer noch nicht lohnt. Die Theorie stimmt wieder. Ganz schön raffiniert, dieser Herr Hayek - nicht wahr? Und für diese Kacke hat er sogar den (halben) Nobelpreis bekommen. Man fragt sich, ob Alfred Nobel dies geahnt hat, als er in seinem Testament nicht vorgesehen hat, dass auch die sogenannten Wirtschaftswissenschaftler seinen Preis bekommen? Wen wundert schon, dass seine Nachfolger versucht haben, den später eingeführten Preis für diese „Wissenschaft“ wieder abzuschaffen - bisher leider ohne Erfolg.

Aber in der Zunft der Ökonomen gibt es keine Absurdität, die schon morgen nicht überboten werden könnte. Hayek hat sich den Nobelpreis mit Myrdal teilen müssen, wobei der letztere den Staat in Schutz nahm. Ein anderer Ökonom, Joseph Stiglitz, auch ein Nobelpreisträger bemerkte neulich dazu:

„Die Ökonomie ist die einzige Wissenschaft, in der sich zwei Menschen den Nobelpreis teilen können, weil ihre Theorien sich gegenseitig widerlegen.“ ... >

Es wäre aber zuviel anzunehmen, Mises und Hayek seien dermaßen kreative Geister gewesen, sich so etwas wie den „natürlichen“ Zinssatz selber auszudenken. Dieses Phantasieprodukt stammt bekanntlich von dem schwedischen Ökonomen Knut Wicksell (1851 - 1926). Seltsame Weise hat sich sogar Keynes von diesem Hirngespinst verführen lassen (Vom Gelde, 1930), aber bald hat er sich auch von ihm (Allgemeine Theorie, 1936) in aller Deutlichkeit distanziert:

„In meiner Abhandlung „Vorn Gelde“ habe ich einen vermeintlich einzigartigen Zinsfuß definiert, den ich den natürlichen Zinsfuß genannt habe - nämlich den Zinsfuß, der in der Sprache meiner Abhandlung Gleichheit zwischen der Rate der Ersparnis (wie dort definiert) und der Rate der Investition sicherte. Dies schien mir eine Weiterführung und Klärung des „natürlichen Zinsfußes“ („natural rate of interest“) von Wicksell zu sein ...
Es war somit ein Fehler, von dem natürlichen Zinsfuß zu sprechen ... Ich hatte damals noch nicht verstanden, daß unter gewissen Bedingungen das System im Gleichgewicht sein könnte mit weniger als Vollbeschäftigung.
Ich glaube nun nicht mehr, daß der Begriff eines „natürlichen“ Zinsfußes, der mir früher als ein sehr vielversprechender Gedanke erschien, irgendeinen sehr nützlichen oder bedeutsamen Beitrag zu unserer Analyse darstellt.“ ... >

Abschließend sind noch ein paar Worte zum angeblichen Missverhältnis zwischen der Kapitalgütererzeugung im Verhältnis zur Konsumgütererzeugung - zur angeblichen „Überkapitalisation der Grundindustrien“ (Arthur Spiethoff) - angebracht. Keiner wird natürlich bestreiten - Marx hat diese Problematik in seinen Reproduktionsschemata ausführlich behandelt - dass die Produktion der Investitionsgüter am Anfang des Wachstums steigen muss. Die Maschinen, Werkzeuge, Anlagen, Baustoffe aller Art, vor allem Eisen, Stahl und Energie werden immer benötigt, gleichgültig ob es sich um Investitionen in der Sphäre der Produktionsgüter oder der Konsumgüter handelt. Würde man die Produktion von diesen Gütern nicht steigern, würde man folglich auch die Produktion der Konsumgüter nie anheben können. Und wann sollte die Produktion von Investitionsgütern steigen, wenn nicht während der Hochkonjunktur. Wie sollte es auch anders sein? Dies alles ist unbestreitbar. Kann man aber bei der Hochkonjunktur wirklich von einer Überkapitalisation sprechen?

Kann man nicht. Warum nämlich die neu entstandenen Produktionsanlagen nicht dazu benutzt werden, um vermehrt Konsumgüter herzustellen? Dies nicht zu tun, würde keinen ökonomischen Sinn ergeben. Oder bedeutet die Überkapitalisation, dass die Produktionsgüter in so größeren Mengen hergestellt wurden, dass das Gemeinwesen als Ganzes keine Verwendung für sie finden könnte? Das zu behaupten ist erst recht ein Unsinn, aber darüber später.

