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Aufbau und Inhalt von Teil II:
In Teil I wurden zunächst die wichtigsten Paradigmen der Wirtschaftswissenschaft näher erörtert, die sich auf die Marktwirtschaft beziehen. Dabei wurde bereits erkennbar, dass die Problematik des Gleichgewichts zwischen Angebot und Nachfrage immer die zentrale Rolle in jeder Theorie der Marktwirtschaft spielt, und das nicht von ungefähr. Hierbei handelt es sich um eine spezifische Form des praktischen Problems aller komplexen Systeme, nämlich um das Problem ihrer Stabilität. Dies betrifft sowohl technische als auch soziale Systeme. Es handelt sich also um ein Universalproblem. In den Sozialwissenschaften wird das üblicherweise als das Problem der Ordnung bezeichnet. In Teil II wird es zunächst im Allgemeinen kurz erörtert, und zwar als das soziale Problem, wie die Gesellschaft als Ganzes bestehen und funktionieren kann, trotz der Antagonismen zwischen ihren Teilen - sowohl Individuen als auch Gruppen. Danach wird es spezifisch ökonomisch als Problem der Stabilität und der Effizienz der Marktwirtschaft behandelt. Um die ganze Problematik besser darzustellen und zu verdeutlichen, wird auch hier die historische Herangehensweise gewählt.
Es kommt nicht von ungefähr, dass die Denker und Philosophen am Ende des Mittelalters mit der Suche nach einer neuen Ordnung begonnen haben. Davor lagen nämlich Jahrhunderte des Zerfalls der feudalen Ordnung, die sich mit immer neuen und zahlreichen systemimmanenten Reformen nicht abwenden ließ. Die feudale Gesellschaft, die auf der christlichen Ethik und Weltanschauung basierte, konnte das Problem der Ordnung nicht lösen. Es war somit nur folgerichtig, sich Gedanken über eine prinzipiell andere Ordnung zu machen. Auch hier war das empirische Kriterium, das sich am Anfang der Moderne als neues Paradigma der Erkenntnistheorie durchsetzte, von entscheidender Bedeutung. Vom empirischen Kriterium ausgehend wollten die humanistischen Denker der Frühmoderne eine Ordnung entwerfen, deren Wert nicht an guten Absichten und Erklärungen gemessen werden sollte, sondern an den Ergebnissen ihrer praktischen Anwendung. Das hat in der Ethik dazu geführt, dass die vormoderne Auffassung von „Gut und Böse“, die eigentlich allen alten Zivilisationen und Religionen zugrunde lag, als eine rein spekulative und metaphysisch geprägte Konstruktion endgültig verworfen wurde. Von nun an stand nicht mehr der Mensch wie er sein sollte und damit die Frage der moralischen Verbesserung des Menschen im Vordergrund, sondern der Mensch wie er wirklich ist. Das hat zu einem echten Paradigmenwechsel in der Ethik geführt. In Kapitel 5 wird näher beschrieben, wie dieser zustande kam. Es wird konkret gezeigt, warum und wie die althergebrachte Idee der moralischen Verbesserung des Menschen durch Erziehung und Umerziehung ihre Überzeugungskraft verloren hat und wie dieser Weg zu einer neuen, wissenschaftlichen Lösung des Problems der Ordnung führte: zum Ordnungsprinzip der Regelung. Die geregelte Ordnung ist eine prinzipiell andere als die vormodernen Ansätze. Diese waren immer gesteuerte Ordnungen.
Aus dieser allgemeinen Analyse des Problems der Ordnung wird sich herausstellen, dass eine freiheitliche Ordnung, von der die neoliberalen Ökonomen, Sozialwissenschaftler und Philosophen begeistert schwadronieren, in der Realität nicht möglich ist. Eine solche Ordnung gab es nie und wird es auch nie geben. Sie war, ist und wird für immer eine Utopie bleiben, und zwar eine gefährliche Utopie, wie es sich schon so oft herausgestellt hat und wie wir es heute noch einmal erfahren müssen. Deshalb lässt sich auch mit Sicherheit davon ausgehen, dass es eine wissenschaftlich fundierte Theorie der freiheitlichen Ordnung, nach der die sogenannten Liberalen schon seit fast seit drei Jahrhunderten vergeblich suchen, niemals geben wird. Folglich entbehrt es jeder Grundlage, vom System der unbeschränkten Freiheit überhaupt als Konzeption einer Ordnung von besonderer Art zu sprechen. Die nicht einmal ein Jahrhundert alte Wissenschaft Kybernetik hat hier endgültig für Klarheit gesorgt. Systeme lassen sich entweder steuern oder regeln: Tertium non datur. Das ist das letzte Wort der Wissenschaft, alles andere kann alles Mögliche sein, nur keine Wissenschaft. Die Idee einer freiheitlichen Ordnung wäre niemals von rational und empirisch denkenden Menschen ernst genommen worden, wenn sich aus ihr nicht eine Ideologie zugunsten der Klasse der Kapitalbesitzer und Bankiers hätte schmieden lassen. Sie ist nur eine schöne Fassade für eine Klassenherrschaft.