Die neoliberale Erklärung der ökonomischen Zyklen durch Kostendruck

Es ist selbstverständlich, dass die Unternehmer motivierter sind etwas zu unternehmen, wenn sie größere Gewinne erzielen können, wenn also in ihrem Verkaufpreis die Kosten einen niedrigeren Anteil am Preis der realisierten Produkte ausmachen. Dann investieren sie auch mehr. Bei geringerer Gewinnspanne zögern sie mit den Investitionen, und wenn ihre Erlöse nicht einmal die Kosten decken, gehen ihre Unternehmen in Konkurs. Auch die Gewinnspanne könnte also als Verursacher für die ökonomischen Zyklen in Frage kommen. Wie diese sich auf die wirtschaftliche Aktivität wirkt, hat schon Marx auf die ihm eigene prägnante Weise erfasst:

Das Kapital hat einen Horror vor der Abwesenheit von Profit oder sehr kleinem Profit, wie die Natur vor der Leere. Mit entsprechendem Profit wird Kapital wach, 10 Prozent sicher, und man kann es überall anwenden; 20 Prozent, es wird lebhaft; 50 Prozent, positiv waghalsig; 100 Prozent, es stampft alle menschlichen Gesetze unter seinen Fuß; 300 Prozent, und es existiert kein Verbrechen, das es nicht riskiert, selbst auf Gefahr des Galgens.

Zu den Kosten, welche die Gewinne schmälern, gehören natürlich auch die bereits angesprochenen Zinsen. Es gibt aber keine Theorie, welche alleine die zu hohen Zinsen für den Abschwung verantwortlich macht. In den monetären Überinvestitionstheorien - wie etwa in der von Hayek - sind die angeblich zu niedrigen („realen“) Zinsen während der Hochkonjunktur sogar die eigentlichen Verursacher aller späteren Probleme. Wie unsinnig diese Auffassung auch sein mag, es ist eine unbestrittene Tatsache, dass die Bankzinsen gerade dann am höchsten sind, wenn die Wirtschaft boomt.

Fügen wir gleich hinzu, dass dann auch die Löhne steigen, so dass in der Marktwirtschaft am meisten dann investiert wird, wenn die Investitionskosten am höchsten sind. Aber die Zinsen machen nur einen relativ kleinen Teil der Kosten aus, so dass es vielleicht deshalb keinen Ökonomen von Bedeutung gibt, der allein die Zinshöhe für die Zyklen verantwortlich gemacht hätte. Als eine eventuelle Ausnahme könnte man Gesell erwähnen,dorthin der glaubte, schon der „Zinseszins“ würde immer ausreichen, dass die ökonomische Krisen bzw. Katastrophen entstehen. Aber auch er verlässt sich nicht ausschließlich auf die Zinsen, sondern vor allem an das angebliche Geldhorten. Wo das Geld begraben ein soll, hat ihn jedoch nicht im Geringsten interessiert, was seine Theorie begraben hat. 

Die Löhne belasten die Produktionskosten viel stärker als die Zinsen. Langfristig betrachtet, machen die Löhne die Hälfte der gesamten Nettoeinkünfte aus. Könnte es sein, dass beim Aufschwung die Löhne dermaßen schnell steigen, dass sie die Firmen flächendeckend zum Konkurs treiben? Sollte dies der Fall sein, dann müssten die Löhne in der kurzen Zeit vor dem Absturz der Konjunktur explosionsartig steigen, um etwa zwanzig, dreißig, oder sogar mehr Prozentpunkte. Diesen Eindruck haben natürlich die Unternehmer und Manager immer, und sie haben um sich immer „Experten“ geschart, die das nachweisen sollten; mit der Realität hat dies trotzdem nicht im Geringsten was zu tun. Nur sehr selten steigen die realen Löhne stärker als die Produktivität der Wirtschaft, so dass der Lohnanteil am gesamten Nettoeinkommen, die sogenannte Lohnquote, auch bei Hochkonjunktur nur unwesentlich steigt. Bemerkenswert ist, dass nicht einmal die wildwütigsten Neoliberalen wie etwa Schumpeter und Hayek die ganze Schuld für die ökonomischen Krisen bei den Löhnen abladen.

Auch andere Tatsachen entlasten die angeblich zu hohen Löhne. Sollten nämlich die Lohnkosten der wachstumshemmende Faktor sein, dann müssten die Wirtschaften, bei denen der Lohnanteil am gesamten Nettoeinkommen (Lohnquote) am niedrigsten ist, zu den erfolgreichsten zählen. In der Dritten Welt, wo die sozialen Unterscheide am größten sind und demnach sich das Investieren lohnen müsste, sollte das Wirtschaftswunder eine ganz gewöhnliche Erscheinung sein. Die Tatsache ist, dass diese Wirtschaften erschreckend uneffizient sind - sogar wenn sie liberal-demokratisch sind, wie etwa Indien. Aber wir haben es nicht nötig, uns in die weite Ferne zu begeben. Auch wenn wir uns die westlichen Industriestaaten nach dem Zweiten Weltkrieg anschauen, fällt sofort auf, dass sie gerade in den drei Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg, als die Lohnquote bis auf 70% kletterte, am erfolgreichsten waren. Noch nie zuvor war bei ihnen das Wachstum und das Produktivitätswachstum so hoch gewesen, dies sogar bei einer sehr niedrigen Arbeitslosigkeit. Und auch die ehemaligen ökonomischen Zyklen haben sich in dieser Zeit zu schmalen und kleinen Ausreißern heruntergebildet. Nachdem es mit der Lohnquote immer schneller bergab geht, sind die Schwankungen den ökonomischen Krisen aus dem 19. Jahrhundert immer ähnlicher.

Wenn man diese Problematik vor den Augen hat, wird es viel klarer, warum das neoliberale Modell des allgemeinen Gleichgewichts (Walras) - ein Produkt der klassischen Mechanik aus dem 17. Jahrhundert - auch seine größten Niederlagen unbeschadet überleben konnte. Wie bereits festgestellt, im Modell gibt es keine Profite, was sein System von mathematischen Gleichungen nicht lösbar wäre. Folglich sind die Kapitalbesitzer und Manager in diesem Modell nur völlig normale Angestellte, wie alle anderen, auch wenn sie hundertfach oder sogar tausendmal mehr verdienen als die Putzfrau oder der Fließbandarbeiter. Und wenn es keine Profite gibt, müssen die Preise der Produkte gleich der Summe der Produktionskosten sein, so dass die Unternehmen immer am Rande des Abgrunds balancieren sollten. Schließlich - wie wir es immer zu hören bekommen - gibt es für die Neoliberalen nie „einen Spielraum für Lohnerhöhungen“. Es ist aber merkwürdig, dass diese Profitleugner ausschließlich die Löhne der einfachen Lohnempfänger als Ursache für die Gefährdung des Wachstums und der Beschäftigung sehen. Dass die Löhne der ganz großen „Lohnempfänger“ durch ihre Kosten die Unternehmen und damit die Wirtschaft ebenso zum Absturz bringen können, dies würde diesen neoliberalen Ganoven und Schurken nie im Leben einfallen.

Bedauerlicherweise ist auch Keynes dem Lockruf der neoliberalen Sirenen zum Opfer gefallen. Von seiner Auffassung von „Grenzleistungsfähigkeit des Kapitals“ ausgehend kommt er zur Schlussfolgerung, dass mit einer Vermehrung des Kapitals der reine Ertrag bis auf die Zinsgrenze fallen müsse, so dass am Ende des Aufschwungs die Profite von den Zinsen verschluckt werden:

„Es ist nun offensichtlich, daß die tatsächliche Rate der laufenden Investition bis auf den Punkt getrieben wird, auf der es keine Klasse von Kapitalwerten mehr gibt, deren Grenzleistungsfähigkeit den laufenden Zinsfuß übersteigt. Mit anderen Worten, die Investitionsrate wird auf den Punkt in der Nachfragetabelle der Investition getrieben werden, auf dem die Grenzleistungsfähigkeit des Kapitals im allgemeinen gleich dem Marktzinsfuß ist.“ ... >

Hätte Keynes nur von der „Grenzleistungsfähigkeit des Kapitals“ die Finger gelassen. Er war folglich derjenige, der seine eigene Theorie der ökonomischen Zyklen so präpariert hat, dass sie sehr bald von der neoliberalen Gleichgewichtstheorie auf einen Happen verschluckt werden konnte. Ein bisschen verbittert und ein bisschen ironisch könnte man dazu anmerken:

In seinem zweiten großen Werk (Allgemeine Theorie) hat Keynes eingesehen, dass die „natürliche Zinsrate“, die er noch in seinem ersten Werk (Vom Gelde) so schätzte, ein ordentlicher Unsinn ist. Hätte er länger gelebt, ließe sich nicht ausschließen, dass er in seinem dritten großen Werk auch seine „Grenzleistungsfähigkeit des Kapitals“ für einen Unsinn erklärt hätte.