In Kapitel 6 wird erörtert, wie Adam Smith von den neuen Ideen und Denkweisen seiner Zeit ausgehend die marktwirtschaftliche Ordnung konzipierte. Ganz im Geiste der größten Denker und Philosophen vom Anfang der Moderne ging er von dem Menschen aus „wie er wirklich ist“. Er betrachtete ihn weder als völlig einfältig noch als völlig rational, weder als grenzenlos großherzig und altruistisch noch als rücksichtslos kaltherzig und eigennützig. Er folgert aus seinen Überlegungen, dass der Mensch einfach nur ein beschränkt rationales und beschränkt moralisches Wesen ist. Dies führte ihn als ökonomischen Denker praktisch unausweichlich zur geregelten Ordnung. Das von ihm selbst so genannte System der natürlichen Freiheit ist also keine freiheitliche Ordnung, wie es sowohl in Politik, Bildungswesen und Medien als auch von den heutigen Ökonomen und Philosophen des neoliberalen Mainstreams propagiert wird.
In den folgenden zwei Kapiteln geht es darum, die theoretische Konzeption der Marktwirtschaft als geregelte Ordnung für die praktische Anwendung weiterzuentwickeln. Die ursprüngliche frühliberale Idee der marktwirtschaftlichen Ordnung wird auf einen neuen Stand gebracht, indem die neuen Erkenntnisse, zu denen die Menschheit bzw. die Wissenschaften in den beiden Jahrhunderten seit Smith gelangt sind, berücksichtigt werden. Paradigmatische Grundlage hierfür ist die kreislauftheoretische Erklärung der Marktwirtschaft, die in Teil I ausführlich erörtert wurde. Die vorgeschlagenen Lösungen für die praktische Wirtschaftspolitik sind also hauptsächlich Regelungen, die eine stabile wirtschaftliche Entwicklung ermöglichen bzw. unterstützen, aber nicht nur das. Indirekt und zugleich sollen sie auch für die Schaffung und Aufrechterhaltung einer gerechten und humanen gesellschaftlichen Ordnung beitragen.
In Kapitel 7 werden mehrere, miteinander kombinierbare Regelungen und Maßnahmen vorgestellt, dem Entstehen des Nachfragemangels entgegenzuwirken, der die Konjunktur beeinträchtigt und zu periodischen ökonomischen Krisen führt, mit all den aus der Geschichte des real existierenden Kapitalismus gut bekannten fatalen Folgen. Es sind vornehmlich makroökonomische Regelungen, die eine Alternative zur heutigen neoliberalen Wirtschaftspolitik bieten. Ihre praktische Anwendung wird erläutert und im Zuge dessen gezeigt, dass ihre Umsetzung sogar relativ leicht zu bewerkstelligen ist, da eine tiefgreifende Umgestaltung der heute bereits vorhandenen Institutionen, die der freien Konkurrenz dienen und das Privateigentum schützen, nicht erforderlich ist. Damit ist natürlich nicht gesagt, dass all diejenigen, die innerhalb der herrschenden Ordnung zu Reichtum, Macht und Privilegien gelangt sind, mit rationalen Argumenten zu überzeugen wären, im Gegenteil. Sie werden alles Mögliche tun, um wesentliche Änderungen am bestehenden System zu verhindern, auch und gerade wenn diese einen Fortschritt für die gesamte Gesellschaft bedeuteten würden. Die Herrschenden waren nie in der Geschichte bereit, auch nur das Geringste von ihren Privilegien, ihrem Eigentum und ihrer Macht freiwillig abzugeben. Das ist ein Problem für sich, das man in diesem Buch aber nicht angehen kann.
In Kapitel 8 wird vorgeschlagen, wie sich mit der Geldschöpfung der Notenbanken und dem gezielten Einsatz dieses Geldes „aus dem Nichts“ dem Nachfragemangel begegnen lässt. Zuerst wird kurz beschrieben, wie das heutige Finanzsystem entstanden ist und wie es funktioniert, vor allem wie in ihm das neue Geld geschöpft wird. Diesbezüglich kann bereits hier vorausgeschickt werden, dass es sich hierbei um ein quasi privates Geldsystem mit privatem Geld handelt - mit nur wenig Übertreibung kann man sogar von einer legalisierten Geldfälschung sprechen -, das den Bürgern nicht nützt, sondern gezielt dazu eingesetzt und auch noch in verbindliches Recht gegossen wird, damit die große Mehrheit der Gesellschaft von einer kleinen Minderheit ausgenutzt und enteignet werden kann. Das hier vorgestellte alternative Geldsystem ist im Gegensatz dazu dem Wohl aller Menschen verpflichtet. Deshalb kann man von demokratischer Geldschöpfung sprechen. Wie viel von diesem Geld geschöpft werden, wer es bekommen und was damit getan werden soll, lässt sich regelungstheoretisch bestimmen und mit geeigneten Regelungen in die Praxis umsetzen.
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