Aber auch in den Theorien, welche die ökonomischen Zyklen mit den Kosten erklären wollen, ist nicht alles ganz falsch. Im Aufschwung sind die Gewinne wirklich sehr groß, während des Abschwungs schrumpfen sie in vielen Bereichen der Wirtschaft auf Null oder darunter. Noch vor kurzem sehr erfolgreiche Unternehmen werden finanziell ruinieret, und so etwas wird ganz bestimmt nicht vorgespielt. Das ist eine unbestrittene Tatsache, die niemand leugnen kann. Während des Abschwungs geschieht also etwas Seltsames. Wie von einem bösen Zauberer heraufbeschwören, lösen sich die Gewinne in Luft auf. Aber wie richtig dies auch empirisch sein mag, die Löhne können trotzdem nicht Schuld daran tragen, weil mehrere Jahre davon alle Unternehmen mit noch höheren Löhnen erfolgreich funktioniert haben. Deshalb müsste jede Theorie, die nicht erklären kann, warum die Marktwirtschaft gerade dann am besten funktioniert, wenn die Zinsen und Löhne steigen, von Anfang an für gescheitert erklärt werden. Dieses „Kosten-Paradox“ wird in dem Rahmen der nachfragetheoretischen Erklärung der ökonomischen Zyklen, zu der wir uns hintasten, restlos und endgültig geklärt werden.

Die Erklärung der ökonomischen Zyklen mit dem Nachfragemangel

Die ökonomischen Zyklen sind eine so absurde Erscheinung, wie man sie sich sonst nur in der wildesten Phantasie vorstellen kann. Mehrere Jahre läuft alles wie am Schnürchen: Die Wirtschaft wächst und die Beschäftigung steigt, die Löhne steigen und die Gewinnen noch mehr, und dann - auf einmal geht gar nichts mehr. Innerhalb einer kurzen Zeit bricht die Produktion flächendeckend ein. Die Fabriken sind alle noch da, voll einsatzfähig, aber es wird nicht produziert. Diejenigen, von denen man noch kurz davor nicht genug Arbeit ausquetschen konnte, haben jetzt nichts zu tun und bieten sich unter Preis an. Sie kämpfen um ihre nackte Existenz. Die Fabrikbesitzer würden ganz bestimmt sehr gern weiter produzieren, aber ihre Lager sind noch voll. Sie haben keine Kunden. Wo sind sie aber auf einmal geblieben? Könnte es sein, dass die Produktion deshalb einbricht, weil die Menschen auf einmal einfach nicht konsumieren wollen?

Die Menschen sind gar nicht so konsumbesessen, wie man es in der Werbung zu vermitteln versucht. In der überwältigenden Mehrheit haben die Menschen sogar ziemlich bescheidene materielle Wünsche. Wenn sie etwa ein Drittel mehr verdienen würden, würden auch alle ihre Konsumwünsche in Erfüllung gehen. Das haben zahlreiche empirische Forschungen ergeben. Aber innerhalb eines Zyklus war es noch nie möglich, dieses zusätzliche Drittel zu realisieren. Zwischen den Boomphasen der zwei nacheinander folgenden Zyklen ist das Wachstum der Löhne meistens nur in einem einstelligen Bereich möglich. Eine solche Lohnsteigerung kann nicht zur Befriedigung aller Bedürfnisse führen, die man dann für den Absturz der Wirtschaft verantwortlich machen könnte. Es dauert also mehre Jahrzehnte, bis sich die Kaufkraft des Durchschnittsarbeiters um ein Drittel real erhöht. Die Statistiker haben sich dann wieder auf den Weg begeben und ihre Untersuchungen wiederholt. Erstaunlicherweise haben sie festgestellt, dass den Menschen immer noch ein Drittel an Güterkonsum fehlt.

Der Konsumverzicht ist also eine sehr unglaubwürdige Erklärung der ökonomischen Krisen. Wer wundert schon, dass die einzige Hoffnung, die Unterkonsumptionstheorie zu retten, die Reichen waren. Schon der Begründer der Nachfragetheorie, Sismondi und Malthus, meinten zu wissen, dass die Reichen schlechte Konsumenten sind. Bei Keynes wird diese Auffassung als das fundamentale psychologische Gesetzes der Konsumption formuliert, nach dem das Individuum einen umso größeren relativen Anteil des Einkommens spart, je höher sein Einkommen ist. Der Vorwurf, dass diese „Entdeckung“ - rein theoretisch betrachtet - im besten Fall der alte Wein in neuen Schläuchen ist, müsste uns aber nicht besonders stören. Viel problematischer an diesem „Gesetze“ ist, dass die empirischen Erhebungen große Zweifel aufkommen lassen, dass es den von ihm postulierten Zusammenhang überhaupt gibt. Es ist zwar richtig, dass die Armen nichts sparen oder sogar mehr verbrauchen als sie verdienen, aber ob die reicheren Gesellschaften eine größere Sparquote ausweisen als die ärmeren, wie es aus diesem „Gesetze“ zwingend folgen müsste, ist - vorsichtig gesagt - sehr fragwürdig.

Sogar wenn das sogenannte fundamentale psychologische Gesetz der Konsumption langfristig stimmen würde, für die Erklärung der ökonomischen Zyklen würde es trotzdem nicht taugen. Der langfristige Trend allein - wenn es ihn auch gäbe - ist für die Erklärung des Zyklus unbrauchbar. Sollte die Unterkonsumption den Zyklus verursachen, dann müsste noch zusätzlich angenommen werden, dass der Hang zum Sparen (Nichtkonsumieren) eine wellenartige psychische Erscheinung ist: eine Zeitlang will man so viel wie möglich konsumieren, dann aber geht diese Lust abrupt verloren. Eine solche Annahme ließe sich jedoch empirisch nicht nachweisen. Wäre sie dennoch richtig, dann müsste kurz vor dem Abschwung ein nicht unerheblicher Teil der unverbrauchten Einkünfte irgendwo aufbewahrt werden. Aber wo? Wo wird das Einkommen bzw. Geld am Ende der Hochkonjunktur eingebuddelt?

Man hat dieses begrabene Geld noch nie gefunden. Es lassen sich gewisse Mengen vom gehorteten Geld nach dem Absturz finden, aber für die Unterkonsumptionstheorie ist dies dann schon zu spät. Dann wäre der Hang zum Sparen die Folge und nicht die Ursache des Zyklus. Der monetäre Unterkonsumption- bzw. Nachfragetheorie der ökonomischen Zyklen fehlt also bis heute jede empirische Unterstützung. Das hat ihr die Glaubwürdigkeit gekostet und dies zu Recht.

Wie seltsam es auch klingen mag, die Anhänger der monetäre nachfragetheoretische Erklärung der ökonomischen Zyklen sind Gefangene der Logik des Sayschen Gesetzes geblieben, also gerade jenes Gesetzes, das sie so heftig - aber pauschal und letztendlich von falscher Seite - kritisiert haben. Sie sind nämlich stillschweigend davon ausgegangen, dass die erzielten Einkünfte immer reichen würden, die ganze Produktion zu kaufen. Wenn dann die Nachfrage nicht ausreicht, dann müssten diese Einkünfte als Geld irgendwo brachliegen. Und das stimmt nicht. Man hat diese gehorteten Einkünfte deshalb nie gesehen, weil es sie nicht gibt. Der Nachfragemangel entsteht nicht deshalb, weil ein Teil der Einkünfte gehortet wird, sondern weil die verfügbaren Einkünfte kleiner als das Angebot sind. Mit dem Sayschen Gesetzt hat dies direkt gar nichts zu tun, oder noch genauer gesagt: Das Gesetz gilt auch dann, wenn die Einkünfte fehlen. Ebenso hat der Nachfragemangel auch mit dem Geld nichts zu tun. Wir haben schon etwas darüber gesagt, wie die Einkünfte fehlen können,dorthin in den folgenden Beiträgen werden wir es noch besser erklären. Sollten wir das Ergebnis dieser Forschungen schon jetzt kurz zusammenfassen, ließe sich eine Beschreibung oder Definition der ökonomischen Zyklen so formulieren:

Unter dem Konjunkturzyklus lässt sich der Wechsel von Überschreiten und Zurückbleiben des tatsächlichen Sparvolumens (und Investitionsvolumens) gegenüber dem gleichgewichtigen Sparvolumen (und Investitionsvolumen) einer Wirtschaft verstehen.

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